"Das ist ein fulminanter Anstieg" Ifo-Index verkündet Stärke
23.02.2012, 10:45 Uhr
Das Eisen liegt, jetzt fehlt nur noch der Beton.
(Foto: picture alliance / dpa)
Allen Unsicherheiten zum Trotz hellt sich die Stimmung in der deutschen Wirtschaft immer weiter auf. Der Geschäftsklimaindex des Münchener Ifo-Instituts verbessert sich zum vierten Mal in Folge. Das an den Börsen viel beachtete Konjunkturbarometer steigt im Februar deutlich stärker als erwartet. Analysten zeigen sich schwer beeindruckt.

Ifo-Experte Abberger bleibt vorsichtig: "Abhaken kann man die Risiken noch nicht."
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Die Stimmung in den Chefetagen deutscher Unternehmen hat sich im Februar den vierten Monat in Folge verbessert. Der Ifo-Geschäftsklimaindex stieg auf 109,6 von 108,3 Punkten im Vormonat, teilte das Münchner Ifo-Institut zu seiner Umfrage unter 7000 Managern mit. Der Index erreicht damit seinen besten Wert seit Juli 2011. Im Vorfeld befragte Analysten hatten nur einen leichten Anstieg auf 108,8 Zähler erwartet.
"Die Unternehmen berichten häufiger als im Januar von einer guten Geschäftslage", teilten die Konjunkturforscher mit. Die Geschäftserwartungen fielen das vierte Mal in Folge zuversichtlicher aus. "Die deutsche Konjunktur wird derzeit von binnenwirtschaftlichen Auftriebskräften getragen", sagte ifo-Präsident Hans-Werner Sinn.
Die von Ifo-Mitarbeitern befragten Firmenchefs blicken optimistisch auf die kommenden sechs Monate: Das Barometer für die Geschäftsaussichten legte auf 102,3 von 100,9 Punkten zu. Hier hatten Analysten mit 102,0 Punkten gerechnet. Auch die Geschäftslage wurde besser bewertet. Dieser Index stieg auf 117,5 von 116,3 Zähler und übertraf ebenfalls die Erwartungen.
Die Unternehmen bewerten damit ihre aktuelle Lage besser als noch im Januar, vor allem aber schraubten sie ihre Erwartungen für die kommenden Monate nach oben. "Vom Exportgeschäft rechnen sich die Firmen unverändert positive Impulse aus. Die Beschäftigtenzahl wollen sie weiterhin erhöhen", sagte Sinn. Experten hatten beim Ifo-Index trotz der Unsicherheit durch die Euro-Schuldenkrise mit dem leichten Plus gerechnet. Mit großen Sprüngen wurde allerdings nicht gerechnet.
Die Industrie verzeichnete zwar eine schlechtere Geschäftslage als im Januar, blickte aber den dritten Monat in Folge optimistischer nach vorne. Auch im Einzel- und Großhandel sowie am Bau hellte sich die Stimmung spürbar auf.
Am Frankfurter Aktienmarkt wurde der Geschäftsklimaindex bereits mit Spannung erwartet: Analysten und Anleger erhofften sich Aufschluss darüber, ob sich die befragten Unternehmer erneut wenig beeindruckt von Euro-Schuldenkrise und schwächelnder Konjunktur in zahlreichen Exportländern zeigen würden oder nicht. Im Vorfeld war von einem erheblichen Abwärtsrisiko die Rede, sollte der Index unerwartet einbrechen. Entsprechend stark vielen die Reaktionen aus. Dax und Euro legten zeitweise kräftig zu.
Deutschland, die Stütze Europas?
"Im Moment sieht es nicht nach einer Rezession aus", kommentierte Ifo-Experte Klaus Abberger die Lage. Die heimische Wirtschaft sei recht robust, besonders die Binnenwirtschaft stabil. "Aber abhaken kann man die Risiken noch nicht", warnte Abberger. "Gefahr droht vor allem von der Euro-Krise." Mit den steigenden Kraftstoffpreisen sei ein weiteres Risiko hinzugekommen. "Das kann den privaten Konsum belasten, ebenso die Autobranche."
Analysten sehen dies ähnlich. "Die Wirtschaft nimmt peu à peu wieder an Fahrt auf, auch wenn uns natürlich weiter Gegenwind aus Südeuropa und nun auch durch den seit Jahresanfang deutlich anziehenden Ölpreis entgegenweht", sagte Rainer Sartoris von HSBC Trinkaus. Seine Kollegin Ulrike Rondorf von der Commerzbank sagte: "Das ist ein positives Signal für Deutschland. Der Ifo zeigt heute, dass die deutsche Wirtschaft sich zu Beginn des Jahres stabilisiert hat. Wir rechnen daher mit Wachstum für das erste Quartal. Deutschland ist in den letzten Jahren schon stärker gewachsen als der Euro-Raum und wird es auch dieses Jahr wieder tun."
"Die Rezessionsängste haben deutlich abgenommen", bestätigte Jörg Zeuner, Chefökonom der VP Bank. "Die Abschwächung der realen Wirtschaftsdaten scheint sich kaum negativ auf die Stimmung auszuwirken. Bleibt eine weitere Eskalation der Schuldenkrise aus, wird die deutsche Wirtschaft nach zwei schwächeren Quartalen wieder auf den Wachstumspfad zurückfinden. Wachstumsimpulse aus dem Ausland bleiben aber vorerst schwach, während die Binnennachfrage kaum hohe Wachstumsraten generieren wird."
"Die Rezession fällt aus"
"Das ist ein fulminanter Anstieg, der in dieser Größenordnung nicht zu erwarten war", konstatierte Dekabank-Analyst Christian Melzer. "Das ist natürlich ein ganz deutliches Signal für die deutsche Konjunktur. Man möchte fast sagen: Die Rezession fällt aus in Deutschland. Die Anzeichen verdichten sich, dass es nicht zu einem zweiten, negativen Quartal kommen wird. Was die Konjunktur in Deutschland angeht: Wir werden unsere bisherige Prognose sicher nach oben revidieren. Ein leichtes Plus kann man sich schon vorstellen vor dem Hintergrund der Daten. Das gibt auch Vertrauen für den weiteren Jahresverlauf. Der Abschwung in Deutschland hat den Boden gefunden. Das macht auch wieder Hoffung für den Euro-Raum insgesamt. Es würde auch den Nachbarn helfen, wenn Deutschland wieder Tritt fassen würde."
Der Ifo-Index ist das wichtigste deutsche Konjunkturbarometer. Es sagt die Entwicklung der kommenden Monate recht zuverlässig vorher. Der deutliche Anstieg dürfte in Berliner Regierungskreisen für freudige Gesichter sorgen: Das Bundesfinanzministerium geht nach dem Konjunkturrückgang Ende vergangenen Jahres weiterhin nur von einer Wachstumsdelle aus. Nach den aktuellen Indikatoren könne die Erwartung bekräftigt werden, "dass die konjunkturelle Schwächephase allmählich überwunden werden dürfte", heißt es im aktuellen Monatsbericht des Ministeriums.
Einige vorlaufende Stimmungsindikatoren zeigten inzwischen einen deutlichen Aufwärtstrend, schrieben die Beamten in ihrem kurz vor dem Ifo-Index veröffentlichten Bericht. Auch die Auftragsbestellungen für die Industrie seien zum Jahresende 2011 wieder gestiegen, hieß es. Die Konjunkturdynamik hatte sich Ende 2011 erwartungsgemäß spürbar abgeschwächt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist das Bruttoinlandsprodukt im Schlussquartal gegenüber dem Vorquartal um 0,2 Prozent gesunken. Trotz des Rückgangs im 4. Quartal ist die Wirtschaft 2011 insgesamt um 3,0 Prozent gewachsen.
Direkte Folgen für die Staatskasse
Die Konjunkturflaute zum Ende des vergangenen Jahres hat unmittelbare Auswirkungen auf die deutschen Staatsfinanzen. Sie macht sich in den Kassen der öffentlichen Hand bereits bemerkbar. Die Steuereinnahmen von Bund und Ländern stiegen nur dank Sondereffekten im Januar auf 39,5 Mrd. Euro und damit um 3,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie aus dem Monatsbericht hervorgeht.
"Die Zunahme ist allein auf die verzerrende Wirkung von Sondereffekten zurückzuführen, die per saldo nicht zu Mehreinnahmen führen", betonte das Ministerium. Ohne dieses Phänomen sei der "Trend monatlich steigender Einnahmen zunächst gebrochen". 2011 hatten Bund und Länder wegen der guten Konjunktur 527 Mrd. Euro in ihren Kassen und damit ein Plus von rund 8 Prozent. Laut Steuerschätzung steigen die Einnahmen 2012 um gut 3 Prozent auf knapp 544 Mrd. Euro.
Durch einen Sonderfall erhöhte sich das Aufkommen im Januar um rund 1,6 Mrd. Euro. Allerdings teilte das Ministerium mit: "Im Laufe des Jahres ist im gleichen Umfang Steuer wieder zu erstatten." Bereinigt um diesen Effekt wären die Steuereinnahmen im Januar um 0,4 Prozent zum Vorjahresmonat gesunken. Zudem sei es wegen einer technischen Umstellung zu erheblichen Nachbuchungen aus dem Dezember 2011 gekommen. Deshalb falle das Januar-Ergebnis etwa um einen dreistelligen Millionenbetrag zu hoch aus.
Berlin setzt auf Erholung
Das Finanzministerium geht davon aus, dass die "konjunkturelle Schwächephase allmählich überwunden werden dürfte". So signalisierten einige vorlaufende Stimmungsindikatoren einen deutlichen Aufwärtstrend. Zudem dürfte sich der private Konsum im Jahresverlauf positiv entwickeln - vor allem angesichts des robusten Arbeitsmarktes und der erwarteten Steigerung der Einkommen.
Ende 2011 war die Wirtschaft wegen der Euro-Schuldenkrise um 0,2 Prozent geschrumpft und damit erstmals seit dem Höhepunkt der jüngsten Krise Anfang 2009. Die Bundesregierung sagt der Wirtschaft 2012 ein Plus von 0,7 Prozent voraus, einige Ökonomen rechnen nur mit einem Mini-Wachstum nahe der Stagnation.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts