Volkswirte zur Lage der Euro-Zone Industrie hängt Service ab
21.01.2010, 12:15 UhrMit den Einkaufsmanager-Indizes aus den Sektoren Industrie und Dienstleistungen gelangen weitere Hinweise zur Lage der Eurozone auf den Markt. In den Analyseabteilungen der Banken wundern sich die Ökonomen: Der Service hinkt dem verarbeitenden Gewerbe hinterher.
Industrie und Dienstleister der 16 Euro-Länder sind ungleich in das neue Jahr gestartet. Während die Geschäfte der Produzenten im Januar so stark anzogen wie seit fast zwei Jahren nicht mehr, verlangsamte sich die Erholung im Service-Sektor. Der Einkaufsmanagerindex für die Industrie kletterte um 0,4 auf 52,0 Punkte. Im Vorfeld befragte Analysten hatten nur mit 51,8 Zählern gerechnet. Das Barometer für die Dienstleister fiel überraschend auf 52,3 Punkte.
"Das entspricht unseren Erwartungen", stellte Gerd Hassel von der BHF Bank in einer ersten Reaktion auf die Daten fest. "Es ist erstaunlich, dass die Dienstleister etwas der Industrie hinterherhinken", kommentierte er. Allerdings seien dies Abweichungen, die es von Monat zu Monat geben könne. "Die Erholung schreitet voran, ist aber nicht besonders stark. Als Aufschwung würde ich das nicht bezeichnen."
Es dürfte weiter schleppend laufen, meinte Hassel, vor allem wenn erst die "richtigen Einbrüche" am Arbeitsmarkt ankämen. "Wenn die Arbeitslosigkeit weiter steigt, wird wohl der private Konsum weiter sinken, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch in weiten Teilen der Euro-Zone", prognostizierte der BHF-Experte.
Deutungen der Dekabank
Sein Kollege Andreas Scheuerle von der Dekabank nahm eine andere Perspektive ein: "Eurolandweit bin ich, was das Verarbeitende Gewerbe angeht, recht zufrieden", hielt Scheuerle in seiner ersten Reaktion fest.
"Ende Dezember liefen in vielen Ländern die Abwrackprämien aus, das könnte auf der Industrieproduktion lasten", meinte er. Insofern sei der Anstieg des Einkaufsmanager-Index positiv. "Allerdings könnten sich die Belastungen in die Zukunft verschleppen, weil viele Firmen ihre Aufträge nicht komplett abgearbeitet haben, sondern einen Teil aufheben, um den Übergang zu glätten", warnte der Dekabank-Ökonom.
Der Rückgang bei den Dienstleistern mahne zur konjunkturellen Vorsicht, betonte Scheuerle. "Wir erwarten im Winterhalbjahr eine schwächere Phase der Konjunktur. Eine interessante Botschaft ist, dass die Unternehmen wenig Spielraum bei den Preisen haben. Das ist angesichts der hohen Unterauslastung leicht zu erklären. Bei der EZB ist deswegen Ruhe angesagt", sagte Scheuerle mit Blick auf Teuerungsrate und EZB-Geldpolitik.
Die Position der Postbank
Fabienne Riefer, volkswirtschaftliche Analystin bei der Postbank, hob im Hinblick auf die Einkaufsmanagerindizes ("Purchasing Managers Index", PMI) ebenfalls die abweichenden Bewegungen zwischen Industrie- und Service-Sektor hervor: "Die PMI-Daten gehen in eine unterschiedliche Richtung. Erfreulich ist die Verbesserung im Verarbeitenden Gewerbe, vor allem in Deutschland. Die deutsche Industrie scheint von der weltwirtschaftlichen Erholung zu profitieren. Anders die Dienstleister. Da gab es einen Dämpfer, auch wenn das Niveau noch auf expandierende Geschäfte hinweist."
Insgesamt signalisierten die Daten nach Einschätzung von Riefer eine anhaltende Konjunkturerholung. Allerdings gebe es auch Bereiche, "wo es holpriger wird wie bei den Dienstleistern".
"Es wird kein glatter Durchmarsch nach oben", warnte Riefer. "In der Zukunft wird es sicher noch einige leichte Rückschläge geben, vor allem in der zweiten Jahreshälfte, wenn staatliche Unterstützungen auslaufen oder reduziert werden."
Quelle: ntv.de, rts