Wirtschaft

EZB vor historischer Zinssenkung Inflation auf dem Rückzug

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(Foto: dpa)

Die Teuerung in Deutschland sinkt auf den tiefsten Stand seit anderthalb Jahren. Entspannung an der Preisfront bringt vor allem sinkende Ölpreis mit sich. Weil die Inflationsrate deutlich unter die kritische Schwelle der Europäischen Zentralbank von 2 Prozent fällt, rechnen Volkswirte schon bald mit einer weiteren Zinssenkung.

Der gesunkene Ölpreis sorgt für Entlastung im Portemonnaie der deutschen Verbraucher. Im Juni sank die Jahresteuerungsrate auf einen Wert von 1,7 Prozent - das niedrigste Niveau seit Dezember 2010. Im Sog der schwächeren Weltkonjunktur war der Ölpreis stark gesunken, was Tanken und Heizen verbilligt. Zum Vormonat vergünstigte sich die Lebenshaltung um 0,1 Prozent. Trotz teurerer Nahrungsmittel ist der Preisdruck auf Jahressicht den zweiten Monat in Folge unter die Zielmarke der Europäischen Zentralbank gefallen. Sie spricht bei Werten von knapp unter zwei Prozent von Preisstabilität.

Damit dürfte auch der Weg für eine historische Zinssenkung am Donnerstag kommender Woche frei sein, mit der EZB-Chef Mario Draghi die Wirtschaft der Euro-Zone in der Krise anschieben könnte: "Wir rechnen mit einer Kappung. Die Inflationsdaten aus Deutschland zeigen der EZB, dass der Preisdruck derzeit nur verhalten ist", meint Commerzbank-Experte Ralph Solveen. Er reiht sich damit in den Kreis der von Reuters befragten Volkswirte ein, die mit einer geldpolitischen Lockerung rechnen. In einer aktuellen Umfrage gaben 48 von 71 befragten Ökonomen an, dass sie auf eine Kappung des Leitzinses am 5. Juli setzen.

Noch nie seit Bestehen des Euro hatte die EZB den Schlüsselzins unter das Niveau von 1,0 Prozent gesenkt. EZB-Chefvolkswirt Peter Praet machte in einem Presseinterview deutlich, dass diese Marke für die Zentralbank keine Schallmauer darstellt. "Es gibt keine Doktrin, dass der Leitzins nicht unter 1,0 Prozent liegen kann", sagte Praet der "Financial Times Deutschland". Zwar betonte er ausdrücklich die Risiken und denkbaren Nebenwirkungen, wenn der Leitzins über einen längeren Zeitraum auf ultraniedrigem Niveau verharrt. Aber positive Folgewirkungen seien natürlich auch vorhanden, erklärte der Nachfolger des Deutschen Jürgen Stark, der zum Jahresende im Streit mit der EZB-Führung vom Amt des Chefökonomen zurückgetreten war: "Zinsänderungen haben immer eine Wirkung, wenn natürlich auch begrenzt. Sie sind dann berechtigt, wenn sie dazu beitragen, die Preisstabilität auf mittlere Frist zu gewährleisten."

"Gefallener Ölpreis schlägt voll durch"

Den nachlassenden Preisdruck verspürten die deutschen Verbraucher insbesondere an der Zapfsäule. Nachdem die Kraftstoffpreise im Mai zum Vormonat erstmals gesunken waren, gaben sie im Juni erneut nach. Heizöl wurde sogar den vierten Monat in Folge günstiger. "Der gefallene Ölpreis schlägt voll durch", so Solveen. In Nordrhein-Westfalen konnten sich die Verbraucher zugleich über eine unterdurchschnittliche Jahresteuerungsrate von 1,3 Prozent freuen. Zwischen Münster und Bonn wirkten sich dabei insbesondere die um die Hälfte gesunkenen Bildungskosten aus, die mit dem Wegfall der Studiengebühren zusammenhängen.

Allerdings stiegen im bevölkerungsreichsten Bundesland auch die Nahrungsmittelpreise mit 3,2 Prozent so stark wie seit Dezember 2010 nicht mehr. Insbesondere Frischgemüse plus 10,1 Prozent) und Fleisch (plus 4,9 Prozent) verteuerten sich erheblich. Butter verbilligte sich hingegen kräftig um 26,8 Prozent. Biertrinker in NRW durften sich zudem über einen um mehr als vier Prozent günstigeren Preis für den Gerstensaft freuen. Raucher mussten hingegen vier Prozent mehr für Zigaretten ausgeben.

Verbraucher bleiben in Kauflaune

Noch im Mai hatte die Inflationsrate in Deutschland bei 1,9 Prozent gelegen. Der nachlassende Preisdruck dürfte nun dafür sorgen, dass die Verbraucher trotz Eurokrise in Kauflaune bleiben. Wie aus dem jüngsten Konsumklima-Barometer der GfK-Marktforscher hervorgeht, rechnen die Bundesbürger trotz der Eurokrise mit steigenden Einkommen und wollen mehr Geld für teure Anschaffungen ausgeben.

Wie sich die Inflationsrate weiter entwickelt, ist unter Experten strittig: Die Commerzbank geht davon aus, dass der Abwärtstrend der Inflationsrate wohl nicht lange anhalten wird: "Wegen der höheren Lohnabschlüsse dürften die Verbraucherpreise bald auf breiter Front stärker steigen." Heinrich Bayer von der Postbank ist optimistischer: Er erwartet, dass die Inflationsrate auch für den Rest des Jahres die Zielgröße der EZB von maximal zwei Prozent nicht mehr übersteigen wird.

Quelle: ntv.de, nne/rts

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