Wirtschaft

"Unter 100 Milliarden Euro" Irland schlüpft unter Rettungsschirm

(Foto: picture alliance / dpa)

Nach Griechenland, nun auch Irland: Der von Schuldenproblemen geplagte Inselstaat ist nicht mehr in der Lage, sich selbst zu helfen und schlüpft doch unter den Euro-Rettungsschirm. Die Höhe der Unterstützung ist noch offen. Im Gegenzug müssen sich die Bürger auf drastische Kürzungen von Sozialleistungen gefasst machen.

Deutschland und seine EU-Partner werden dem hoch verschuldeten Irland mit Milliarden zu Hilfe kommen. Damit schlüpft Irland als erstes Land unter den milliardenschweren Rettungsfonds für wackelnde Euro-Länder. Die Regierung aus Dublin habe einen Antrag auf einen Notfallkredit gestellt, den die Finanzminister des Euro-Raums und der EU unterstützten. Das teilten die Minister nach einer Telefonkonferenz mit.

Brian Lenihan will für die Banken "mehrere zehn Milliarden Euro" in der Hinterhand haben.

Brian Lenihan will für die Banken "mehrere zehn Milliarden Euro" in der Hinterhand haben.

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Der Krisenfonds von EU, Euro-Ländern und Internationalem Währungsfonds (IWF) umfasst insgesamt 750 Milliarden Euro und kann Kredite zu günstigen Zinsen an Dublin vergeben. Die Höhe der Summe ist noch nicht bekannt, laut der belgischen EU-Ratspräsidentschaft wird der Betrag unter 100 Milliarden Euro liegen. Zusätzlich erklärten die Nicht-Euro-Länder Großbritannien und Schweden, bilaterale Kredite bereitstellen zu wollen.

"Die Minister stimmen mit der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank darin überein, dass Unterstützung für Irland notwendig ist, um die Finanzstabilität in der EU und im Euro-Raum zu wahren", heißt es in der gemeinsamen Erklärung der Minister. Über die Auflagen für die Milliardenhilfe machten sie keine Angaben, diese sollen nun von Experten der EU, des IWF und Irlands gemeinsam ausgehandelt werden.

Harte Auflagen für Hilfen

Als Bedingung für Hilfen zeichnet sich ab, dass sich die Bürger in Irland auf drastische Kürzungen von Sozialleistungen gefasst machen müssen. Die Regierung wolle den Rotstift bei Zuwendungen an Kinder, Mindestlöhnen und beim Arbeitslosengeld ansetzen, berichteten irische Medien. Bis 2014 sollten 15 Milliarden Euro eingespart werden. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sprach von harten Auflagen für die Hilfen. Eine Lösung für Irland könne aber vor einer Ausbreitung der Schuldenkrise auf andere Länder schützen.

Finanzminister Brian Lenihan sagte, die Summe, um die Irland bitten werde, liege nicht im dreistelligen Milliarden-Bereich. Ohne den genauen Betrag zu nennen, erklärte er, für die Banken wolle Irland für den Notfall "mehrere zehn Milliarden Euro" in der Hinterhand haben. Es müsse strukturelle Änderungen geben, um die Institute auf die richtige Spur zu setzen. Überhaupt sei es am wichtigsten, einen Zusammenbruch des Bankensektors zu verhindern.

Immobiliensteuer im Gespräch

Hinzu könne Geld für den Staatshaushalt kommen, sagte Lenihan. Irland habe eine Finanzierungslücke von 19 Milliarden Euro. Falls sich das Land das Geld am Finanzmarkt nicht borgen könne, seien dafür Hilfen erforderlich. Er werde dem Kabinett noch am Sonntag seinen Vorschlag vorlegen. In Medienberichten war zuvor über eine Summe von 100 Milliarden Euro oder mehr spekuliert worden. Reuters hatte aus Kreisen der Euro-Zone indes erfahren, es gehe wohl um 45 bis 90 Milliarden Euro - je nachdem, ob auch Hilfen für die Banken beantragt würden. Das Land steuert 2010 auf ein Haushaltsdefizit von 32 Prozent zu, weil der Staat die Institute stützen muss, die wegen der Finanz- und Wirtschafskrise in Schieflage sind. Irland hatte sich lange gegen Hilfen gewehrt. Einerseits sprach der Nationalstolz dagegen. Zudem wollte die Regierung vermeiden, dass sie im Gegenzug für Hilfen die Hoheit über ihren Haushalt verliert.

Irland könne auch eine neue Immobiliensteuer einführen und Steuerleichterungen für Besserverdienende streichen, hieß es in Medien. Die niedrige Unternehmenssteuer will Irland aber nicht antasten. Frankreichs Ministerpräsident Nicolas Sarkozy hatte sich am Samstag zuversichtlich gezeigt, dass der Satz angehoben wird. Es gebe nur zwei Stellschrauben, an denen gedreht werden könne - Ausgaben und Einnahmen, sagte er.

Schäuble: Verteidigen den Euro

Bundesfinanzminister Schäuble verwies im ZDF darauf, dass es nicht in erster Linie um Hilfen für ein Land gehe: "Wir verteidigen ja nicht irgendein Mitgliedsland, sondern wir verteidigen die Stabilität unserer gemeinsamen Währung." Irland werde für die Unterstützung strenge Auflagen erfüllen müssen, die derzeit ausgehandelt würden.

Vertreter von EU und IWF sind seit Donnerstag in Dublin, um über Details zu sprechen. Eine schnelle Lösung ist wichtig, um Anleger an den Finanzmärkten zu beruhigen. Es gibt die Sorge, dass die Krise in Irland auf Portugal und Spanien übergreift. Die Risikoaufschläge irischer, griechischer, portugiesischer und italienischer Staatsanleihen waren zuletzt gestiegen.

Druck auf Cowen wächst

Brian Cowen steht mit dem Rücken zur Wand.

Brian Cowen steht mit dem Rücken zur Wand.

(Foto: REUTERS)

Derweil wurde die Regierung um Ministerpräsident Brian Cowen von irischen Medien der Lüge bezichtigt und zum Rücktritt aufgefordert. Sie hatte bestritten, mit EU und IWF zu sprechen, obwohl informelle Diskussionen dazu liefen. "Ihr habt gelogen. Ihr habt uns enttäuscht. Tretet zurück", titelte die Zeitung "Sunday Independent" unter einem Foto aller Kabinettsmitglieder. Kommentatoren wiesen darauf hin, die Gewerkschaften hätten vor Unruhen in der Bevölkerung gewarnt. Schon Griechenland hatte Mitte des Jahres für Hilfen von EU und IWF seinen Bürgern drastische Einsparungen und Kürzungen zumuten müssen. Seitdem kommt es immer wieder zu Protesten.

Unmut kam auch aus der Regierungspartei Fianna Fail. "Das Handeln und die Äußerungen der Regierung in den vergangenen zehn Tagen haben das Vertrauen der Bürger fundamental beschädigt", schrieb etwa der ehemalige Verteidigungsminister Willie O'Dea in der Zeitung. Der Abgeordnete John McGuinness forderte den Rücktritt Cowens. Es müsse Neuwahlen geben, auch wenn Fianna Fail dabei die Macht verliere. In Umfragen kommt die Partei auf nur noch 17 Prozent der Stimmen. Damit verlöre sie die Hälfte ihrer Sitze im Parlament. Sollte die Regierung die Krise überstehen, gehen Beobachter von Neuwahlen spätestens im Frühjahr 2011 aus.

"Euro nicht in Gefahr"

Trotz der Schuldenkrise in Irland und anderen Ländern sieht EZB-Ratsmitglied Lorenzo Bini Smaghi den Euro nicht in Gefahr. "Anders als im Mai dieses Jahres, als uns die Griechenland-Krise ohne Vorbereitung traf, sind wir diesmal gewappnet", sagte er der "Welt am Sonntag". Wirtschaftsminister Rainer Brüderle sagte dem "Focus", mit dem Euro-Rettungsschirm gebe es ein wirksames Instrument, um die Stabilität der Währungsunion zu sichern. Bundesaußenminister Guido Westerwelle verteidigte den Plan, künftig private Gläubiger an Kosten für Staatsrettungen zu beteiligen.

 

Quelle: ntv.de, rts/AFP/dpa

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