Wirtschaft

Alles eine Glaubensfrage Islam-Bonds sind der neueste Schrei

Großbritannien bringt als erste westliche Nation eine islamische Anleihe heraus. Andere Staaten wollen ebenfalls "Sukuks" anbieten. Ist "Islamic Finance" der neue Boom-Markt? Oder sogar eine Alternative zum konventionellen Geldsystem?

Wenn Prophet Mohammed und schnöder Mammon aufeinandertreffen, wird es spannend. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Immer mehr westliche Finanzplätze glauben, mit islamischen Finanzprodukten einen großen Coup landen zu können - unter anderem Großbritannien. Der Finanzplatz London soll zum westlichen Zentrum für islamische Finanztransaktionen ausgebaut werden.

Bei islamischen Finanzkonstruktionen müssen die Regeln der Sharia befolgt werden.

Bei islamischen Finanzkonstruktionen müssen die Regeln der Sharia befolgt werden.

(Foto: REUTERS)

Der Anfang ist gemacht. Als erstes westliches Land überhaupt hat Großbritannien einen islamischen Bond platziert. Mit Erfolg. Der "Sukuk" fand reißenden Absatz. Die Anleihe mit einem Volumen von 200 Millionen Pfund Sterling (umgerechnet rund 250 Millionen Euro) und fünfjähriger Laufzeit war mehr als zehnfach überzeichnet.

Allein die Golfstaaten sollen zwei Drittel des Bonds vom Markt aufgesogen haben. Islamische Banken suchen händeringend nach Sharia-konformen Finanzkonstruktionen - das Angebot an Produkten, die dem islamischen Rechtssystem entsprechen, ist klein. Marktbeobachter rechnen deshalb damit, dass es in Zukunft noch mehr Emissionen geben wird. Luxemburg wird dieses Jahr wohl einen 200-Millionen-Euro-Bond auflegen. Südafrika und Hongkong stehen ebenfalls in den Startlöchern. Krisen-gebeutelte Anleger im Westen, die auf der Suche nach alternativen Kapitalanlagen sind, sind hellhörig geworden.

Zinsen sind Wucher

Ein Sharia-konformer Bond ähnelt im Grunde einer normalen Anleihe, er befolgt dabei aber die Regeln des islamischen Rechts. Ein Islam-Bond darf zum Beispiel keine Zinsen abwerfen - sie gelten als Wucher. Aber auch gläubige Muslime wollen nicht auf Profite verzichten, deshalb wird bei islamischen Finanzprodukten mit einem Trick gearbeitet - sie werden mit Vermögenswerten gedeckt, die Gewinne abwerfen.

Die Anleger des britischen Sukuk erhalten Einnahmen, die aus der Verpachtung von drei staatlichen Liegenschaften resultieren. London hat sie in einem Trust gebündelt. Die Investoren profitieren so von den Mieteinnahmen und der Wertsteigerung des Eigentums. Der britische Sukuk bietet damit eine Rendite oder Gewinnrate von rund zwei Prozent. Das entspricht in etwa dem, was auch herkömmliche Anleihen derzeit abwerfen.

Der islamische Finanzmarkt wird auf 1,4 Billionen Dollar geschätzt.

Der islamische Finanzmarkt wird auf 1,4 Billionen Dollar geschätzt.

Dass London einen Wachstumsmarkt wittert, überrascht nicht. Die Zahlen sprechen auf den ersten Blick für sich: Laut Thompson Reuters verfügen die rund 1,6 Milliarden Muslime auf der Welt über ein potenziell investierbares Vermögen von vier Billionen Dollar. Der islamische Finanzmarkt umfasst bisher nur ein Volumen von 1,4 Billionen Dollar. Die Tatsache, dass die muslimische Bevölkerung weltweit wächst, macht den Markt noch interessanter.

Die erdöl-produzierenden Staaten suchen außerdem dringend nach lukrativen Anlagemöglichkeiten für ihre Petro-Dollar. Noch wächst ihr Vermögen. Doch irgendwann versiegt das Öl und damit auch die Einnahmequelle. Einige der größten Staatsfonds stammen aus Ländern des Nahen Ostens. "Islamic Finance" müsste also ein Boom-Markt sein.

Die Kunden sind reich

Ob die Rechnung aufgeht, ist jedoch offen. Der islamische Finanzmarkt macht weniger als ein Prozent des weltweiten Finanzvolumens aus. Der Markt ist sehr eng. Die Zahlen versprechen mehr als sie halten werden, sagt die Islamic-Finance-Spezialistin Rebecca Schönenbach.

Wie viel Kapital tatsächlich in der islamischen Welt ist, ist schwer zu sagen. Die wenigsten Muslime seien reich und "islamische Finanzprodukte richten sich fast ausschließlich an betuchte Kunden", so Schönenbach. Außerdem seien nicht alle strenggläubig: "Studien zufolge wollen lediglich fünf Prozent der muslimischen Community ausschließlich in Scharia-konforme Produkte investieren". Der einzige Staat, der konsequent sein muss, weil es das Gesetz vorschreibt, ist der Iran.

Der islamische Finanzmarkt wird auf 1,4 Billionen Dollar geschätzt.

Der islamische Finanzmarkt wird auf 1,4 Billionen Dollar geschätzt.

(Foto: REUTERS)

Die Golf-Staaten zum Beispiel, deren Banken beim Londoner Bond mit beiden Händen zugegriffen haben, folgen offenbar bei ihren Investments nicht ausschließlich der reinen Lehre. Etihad, die Airline aus Abu Dhabi, die seit ein paar Jahren knapp 30 Prozent an der deutschen Air Berlin hält, hat keine Bedingungen bei ihrem Einstieg gestellt. Bei Air Berlin wird Bier und Wein ausgeschenkt.

Die Expertin schätzt die Nachfrage in diesen Staaten, die "etwas strenggläubiger sind", auf 25 Prozent. Selbst das strenggläubige Saudi-Arabien investiert ihren Angaben zufolge einen Großteil in konventionelle Anlagen. Ein Erfolgsmodell unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten kann "Islamic Finance" so nicht sein.

Ein enger Markt

Dagegen spricht auch, dass es zu wenige Anlagemöglichkeiten gibt. "Technologie, Infrastruktur, das meiste andere fällt weg", so die Expertin. Die Scharia schränkt die Investmentmöglichkeiten stark ein: Alles, was mit Musik, Tanz, Film, Alkohol, Schweinefleisch, Pornografie etc. im Entferntesten zu tun hat, ist tabu. Der Markt werde damit klein bleiben, prognostiziert Schönenbach.

Erfolg in diesem Segment sei aber auch eine Frage der "Betrachtung", sagt Schönenbach. "Diejenigen, die strenggläubig sind, wollen vor allem eine Alternative haben. Selbst Scharia-Gelehrte, besonders in den Golf-Staaten, diskutieren derzeit, ob "Islamic Finance das System ist, das sie wollen. Es ähnelt ihnen zu sehr dem konventionellen System, nur dass zum Beispiel Alkohol verboten ist."

Privatinvestoren müssen sich zumindest beim Londoner Bond nicht die Glaubensfrage stellen. Da dieser Sukuk größtenteils bei den Banken der Golf-Staaten gelandet ist, kommt die Anleihe kaum auf höhere Umsätze und taucht nicht mehr groß auf. Angesichts eines Volumens von 60 bis 65 Milliarden Dollar, die voraussichtlich weltweit dieses Jahr in Sukuk investiert werden, nimmt sich der Bond zudem auch bescheiden aus. Einen großen Coup hat der Londoner Finanzplatz so auf jeden Fall noch nicht gelandet.

Quelle: ntv.de

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