Novum in Japan JAL wartet auf Insolvenzverfahren
14.01.2010, 11:16 UhrSo etwas hat Japan noch nicht erlebt. Mit der größten Fluglinie des Landes lässt die Regierung wohl erstmals ein großes, der öffentlichen Hand nahestehendes Traditionsunternehmen bankrott gehen.
Seit Monaten zeichnet sich immer deutlicher ab, dass Japan Airlines ohne einen radikalen Neuanfang nicht überleben kann. Nur dank Notkrediten des Staates kann sich die größte Fluggesellschaft Asiens noch in der Luft halten.
Nun wird die Regierung nach dem Muster des US- Autoriesen General Motors über die staatliche Sanierungsgesellschaft Enterprise Turnaround Initiative Corp. of Japan (Etic) Mittel für die Fortführung des Flugbetriebes und die Restrukturierung der größten Fluglinie Asiens zur Verfügung stellen. Als Retter und neuer Vorstandschef soll der japanische Milliardär Kazuo Inamori, Gründer des Technologie-Konzerns Kyocera, einspringen.
Ökonomen stützen Regierungskurs
"Wenn wir den Sanierungsplan, der von der Etic ausgearbeitet wurde, stetig umsetzen, glaube ich, dass ein Revival von JAL möglich ist", wurde Inamori zitiert. Die Etic wird ihren Sanierungsplan voraussichtlich am kommenden Dienstag vorlegen - und JAL noch am gleichen Tag Gläubigerschutz beantragen. Das geplante Insolvenzverfahren bewerten Ökonomen ausgenommen positiv.
Erstens können auf diese Weise die Schwierigkeiten des Unternehmens sowie die Zuschüsse der öffentlichen Hand deutlich transparenter gehandhabt werden. Zweitens erlaubt der Prozess der Konkurrenz, darunter All Nippon Airways (ANA) und SkyLark, ihre eigenen Konzernstrategien anzupassen. Das Durchgreifen der Regierung Yukio Hatoyama, die im September mit dem Versprechen angetreten war, die Verschwendung von Steuergeldern zu stoppen, ist ein Novum für Japan.
Die bisher in Japan in solchen Fällen übliche Vorgehensweise wäre gewesen, dass die größten Anteilseigner, darunter private Banken wie Mizuho, die staatliche Entwicklungsbank und die in Japan wichtigen Handelshäuser, einem weiteren Schuldenerlass zugestimmt hätten. "Dies hätte nicht nur dazu geführt, dass sich die Restrukturierung über viele Jahre hingezogen hätte, sondern dass auch über einen längeren Zeitraum immer wieder öffentliche Zuschüsse zur Verfügung gestellt werden", betont Martin Schulz vom Fujitsu Research Institute.
Die wiederholten Regierungszuschüsse für JAL hatten in der Vergangenheit nicht nur zu starker Frustration bei Konkurrenten wie ANA geführt, sondern auch zu direkten Behinderungen des Wettbewerbs in der japanischen Luftfahrt. So ist zwar die ANA international stark gewachsen, wurde aber vor allem im asiatischen Wettbewerb durch die Konkurrenz der öffentlich unterstützten JAL behindert.
US-Airlines als Beispiel
Japanische Fluglinien sind in Asien zwar relevant, zumindest was die Verbindungen mit Japan anbelangt. Sie sind in Asien selbst aber keine starken Wettbewerber. Um Profitabilität musste sich JAL jedoch nie wirklich Gedanken machen. Immer wieder erhielt die Airline in Krisenzeiten Zuschüsse der Regierung. Inzwischen sollen die Schulden die Vermögenswerte um mehr als die Hälfte übersteigen. JAL zahlte seinen Mitarbeitern gute Gehälter, bot sichere Arbeitsplätze und gab hohe Pensionsversprechungen ab, die sie nun nicht mehr erfüllen kann.
Die amerikanische Luftfahrtbranche hat vorexerziert, wie sich Unternehmen durch einen Bankrott von hohen Pensionsverpflichtungen befreien kann. Die bislang in Japan übliche Lösung eines Schuldenerlasses durch die größten Anteilseigner hätte für die privaten Eigentümer den Vorteil gehabt, dass sie nicht mit großen direkten Verlusten zu kämpfen gehabt hätten und langfristig weiterhin an ihren Krediten und Geschäften mit JAL hätten verdienen können.
Die Lösung, JAL in die Insolvenz fliegen zu lassen, führt dagegen dazu, dass die Hauptanteilseigner sofort riesigen Abschreibungen gegenüber stehen. Gleichzeitig muss die öffentliche Hand über die Sanierungsgesellschaft Etic Milliarden für die Fortführung des Flugbetriebs und die laufenden Kredite stellen. "Dies führt zunächst zu hoher Belastung des Steuerzahlers, bietet aber langfristig die Chance, JAL tatsächlich auf eigene Füße zu stellen und damit den jahrzehntelangen Aderlass zu stoppen", sagt Schulz.
Quelle: ntv.de, dpa