Société Générale "großzügig" Kerviel muss nicht alles zahlen
06.10.2010, 19:46 UhrEx-Börsenhändler Kerviel muss für drei Jahre ins Gefängnis - und eine astronomisch hohe Entschädigung zahlen. Das findet nun auch die Société Générale übertrieben. "Wir haben nicht vor, Jérôme Kerviel für 177.000 Jahre zu verschulden", sagt eine Banksprecherin.
Es wäre ohnehin unmöglich gewesen, nun hat es die französische Bank Société Générale auch bestätigt: Der zu der Rekordsumme von knapp fünf Milliarden Euro verurteilte Ex-Börsenhändler Jérôme Kerviel muss nicht alles zurückzahlen. "Es steht außer Frage, eine solche Summe von einer einzelnen Person zu fordern", sagte eine Sprecherin.
Die Bank wolle eine Lösung finden, die für ihre Aktionäre vertretbar sei, aber auch die Situation des Verurteilten berücksichtige. "Wir haben nicht vor, Jérôme Kerviel für 177.000 Jahre zu verschulden. Wir sind eine verantwortungsbewusste Bank", fügte sie hinzu. Man wolle zunächst den Berufungsprozess abwarten.
Kerviel hatte sich zuvor über die gegen ihn verhängte Haftstrafe zusammen mit Schadenersatzzahlungen in Milliardenhöhe beklagt. Er habe das Gefühl, er solle "für alle bezahlen", sagte der 33-Jährige. "Ich bin niedergeschlagen angesichts der Härte der Strafe und des Umfangs der Verantwortung, die mir in dem Urteil zugewiesen wird." Das Gericht hatte ihn wegen seiner Milliardenspekulationen zu fünf Jahren Haft verurteilt, davon zwei auf Bewährung. Außerdem soll er den Schaden zurückzahlen.
"Ich habe wirklich das Gefühl, dass man mich für alle bezahlen lassen will und dass die Société Générale gerettet werden sollte und dass man dafür den Soldaten Kerviel getötet hat", sagte der Ex-Trader, der Berufung gegen das Urteil angekündigt hat.
Bank weist Schuld von sich
Kerviel hatte unerlaubterweise mit bis zu 50 Milliarden Euro spekuliert und die Société Générale damit an den Rand des Ruins gebracht. Der Bank entstand Anfang 2008 dadurch nach eigenen Angaben ein Schaden in Höhe von 4,9 Milliarden Euro. Der Angeklagte hatte in dem Prozess "Irrtümer" eingeräumt. Seine Vorgesetzten hätten aber von seinen Geschäften gewusst und sie gebilligt, solange er Gewinne machte.
Das Gericht hatte der Bank allerdings keinerlei Schuld zugewiesen. Die Mängel in der Kontrolle bei SocGen hätten Kerviel nicht von seiner Verantwortung als professioneller Händler entbunden. Das Urteil war bei Parteien, aber auch bei Bankbeschäftigten auf Kritik gestoßen.
Die Société Générale geht als Siegerin aus dem Prozess hervor. Eine "moralische Wiedergutmachung" nannte ihr Anwalt das Urteil. Die Bank hatte in Folge der Affäre den damaligen Chef Daniel Bouton mit einer satten Abfindung verabschiedet. Untersuchungsberichte der Bankenaufsicht und der französischen Regierung hatten zuvor umfangreiches Organisations- und Kontrollversagen der Großbank im Fall Kerviel festgestellt. Sie zahlte deshalb eine Strafe von vier Mio. Euro. Doch vor Gericht präsentierte sich die Bank, die als Nebenklägerin auftrat, ihrerseits als Opfer Kerviels. Das Gericht ist dieser Lesart nun weitgehend gefolgt.
Kerviel geht in Berufung
Kerviel kündigte an, dass er im Berufungsverfahren ausreichende Beweise dafür vorlegen werde, dass er nicht der Einzige war, der von den Geschäften wusste. "Seit Beginn der Ermittlungen habe ich immer meinen Teil der Verantwortung anerkannt", sagte er. "Ich habe überhaupt nicht das Gefühl, dass ich im Prozess arrogant aufgetreten bin (...) und schon gleich nicht zynisch", fügte er hinzu. Dies war ihm unter anderem von den Richtern vorgeworfen worden.
Kerviel, der heute als Berater für ein Informatikunternehmen arbeitet, hat nach eigenen Angaben ein Monatsgehalt von 2300 Euro. 4,9 Milliarden Euro entsprechen dem Bruttoinlandsprodukt Monacos oder 16 Prozent des Marktwerts von SocGen. Das Geld reicht auch zum Kauf von etwa 20 Airbus A380. Es ist die höchste Schadensersatzsumme, die je ein französisches Gericht einem einzelnen aufgebrummt hat. Kerviel wird aber nur so viel zahlen müssen, wie es ihm nach Anerkennung eines Lebensminimums möglich ist.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP