Antrittsbesuch in Brüssel Lew drängt die Europäer
08.04.2013, 22:14 Uhr
Zu Besuch in Europa: Jack Lew trifft erst auf Van Rompuy (r.) und Barroso, anschließend geht es weiter zu Draghi und Schäuble.
(Foto: dpa)
In seiner Eigenschaft als neuer US-Finanzminister reist Jack Lew nach Europa und treibt seine Gesprächspartner dort zur Eile an: Die Länder der EU müssten dringend mehr tun, um die wirtschaftliche Schwäche zu überwinden. Lews Absichten liegen auf der Hand. Nach Brüssel stehen Frankfurt und Berlin auf dem Programm.
Die Vereinigten Staaten haben Europa zu mehr Anstrengungen zur Überwindung der Wirtschaftsschwäche aufgefordert. Die US-Wirtschaft reagiere sensibel auf die Entwicklungen jenseits der Landesgrenzen, sagte der neue Finanzminister Jack Lew bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel nach Gesprächen mit EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso und EU-Ratspräsident Hermann van Rompuy.
Angesichts der direkten Wechselwirkungen wünschten sich die USA, dass die Europäer in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit ihre Möglichkeiten zur Ankurbelung der Nachfrage ausschöpfen, erklärte Lew. Zudem müssten Fortschritte bei der Euro-Bankenunion gemacht werden.
"Ich war besonders an den Plänen unserer europäischen Partner interessiert, die Quellen der Nachfrage in einer Zeit steigender Arbeitslosigkeit zu stärken", sagte der neue US-Finanzminister Jacob "Jack" Lew nach seinem Antrittsbesuch in den EU-Institutionen.
Beistandsbitte aus Washington
Die EU ist nach wie vor der größte Handelspartner der USA. Die gemeinsame Wirtschaftskraft der 27 EU-Staaten übertrifft offiziellen Angaben zufolge mit zuletzt rund 12,3 Billionen Euro die Wirtschaftsleistung der Vereinigten Staaten. Im laufenden Jahr die EU allerdings wohl weiter in der Rezession verharren.
EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy sagte, die USA und Europa seien dabei, die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise zu überwinden. "Das ist ein langer und schwieriger Prozess, zu dem wir auf beiden Seiten des Atlantiks stehen." Die weltweite Finanzkrise nahm 2008 in den USA ihren Anfang - doch während die US-Wirtschaft zuletzt wieder wächst, verharrt Europa weiter in der Rezession.
Einen ersten Höhepunkt hatte die Krise mit dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers im Herbst 2008 erreicht. Seitdem schwelt sie mehr oder weniger offen weiter. Zuletzt standen die Auswirkungen instabiler Banken auf überschuldete Staatshaushalte im Vordergrund.
Lew wies darauf hin, dass sich in seinem Heimatland der Aufschwung verstärke. Die EU-Kommission erwartet im laufenden Jahr für die USA ein Wirtschaftswachstum von 1,9 Prozent, die Wirtschaft der Eurozone dürfte hingegen um 0,3 Prozent schrumpfen.
Grundsatzstreit um das Sparen
Van Rompuy machte deutlich, dass die Europäer den Sparkurs nicht in Frage stellen. "Wir müssen gesunde öffentliche Finanzen gewährleisten." Die Regeln, beispielsweise beim Stabilitätspakt, würden aber flexibel angewandt. Die Eurostaaten werden 2013 im Schnitt ein Defizit von 2,8 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt haben, während die USA nach EU-Berechnungen auf 6,6 Prozent kommen dürften.
Lew pochte angesichts der ungelösten Schuldenkrise in vielen europäischen Ländern auf Finanzstabilität. "Europas Gesundheit und Stabilität ist ein großes Anliegen für uns." Beim Treffen mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso kam dem Vernehmen auch die Lage auf der krisengeschüttelten Mittelmeerinsel Zypern zur Sprache - das Land bekommt ein Hilfsprogramm internationaler Geldgeber von 10 Mrd. Euro.
Zusammen mehr als 800 Millionen Einwohner
Thema bei Barroso war nach Angaben seiner Sprecherin auch das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Ein Verhandlungsmandat für den in seiner Dimension beispiellosen Handelspakt muss noch von den 27 EU-Mitgliedstaaten gebilligt werden. Es soll ein gemeinsamer Wirtschaftsraum mit mehr als 800 Millionen Einwohnern entstehen, aus dem fast die Hälfte der jährlichen weltweiten Wirtschaftsleistung kommt.
Lew will nach seinen Gesprächen in Brüssel nach Deutschland weiterreisen. In Frankfurt ist ein Treffen mit EZB-Präsident Mario Draghi geplant. Am Dienstag soll Lew in Berlin mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zusammenkommen. Eine gemeinsame Pressekonferenz ist für den späten Vormittag angesetzt.
Zwischen beiden Ländern gibt es unterschiedliche Ansichten etwa zu den Themen Haushaltssanierung und Wachstumsförderung: Die USA fordern eine Lockerung des Sparkurses in Deutschland, damit die Weltwirtschaft stärkere Impulse bekommt. Die Bundesregierung hingegen setzt auf einen stabilitätsorientierten Kurs, den sie als wesentliche Basis für nachhaltiges Wachstum bezeichnet. Auch der offizielle Kurs der EU zielt auf ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts