Vertrauen verspielt - Hilfen nötig Märkte strafen Ungarn ab
05.01.2012, 19:25 Uhr
Ungarn verspielt an den Märkten derzeit viel hart erarbeiteten Kredit.
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Die Märkte nehmen sich Ungarn immer härter zur Brust. Die politische Spitze des Landes setzt indes trotz eines Konflikts mit EU und IWF auf rasche Milliardenspritzen. Die braucht das Land auch, sonst droht die Pleite - und die Auswirkungen treffen auch die Eurostaaten und die Gemeinschaftswährung.
Die Lage ist ernst: In höchsten Finanznöten geht Ungarn auf den Internationalen Währungsfonds (IWF) zu. Budapest bemühe sich nun bei der Finanzinstitution um einen mit strengeren Auflagen und Kontrollmöglichkeiten verknüpften Kredit, erklärte der ressortfreie Minister und Chefunterhändler Tamas Fellegi. "Die ungarische Regierung will sich klar für das Erzielen einer Vereinbarung einsetzen", sagte der Minister. Sein Land wisse um den Ernst der Lage. Er wolle "so rasch wie möglich" eine Übereinkunft.
Für Ungarn drängt die Zeit, da sich die Talfahrt der Landeswährung rasant fortsetzt. Wegen der geringen Kreditwürdigkeit des Landes sind zudem die Kosten am Kapitalmarkt kaum mehr zu schultern. Sollte Ungarn sich nicht mehr über die Märkte refinanzieren können, droht dem Land ohne Hilfe von außen binnen Monaten die Pleite. Dennoch verhärteten sich die Fronten im Streit zwischen der EU und Ungarn um ein umstrittenes Notenbankgesetz, das als größte Hürde für die Freigabe von Hilfsgelder gilt.
Euro zieht's mit abwärts
Selbst für einjährige Bonds werden mittlerweile happige Zinsen von fast 10 Prozent fällig. Eigentlich sollten Anleihen im Volumen von 45 Mrd. Forint platziert werden. Daraus wurde aber nichts; die ungarische Regierung muss sich mit 35 Mrd. Forint begnügen. Der Forint war zwischenzeitlich mit 324 Forint für den Euro auf ein neues Allzeittief gefallen. Auch der Euro notierte wieder unter dem Stand von September 2010.
Der Käuferstreik bei der Auktion gilt als deutliches Warnzeichen, dass das Land bei den Investoren immer mehr Kredit verspielt. Gleichzeitig stiegen die Kosten für die Absicherung ungarischer Staatsanleihen per Credit Default Swaps (CDS) auf einen neuen Höchstwert.
"Völlig im Einklang mit EU-Recht"
Die Regierung beharrte unterdessen im Streit mit der EU in Sachen Notenbankgesetz auf ihrer Position: In einem Brief an EZB-Chef Mario Draghi versicherte Wirtschaftsminister György Matolcsy, die Unabhängigkeit der Notenbank werde durch das neue Gesetz nicht verletzt, in dem bereits Bedenken der EZB berücksichtigt worden seien. Ungarn sei zwar bereit, über eventuell noch offene Fragen zu reden, doch stehe das am 1. Januar in Kraft getretene Gesetz "völlig im Einklang mit EU-Recht".

Ungarns Ministerpräsident Orban: Lenkt er nicht noch mehr ein, schlittert Ungartn dem Staatsbankrott entgegen.
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Die EU-Kommission sieht dies völlig anders. Sie hat die von Ministerpräsident Viktor Orban angestoßenen Verfassungsänderungen und die damit verbundenen neue Gesetze scharf als Verstoß gegen EU-Recht gerügt. Nicht nur die Unabhängigkeit der Notenbank, sondern auch von Richtern, Medien und der Datenschutzbehörde ist nach Befürchtung der EU in Gefahr. Die Kommission prüft sogar, ob sie Ungarn zu einer Korrektur der Gesetze über Vertragsverletzungsverfahren zwingen kann.
Alles dreht sich um die Notenbank
Bereits in der kommenden Woche will Chefunterhändler Fellegi zum IWF nach Washington reisen und noch diesen Monat in Brüssel vorsprechen, um die dringend benötigten Finanzmittel loszueisen. Weder die EU noch der IWF seien aber bereit, die Gespräche über die Ende November erbetene Finanzhilfe fortzusetzen, solange die politische Unabhängigkeit der Notenbank nicht gesichert sei, bekräftigte ein EU-Sprecher in Brüssel.
Bei den Treffen mit Fellegi werde nicht über die Kredithilfen gesprochen. Die EU argumentiert, dass sie sich als Geldgeber nicht auf den Werterhalt der Kredite an Ungarn verlassen kann, wenn die Zentralbank nicht unabhängig von politischen Weisungen für Preisstabilität sorgen kann.
Geld locker machen
Ungarn war bereits 2008 mit Notkrediten über 20 Mrd. Euro von EU und IWF über Wasser gehalten worden. Nun hofft die Regierung in Budapest auf Hilfen in ähnlicher Größenordnung. Ohne frisches Geld von Investoren dürfte die Regierung nur noch wenige Monate über die Runden kommen: So lagerten im November über 1,5 Billionen Forint (rund 6 Mrd. Dollar) an Regierungsbeständen bei der Notenbank. Zudem könnte die Regierung noch rund 600 Mrd. Forint aus anderen Quellen flüssigmachen - etwa durch den Verkauf der Staatsbeteiligung an dem Öl- und Gaskonzern MOL.
Quelle: ntv.de, bad/rts/DJ/dpa