Wirtschaft

"Entscheidung nicht vor Mitte 2014" Merkel schweigt zu neuen Griechen-Hilfen

Bundeskanzlerin Merkel legt sich zu neuen Finanzhilfen für Griechenland nicht fest.

Bundeskanzlerin Merkel legt sich zu neuen Finanzhilfen für Griechenland nicht fest.

(Foto: picture alliance / dpa)

Finanzminister Schäuble hat ein drittes Hilfspaket in Aussicht gestellt, doch Angela Merkel vermeidet im Wahlkampf jede Aussage zu neuen Finanzhilfen für Griechenland. Dabei laufen die Planspiele längst auf Hochtouren: Die Euro-Retter diskutieren über neue Buchungstricks für Athens Bilanzen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will trotz der Debatte über ein drittes Rettungspaket für Griechenland den Reformdruck auf das hoch verschuldete Euro-Land beibehalten. In der "Saarbrücker Zeitung" verwies Merkel darauf, dass das jetzige Hilfsprogramm erst Ende 2014 ausläuft: "Ich werde den Anreiz für Griechenland, weiter notwendige Reformen durchzuführen, ganz gewiss nicht schwächen, indem ich jetzt etwas über das Ergebnis eines Programms sage, das noch über ein Jahr gilt."

Die Opposition warf Merkel dagegen Unehrlichkeit im Wahlkampf vor. SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider nannte die Behauptung von Merkel und Schäuble falsch, die Entscheidung über das neue Griechenland-Paket stehe nicht vor Mitte 2014 an: "Diese Aussage wird sich nicht halten lassen, und das wissen die beiden auch." Deshalb lüge die Kanzlerin, nur um über den Wahltag zu kommen.

Merkel wies den Vorwurf zurück, im Wahlkampf nicht die Wahrheit über die Griechenland-Hilfen zu sagen. Bei der Verabschiedung des laufenden Hilfsprogramms sei der Bundestag informiert worden, dass mit dem Auslaufen dieses Programms Ende 2014 geprüft werden müsse, ob weitere "eng begrenzte Maßnahmen" nötig seien. Auch SPD und Grüne hätten damals zugestimmt, sagte sie.

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück bekräftigte in der "Südwest Presse", er wolle Merkel noch vor der Wahl am 22. September zu einer klaren Aussage über ein drittes Rettungspaket für Griechenland zwingen. Der Spitzenkandidat der Grünen, Jürgen Trittin, warf Merkel in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vor, aus "panischer Angst" vor der eurokritischen Partei Alternative für Deutschland (AfD) eine Debatte über neue Hilfen zu vermeiden.

Neue Finanzlücke von zehn Milliarden Euro

Die Planspiele für neue Finanzhilfen für Griechenland laufen unterdessen auf Hochtouren. Die Troika der internationalen Geldgeber Griechenlands von der EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) geht davon aus, dass Griechenland eine zusätzliche Summe von zehn bis elf Mrd. Euro (4,4 Mrd. 2014 und 6,5 Mrd. 2015) an Hilfen benötigen wird. Der genaue Finanzbedarf wird aber erst nach den Bundestagswahlen feststehen: Die Kontrolleure werden den ganzen September die Bücher in Athen prüfen. Mit Ergebnissen wird erst Anfang Oktober gerechnet.

Die drohende Lücke ließe sich auf verschiedenen Wegen schließen. Athen liebäugelt weiter mit einem Schuldenschnitt – so ließe sich der Schuldenberg des Landes auf einen Schlag deutlich verringern. Einen solchen Forderungsverzicht schloss Kanzlerin Merkel gegenüber der "Saarbrücker Zeitung" allerdings erneut aus. Auch der Chef des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, hält einen Schuldenerlass für das falsche Signal: "Ein Schuldenschnitt hat fatale Anreize. Es bedeutet ja im Grunde: Man muss sich gar nicht anstrengen, man kriegt die Schulden halbiert", kritisierte Hüther im Interview mit dem Nachrichtensender n-tv. "Die Politik ist gut beraten, diesen Weg nicht zu gehen, sondern die Anpassung in Griechenland weiter zur Bedingung für die Hilfe zu machen."

Als zweite Möglichkeit käme eine Art "schleichender" Schuldenerlass, ein Forderungsverzicht auf Raten, infrage: Eine weitere Zinssenkung oder Verlängerung der Rückzahlungsfristen für die bisherigen Kredite. Diese Option hat der griechische Finanzminister Stournaras bereits im Interview mit dem Handelsblatt ins Spiel gebracht. Die Zinsen für das erste Hilfspaket liegen 0,5 Prozent über dem Interbankenzins Euribor. Wenn die Geldgeber Athen diesen Aufschlag erlassen, könnte Griechenland nach Schätzung der Athener Zeitung "Kathimerini" in den kommenden drei Jahren etwa 800 Mio. Euro sparen.

Buchungstricks sollen Bilanzen sanieren

Und auch ein noch gewagterer Bilanztrick könnte sich für Griechenland erheblich auszahlen: Stournaras hat angeregt, die Gelder, die Griechenland für die Rettung seiner Banken bekommen hat, rückwirkend auf den Rettungsfonds ESM zu verlagern. 50 Mrd. Euro Finanzhilfen würden so nachträglich umgebucht - und nicht auf die Staatsschulden angerechnet. Griechenlands Schuldenberg würde so auf dem Papier merklich schrumpfen.

Die Bundesregierung hält sich bislang zu diesem Finanzkniff bedeckt. Zwar werde eine Debatte geführt, dem ESM direkte Banken-Rekapitalisierung zu erlauben. Es gebe dieses an Bedingungen geknüpfte ESM-Instrument aber gar nicht, sagte der Sprecher von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), Martin Kotthaus. "Und ich kann Ihnen im Moment auch nicht genau sagen, wann wir es haben werden." Auch Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloem hatte erst im Juli keine ausreichende politische Unterstützung für die Idee gesehen.

Zudem haben die Griechen von den 50 Mrd. Euro, die für die Bankenrettung vorgesehen waren, bislang nur 39 Mrd. genutzt. Athen ist der Ansicht, dass die restlichen 11 Mrd. als eine Art Sicherheitspolster verwendet werden könnten, falls Griechenland tatsächlich nächstes Frühjahr frisches Geld brauchen sollte.

Der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras will zugleich bei den Reformen des Landes aufs Tempo drücken. Am kommenden Montag sollen die zuständigen Minister darüber beraten. Im Mittelpunkt steht die Verschlankung des Staates: Wenige Tage vor Beginn einer neuen Kontrolle der Geldgeber hat die griechische Regierung die Bereiche für den massiven Stellenabbau im Staatsdienst bestimmt. Darunter sind tausende Stellen in den Resorts Bildung, Kommunen, Verteidigung und des Innenministeriums. Griechenland hat sich verpflichtet, den Staatapparat zu verschlanken. Bis Ende 2014 sollen 15.000 Staatsbedienstete gehen, 4.000 davon noch in diesem Jahr.

Quelle: ntv.de, hvg/dpa

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