So schwer ist der WeihnachtsmannMilka verscherzt es sich mit seinen Kunden
Von Caroline Amme
Milka hat seine Schokoladen gleichzeitig leichter und teurer gemacht - und verwirrt Kunden auch mit einem neuartigen Schokoladen-Weihnachtsmann. Durch einen Trick sollen die Käufer das teurere Produkt einpacken. Diese Verwechslungsgefahr nutzt Milka ganz bewusst, sagt ein Verpackungsexperte.
Wer freut sich nicht über schöne Geschenke zu Weihnachten. Milka hat dieses Jahr eine besondere Überraschung für uns: Der Schokoladenhersteller überrascht seine Kundinnen und Kunden im Supermarkt mit einem neuartigen Schokoladen-Weihnachtsmann. Im Regal steht er neben einem anderen Milka-Weihnachtsmann. Auf den ersten Blick sehen beide gleich aus, tatsächlich aber sind sie unterschiedlich schwer - und auch unterschiedlich teuer.
Dahinter steckt eine Masche, sagt Sebastian Klaus, Professor für Verpackungstechnik an der Berliner Hochschule für Technik in einem Youtube-Video. Die Menschen sollen, ohne es zu bemerken, zum teureren Produkt greifen. Der Hinweis nach dem Gewicht sei nicht so einfach zu finden, dadurch könnten der lila und der rote Schokomann leicht verwechselt werden. "Genau diese Verwechslungsgefahr scheint Milka nicht nur in Kauf zu nehmen", sagt Klaus. "Mein Eindruck ist eher, sie wird sogar bewusst genutzt und provoziert."
Die Vorwürfe werden anschließend deutlicher: Auch die Mitarbeiter im Handel wüssten nicht über die unterschiedlichen Preise für die beiden Weihnachtsmänner Bescheid, sagt der Verpackungsexperte. In den Läden würden Weihnachtsprodukte ständig hin und her geräumt. Da könne es schon mal passieren, dass ein Produkt bei einem falschen Preisschild landet.
"Hinweis übersieht man leicht"
Ursache für den Verdacht ist die Art und Form der Gewichtsangabe. Milka hat das genaue Gewicht nur auf den günstigeren Weihnachtsmann aufgedruckt. Bei dem teureren wurde diese Angabe dagegen auf der Unterseite versteckt, in einem aufklappbaren Etikett, wie Klaus erklärt. Auf diesem Leporello-Etikett befinde sich ein winziger Hinweis, dass sich darunter die Pflichtangaben und damit auch die Nennfüllmenge befinden. "Diesen Hinweis übersieht man selbst dann leicht, wenn man gezielt danach sucht." Ein normaler Kunde könne die Angaben praktisch nicht finden.
Weglassen dürfe man die Angabe der Nettofüllmenge zwar nicht, sagt der Verpackungsexperte im Video. Solche aufklappbaren Aufkleber seien eigentlich nur bei sehr kleinen Verpackungen erlaubt. Der Milka-Weihnachtsmann falle nicht unter diese Kategorie. Auf einem ähnlich großen Schoko-Schneemann habe Milka es schließlich auch geschafft, "die Füllmenge sichtbar unterzubringen".
Milka-Tafel ist dünner geworden
Es ist nicht das erste Mal, dass Milka seine Kunden verärgert. Die Marke gehört wie auch Toblerone oder Oreo zu Mondelez. Der US-Lebensmittelkonzern hat bei seinen Produkten in den vergangenen Jahren immer wieder drastisch an den Preisen herumgeschraubt, auch an der klassischen Milka-Schokolade. Mehrere Sorten der 100-Gramm-Tafel sind innerhalb eines Jahres um über 60 Cent teurer geworden: Anfang 2024 kosteten sie 1,35 Euro, Anfang dieses Jahres bereits 1,99 Euro.
Gleichzeitig hat Mondelez die Füllmenge vieler Sorten auf 90 Gramm reduziert. Zusammen macht das eine versteckte Preiserhöhung von über 60 Prozent aus. Diese Doppelstrategie, Preiserhöhung plus weniger Inhalt, sei ein dreistes Beispiel für "Shrinkflation", findet die Verbraucherorganisation Foodwatch. Sie hat Milka deshalb im Juli den "Goldenen Windbeutel" verliehen.
Milka habe es clever angestellt, erklärt Rebekka Siegmann von Foodwatch im unternehmenseigenen Podcast "Geschmacksverstärker". "Sie haben nicht gesagt, wir nehmen einen Streifen aus der Schokolade raus, dass man es gleich merkt, sondern die Verpackung ist exakt gleichgeblieben. Sie haben nur die Höhe der Tafel geändert."
Die Verbraucherzentrale hat nachgemessen: Die Milka-Tafel ist 0,7 Millimeter dünner geworden und inzwischen 6,8 statt 7,5 Millimeter hoch. Das sehe man aber nur im direkten Vergleich.
"Verdacht auf höhere Gewinnmitnahmen"
Auch die Verbraucherschützer kritisieren unzureichende Gewichtsangaben. Auf der Schokoladenverpackung sei kaum zu erkennen, dass sie nur noch 90 statt 100 Gramm wiege. Der winzige Zahlenaufdruck werde zudem im Supermarktregal oft von den Laschen der Kartons verdeckt.
Deswegen hat die Verbraucherzentrale Hamburg Milka im September beim Landgericht Bremen verklagt. Sie will erreichen, dass der Hersteller mindestens ein halbes Jahr lang einen Warnhinweis aufdrucken muss. Außerdem soll die Verpackung dem Inhalt angepasst werden - also in dem Fall schrumpfen.
Mondelez begründet die deutlichen Veränderungen mit den gestiegenen Kakaopreisen. Auch die Kosten in der Lieferkette hätten sich in den vergangenen Jahren massiv erhöht, sagt der US-Konzern. Man habe handeln müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Dieses Argument glaubt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg dem Konzern nicht. Im Jahresbericht für 2024 würden andere Angaben gemacht, hat Valet im März der ARD gesagt: "Da wird von niedrigeren Herstellungskosten und vom höheren Gewinn gesprochen. Den Aktionären wird eine höhere Dividende für 2025 versprochen. Wir meinen, dass der Verdacht, dass hier auch höhere Gewinnmitnahmen gemacht werden, auf jeden Fall vorhanden ist."
Auch Ritter Sport und Lambertz betroffen
Der teure Kakaopreis durch schlechte Ernten betrifft auch andere Schokoladenproduzenten wie Ritter-Sport. Andreas Ronken, Chef von Ritter-Sport, spricht von einer "Schokoladenkrise" und erwartet weiter steigende Preise. Deshalb hat auch Ritter-Sport den Preis für seine quadratischen Tafeln schon erhöht.
Überhaupt war Schokolade im Oktober knapp 22 Prozent teurer als noch vor einem Jahr, Schokoladentafeln sogar knapp 31 Prozent, hat das Statistische Bundesamt ausgerechnet. Die hohen Preise schrecken ab - die Menschen kaufen weniger Schokolade und stattdessen andere Süßigkeiten.
Das bekommt auch der Weihnachtsgebäck-Hersteller Lambertz zu spüren. "Wir merken, dass die höheren Preise auch ein bisschen dazu führen, dass der Verbraucher vorsichtiger kauft", sagt Lambertz-Chef Hermann Bühlbecker bei ntv. "Ich glaube nicht, dass wir 2025 mehr Lebkuchen verkaufen werden als in 2024."
Rabatte sollen "Geschäftsjahr retten"
Auch Mondelez hat in den vergangenen Monaten 7,5 Prozent weniger Schokolade und Co. verkauft, vor allem in Europa. Der Umsatz ist zwar gestiegen - aber nur durch die höheren Verkaufspreise. Die Strategie, die Packungen zu verkleinern und gleichzeitig die Preise zu erhöhen, ist nach hinten losgegangen. Die Kunden fühlen sich getäuscht. Im Internet rufen Nutzer sogar zu einem Boykott auf.
Der Milka-Hersteller bekomme die Quittung dafür, dass sie mit Preiserhöhung und Packungsverkleinerung beide Hebel gezogen haben. Davor seien andere Hersteller zurückgeschreckt, hat Carsten Kortum von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Heilbronn der "Wirtschaftswoche" gesagt.
Supermärkte und Discounter versuchen, den Milka-Verkauf wieder anzukurbeln - mit Rabatten von teils über 50 Prozent. In manchen Supermärkten waren Milka-Schokoladen schon für weniger als den halben Preis zu haben. "Bei den Rabattaktionen geht es wahrscheinlich darum, das Geschäftsjahr noch zu retten", meint Kortum.
Rebekka Siegmann von Foodwatch glaubt, dass bei solchen Rabattaktionen gerade die Kritiker zugreifen. Milka werde fast nur noch im Sonderangebot gekauft. "Die Leute merken diesen Preis und sagen: Das lassen wir uns nicht gefallen."
In anderen Ländern dürfen Hersteller nicht so dreist vorgehen: In Ungarn, Frankreich und Österreich müssen sie Mogelpackungen kennzeichnen. In Deutschland gibt es bisher noch kein Gesetz zur "Shrinkflation". Erst 2030 greift eine neue EU-Verpackungsverordnung: Die soll verhindern, dass Packungen größer sind als ihr Inhalt.