Auf dem Weg aus der Krise Notenbanker mit Mut zur Macht
16.07.2009, 17:13 Uhr
Notenbanker unter sich: Bundesbank-Chef Weber, EZB-Präsident Trichet und Fed-Chef Bernanke (v.l.).
(Foto: Reuters)
Jede Krise hat ihre Gewinner - selbst die schwerste Finanz- und Wirtschaftskrise seit 80 Jahren. Zu den sicheren Gewinnern gehören die Zentralbanken. Ihre großzügigen Liquiditätsspritzen bescheren ihnen Tag für Tag Zinsen in Millionenhöhe. Doch Geld ist bekanntlich nicht alles. Auch an Macht und Einfluss werden die Notenbanker hinzugewinnen, ob in Frankfurt, Washington, Zürich, London oder Tokio. Sie müssen lernen, mit dieser neuen Machtfülle umzugehen - und das auch bei Gegenwind. Geld zu drucken und der Inflation die Stirn zu bieten, wird nach der nur knapp abgewendeten Finanzapokalypse nicht mehr ausreichen.
"Die Notenbanken überdenken ihre Rolle an den Finanzmärkten und definieren die Wahrung von Preisstabilität wesentlich breiter", sagt Unicredit-Volkswirt Andreas Rees. Angeregt wurde der Sinneswandel durch die beiden großen Finanzblasen, die in den vergangenen Jahren die Märkte erbeben ließen und Millionen Kleinsparer in aller Welt um viel Geld brachten. Die New Economy-Blase Anfang des Jahrzehnts und nun die Subprime-Blase, aus der die schwerste Krise seit Jahrzehnten wurde. Das muss die Zentralbanken auf den Plan rufen. Denn solche Blasen müssen künftig gleich zu Beginn durch aggressive Zinserhöhungen bekämpft werden.
Bundesbank-Chef Axel Weber nennt das einen "symmetrischeren Ansatz" der Geldpolitik. Hört sich kompliziert an, meint aber im Klartext, dass die Notenbanken ihre schärfste Waffe, den Leitzins, in Zukunft schneller zücken sollen als noch zu Zeiten des früheren US-Notenbankchefs Alan Greenspan. Seine Politik des billigen Geldes gilt als eine der Ursachen der aktuellen Krise. Sie verführte die Banker in aller Welt bei der Suche nach immer mehr Rendite, immer höhere Risiken einzugehen. Weber hat für seinen Kurs Verbündete, aber er benennt auch die Probleme: "Das Zinsniveau vorsorglich anzuheben, wenn es im Hinblick auf die mittelfristige Preisentwicklung zunächst nicht erforderlich erscheint, stellt unter Kommunikationsgesichtspunkten sicherlich eine Herausforderung dar, die aber zu meistern ist." Man wird sehen.
Neue Macht und neue Verantwortung
Fest steht: Die Krise hat die sonst überaus verschwiegenen Notenbanker redselig gemacht, so mitteilsam, dass in diesen Tagen zum Beispiel der Vizegouverneur der Bank von England, Charles Bean, durch Großbritannien tourt und die Geldpolitik der Notenbank erläutert. Auftritte von Fed-Chef Ben Bernanke vor dem US-Kongress oder EZB-Präsident Jean-Claude Trichet im Europaparlament bekommen zur besten Sendezeit Platz in den Hauptnachrichtensendungen. Sie werden gehört, jenseits der Expertenzirkel. Doch das Volk und die Volksvertreter sind aufmüpfig geworden. In den USA ist eine heftige Debatte um mehr Macht für die Fed, wie sie Präsident Barack Obama und sein Finanzminister sowie Ex-Zentralbanker Timothy Geithner wollen, entbrannt. Die Angst der Öffentlichkeit vor der Macht in den Tempeln des Geldes ist groß.
Aber es geht nicht ohne die Notenbanker. Vor allem nicht ohne ihr Wissen um das Funktionieren des Finanzsystems, dessen Schwachstellen erst zu den Tsunamiwellen geführt haben, die über die Weltwirtschaft hereinbrachen. "Einer der Bereiche, in denen die Notenbanken deutlich an Gewicht zulegen werden und dies schon tun, ist die Regulierung und Bankenaufsicht", sagt Dirk Schumacher, EZB-Beobachter von Goldman Sachs. "Hier wird das zunehmende Zusammenspiel mit den Regierungen aber auch zu neuen Herausforderungen für die Zentralbanken führen." In Deutschland fordern die Wirtschaftsweisen seit langem, die Bankenaufsicht unter dem Dach der Bundesbank zu konzentrieren. Die Europäische Zentralbank (EZB) soll eine prominente Rolle im neuen "Rat für systemische Risiken" erhalten - einer Art Frühwarnsystem.
Die Zentralbanken selbst verfügen seit Jahrzehnten über ein solches. Es war die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel - eine Art Dachorganisation der Notenbanken - die schon vor Jahren vor dem Platzen der Immobilienblase in den USA warnte. Passiert ist nichts. Dabei hatten und haben die Notenbanker alle Waffen im Kampf gegen Krisen, sie müssen sie nur nutzen. Goldman Sachs-Experte Schumacher: "Die Kunst der Zentralbanken wird es in Zukunft sein, Blasen frühzeitig zu erkennen und dann mutig gegenzusteuern, auch gegen den politischen Wind."
Quelle: ntv.de, rts