Krisen-Instrumente in der Hinterhand Notenbanker wollen helfen
23.09.2011, 21:21 UhrIm Kampf gegen Liquiditätsengpässe bei Banken packt die EZB womöglich schon bald ein Kriseninstrument aus Zeiten der Lehman-Pleite aus. Damit könnten sich klamme Finanzhäuser für ein ganzes Jahr Geld bei der Notenbank leihen.
Die üblen Aussichten für Europas Banken und die sich abzeichnende Konjunktureintrübung rufen die Zentralbanker auf den Plan. Führende Euro-Notenbanker deuten angesichts der vielen Fragezeichen über den wahren Zustand des europäischen Bankensystems ihre Bereitschaft zu weiteren zusätzlichen Liquiditätshilfen an.
Auf die Frage, ob eine Neuauflage der im Sommer nach der Lehman-Pleite aufgelegten Jahrestender denkbar sei, sagte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann am am Rande der IWF-Herbsttagung in Washington, die EZB könne dies bei Bedarf jederzeit tun. Ähnlich äußerte sich auch Weidmanns österreichischer Kollege im EZB-Rat, Ewald Nowotny.
Weidmann sagte, die EZB stelle den Banken bereits permanent so viel Liquidität zur Verfügung, wie sie benötigten und bei ihr abriefen. Die EZB und die nationalen Zentralbanken der 17 Euro-Länder hätten in der Vergangenheit stets gezeigt, "dass sie die Fähigkeit haben zu agieren". "Ich will nicht darüber spekulieren, was wir tun könnten. In der Vergangenheit haben wir stets gesagt, dass wir darauf vorbereitet sind, dem Markt falls nötig langfristig Liquidität zu geben."
EZB muss noch diskutieren
Nowotny wurde deutlicher: "Während der Finanzkrise war eines der Instrumente, die wir hatten, der Jahrestender. Ich denke, es wäre ratsam, über eine Wiedereinführung nachzudenken." Allerdings, fügte er hinzu, müsse darüber innerhalb der EZB noch diskutiert werden. Belgiens Zentralbankchef Luc Coene sagte in einem Interview mit der Agentur Bloomberg, die EZB könne dieses Instrument "perfekt" wieder benutzen.
Die EZB hatte ab Juni 2009 drei je ein Jahr laufende Refinanzierungsoperationen gestartet. Beim ersten dieser so genannten Jahrestender hatten sich mehr als 1000 Banken beteiligt und sich von der Notenbank die gigantische Summe von 442 Mrd. Euro, also fast einer halben Billion Euro, für ein Jahr geliehen.
Der Internationale Währungsfonds hatte in den vergangenen Tagen mehrfach vor neuen Problemen bei den Banken gewarnt und Politik und Notenbanken zum Handeln gedrängt. Die Experten des IWF gehen von einem massiven Kapitalbedarf der europäischen Banken aus. In der Nacht hatten die Finanzminister und Notenbankchefs der G20 erklärt alles für stabile Banken tun zu wollen.
"Lage besser als die Stimmung"
Der IWF rechnet zudem damit, dass sich die Konjunktur in Europa in den nächsten Monaten deutlich verschlechtert. Bundesbank-Chef Weidmann widersprach dieser Ansicht zumindest mit Blick auf Deutschland. Er rechne nicht mit einem Rückfall in die Rezession. Die Lage sei besser als die Stimmung. Sein belgischer EZB-Kollege Coene stieß dennoch die Tür für eine von immer mehr Ökonomen bereits bald erwartete Zinssenkung der EZB ein Stück auf: "Wenn die Daten Anfang Oktober zeigen, dass die Dinge schlechter laufen, als wir das erwartet haben, dann werden wir uns jene Entscheidungsoptionen ansehen, die wir dann haben." Die EZB sei niemals vorab festgelegt, sondern reagiere auf Veränderungen der Situation.
Anfang September hatte der scheidende EZB-Präsident Jean-Claude Trichet eine Zinspause angedeutet, deren Dauer aber offen gelassen. Der Leitzins der EZB steht aktuell bei 1,5 Prozent. Die Notenbank hatte ihn im April und Juli jeweils um einen Viertelprozentpunkt erhöht. Sie hat damit mehr Spielraum als andere Zentralbanken wie etwa die Federal Reserve in den USA oder die Bank von England. Das nächste Mal entscheidet der EZB-Rat am 6. Oktober über seine weitere Zinspolitik.
Quelle: ntv.de, nne/rts