Wirtschaft

Die Wirtschaft blüht wieder Nur Islands Bürger bluten

Ein Gutes hatte der Vulkanausbruch: Viele Touristen wurden auf Island aufmerksam.

Ein Gutes hatte der Vulkanausbruch: Viele Touristen wurden auf Island aufmerksam.

(Foto: picture alliance / dpa)

2008 war Island als eines der ersten Länder in die Finanzkrise gestürzt. Jetzt boomen Fischerei und Tourismus auf der Atlantik-Insel. Über Privathaushalten aber hängen weiter dunkle Wolken. Trotzdem verlieren die Isländer nicht ihre Zuversicht.

"Sogar hinter der Aschewolke aus unserem Vulkan Eyjafjallajökull hat ein Silberstreif gesteckt", freut sich der isländische Ökonom Ólafur Ísleifsson etwas geheimnisvoll und lobt die wirtschaftliche Entwicklung in seinem Land als "richtig, richtig gut". Knapp vier Jahre nach dem Kollaps der drei größten Banken glänzt die Inselrepublik im Nordatlantik mit kräftigem Wachstum, niedriger Arbeitslosigkeit, schneller Rückzahlung von Auslandsschulden und einem wohl 2013 ausgeglichenen Staatshaushalt.

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(Foto: REUTERS)

Kühl bis bitter aber reagieren Gesprächspartner in den Cafés von Reykjavik, wenn sich der Besucher nach den Folgen der rasant schnellen Erholung für die isländische Durchschnittsfamilie erkundigt. "Was nützt das alles dem, der die eigenen Schulden nie im Leben zurückzahlen kann?", seufzt der IT-Techniker Hallgrimur Ingolfsson.

Die Mittelklasse des Landes mit seinen 320.000 Einwohnern war im Herbst 2008 zusammen mit den drei größten Banken abgestürzt. Im Gefolge waghalsiger Kreditabenteuer der Geldinstitute hatten viele Isländer "mutig" Immobilienkäufe, dicke Jeeps und weite Reisen durch Kredite in ausländischen Währungen finanziert. Als sich der Wert der eigenen Krone durch den Banken-Crash halbierte, verdoppelten sich die Schulden.

"Viele haben ihre Rentenersparnisse komplett aufgelöst, andere sind zwangsgeräumt oder an ihre für immer überschuldete Wohnung gefesselt" beschreibt Ísleifsson von der Uni Reykjavik die Folgen. Welches Grundgefühl bei dieser auch als Wählergruppe durchaus gewichtigen Bevölkerungsgruppe vorherrscht? "Dass man beim Abstottern der Schulden in ein schwarzes Loch schaufelt." Zu bewältigen waren und sind von den Bürgern ja außerdem massive Einschnitte im staatlichen Versorgungssystem und Gehaltskürzungen praktisch überall.

Leid und Freud gehen Hand in Hand

Des einen Leid, des anderen Freud. "Unsere Auftragsbücher sind wieder voll, und da hat uns die Abwertung der Krone mächtig geholfen", sagt Karl Asgeirsson vom Fischerei-Ausrüster 3xTechnology im kleinen Ísafjördur an der Nordwestküste. Zwei Kilometer weiter, direkt am Ísafjord, nennt Kristjan Joakimsson vom Fischverarbeiter Hradfrystihusid Gunnvor eine "Laune der Natur" als weiteren Grund: "Der Kabeljau ist wieder da. Und auch die guten Makrelenbestände vor unseren Küsten haben uns sehr geholfen."

Noch stärker von der Halbierung des Kronen-Kurses profitiert hat der Tourismus, der die früher auf Island so souverän dominierende Fischerei als einträglichsten Wirtschaftszweig bald ablösen könnte. Touristen strömen in das dünn besiedelte Land mit der überwältigend wilden Natur wie nie zuvor. Sie haben der Branche Steigerungsraten von 15,7 Prozent (2010) und 6,1 Prozent (2011) beschert.

"Man kann sich Island jetzt leisten" sagt Erna Hauksdóttir vom Tourismusverband. Paradox seien die Folgen des Vulkanausbruchs am Eyjafjallajökull im April 2010 ausgefallen, nachdem die Aschewolke wochenlang den Flugverkehr in weiten Teilen Europas blockiert hatte: "Erst hörte das Telefon auf zu klingeln, weil niemand mehr kommen wollte. Schrecklich. Aber dann hat die Aufmerksamkeit für den Vulkan gewaltig viel Neugier auf unser Land geweckt."

Das war wohl der Silberstreif. Fischerei-Chef Joakimsson sieht die Grundstimmung trotz aller eigenen Verkaufserfolge gemischt. Er sagt einen Satz, den man sehr oft von Isländern hört: "Die Stimmung ist grau. Aber wir haben schon viele Krisen überstanden."

Quelle: ntv.de, Thomas Borchert, dpa

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