Fed, BIP, Patt und andere Probleme Obamas Mission "Wachstum"
29.10.2010, 21:45 UhrDie größte Volkswirtschaft der Welt lässt die Krise hinter sich - so scheint es: Das US-BIP ist im abgelaufenen Quartal stärker gewachsen als in den drei Monaten davor. Ökonomen und Analysten bleiben aber skeptisch. US-Präsident Obama hat den Ernst der Lage erkannt.

"Es ist unsere Mission, die Erholung zu beschleunigen und für ein schnelleres Wachstum zu sorgen", sagt US-Präsident Obama.
(Foto: REUTERS)
Trotz milliardenschwerer Starthilfen von Staat und Notenbank kommt der Konjunkturmotor in den USA nur langsam auf Touren - aber eben doch auf Touren: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der weltgrößten Volkswirtschaft legte von Juli bis September aufs Jahr hochgerechnet um zwei Prozent zu, wie das Handelsministerium nach vorläufigen Berechnungen mitteilte.
"Die Wirtschaft erholt sich, aber der Aufschwung ist blutleer", sagte US-Ökonom Hugh Johnson. Zwar steigerten die Verbraucher ihre Ausgaben so kräftig wie seit rund vier Jahren nicht mehr. Doch die schwache Exportbilanz des Landes dämpfte das Wachstum an anderer Stelle. Die Wirtschaftsleistung legte zwar schneller zu als im Frühjahr mit 1,7 Prozent. Dennoch reicht das Tempo bei weitem nicht aus, um die ungewöhnlich hohe Arbeitslosigkeit abzubauen, warnen Experten. Zudem hatte das Wachstum im ersten Quartal weit über drei Prozent betragen.
Fed-Geldspritze wartet
Notenbank-Chef Ben Bernanke dürfte daher nächste Woche unmittelbar nach den Kongresswahlen eine Konjunkturspritze mit Hunderten Mrd. Dollar aufziehen. Die US-Wirtschaft wächst zwar seit mehr als einem Jahr wieder, doch vor allem die für US-Verhältnisse ungewöhnlich hohe Arbeitslosenquote von fast zehn Prozent und Probleme am Immobilienmarkt machen dem Land arg zu schaffen. Experten gehen davon aus, dass ein Wachstum von 3,5 Prozent zum Abbau der hohen Arbeitslosigkeit nötig ist.
"Die Konjunkturerholung ist nach einer so schweren Rezession viel zu schwach. Ein Grund dafür ist, dass die Unternehmen weniger dynamisch investieren", sagte US-Experte Bernd Weidensteiner von der Commerzbank. So steigerten die Unternehmen ihre Ausgaben für Ausrüstungen und Software im Sommerquartal nur um zwölf Prozent, im Frühjahr war die Zunahme noch doppelt so hoch gewesen.
Rezession ist abgeschafft
Die US-Wirtschaft dürfte Experten zufolge auch in den kommenden Quartalen wachsen. "Das Potenzial nach oben ist allerdings begrenzt, weil der Konsum wegen der hohen Arbeitslosigkeit und der starken Verschuldung der privaten Haushalte nicht allzu stark zulegen dürfte", sagte Postbank-Analyst Thilo Heidrich. "Einen Rückfall in die Rezession halten wir aber für wenig wahrscheinlich." Zu Beginn des vierten Quartals zeigte sich zumindest ein Lichtblick: Der Konjunkturindex der Einkaufsmanager aus dem Großraum Chicago stieg im Oktober überraschend. Das an den Finanzmärkten viel beachtete Barometer kletterte auf saisonbereinigt 60,6 von 60,4 Punkten im September.
Gehemmt wurde die Wirtschaftsleistung im dritten Quartal durch das Missverhältnis zwischen starken Importen und schwachen Ausfuhren: Das Wachstum wäre ohne den Bremseffekt des Außenhandels im dritten Quartal um mehr als zwei Prozentpunkte höher gewesen, im Frühjahr sogar 3,5 Prozentpunkte. Für Aufwind sorgten die für die US-Wirtschaft eminent wichtigen Verbraucher, die ihre Ausgaben um 2,6 Prozent steigerten. Dies ist die höchste Zuwachsrate seit Ende 2006. Der Konsum macht in den Vereinigten Staaten 70 Prozent der Wirtschaftsleistung aus. Doch die hohe Arbeitslosigkeit hemmt die Kauflaune, zumal viele Amerikaner aus der Mittelschicht um ihren Job bangen.
Obama droht Niederlage
Dem vor rund zwei Jahren mit hohen Erwartungen ins Amt gewählten Präsidenten Barack Obama droht wegen der Jobmisere bei der Kongresswahl am Dienstag eine krachende Niederlage: Die Mehrheit seiner Demokraten im Repräsentantenhaus dürfte verloren gehen - auch im Senat wackelt die Vorherrschaft der Regierungspartei. Obama wird somit gegen den Widerstand der Republikaner kaum noch wichtige Gesetze durchbringen können: Es droht ein politisches Patt mit gravierenden Folgen für die Wirtschaft, wenn etwa ein geplantes Infrastrukturprogramm und Steuererleichterungen für Unternehmen im Umfang von 200 Mrd. Dollar in den Mühlen der Parlamentsarbeit stecken bleiben sollten. "Man darf nicht vergessen, dass staatliche Fiskalprogramme in den vergangenen Quartalen ein wesentlicher Wachstumstreiber gewesen sind. Das hat den Anstieg der Arbeitslosenquote gedämpft", sagte UniCredit-Ökonom Harm Bandholz.
Der Präsident bekräftigte bei einem Wahlkampfauftritt in Maryland nach Bekanntgabe der Konjunkturdaten, mittelständischen Unternehmen mit Steuererleichterungen weiter unter die Arme greifen zu wollen. "Während wir uns weiter aus der tiefsten Rezession seit 80 Jahren graben, ist es unsere Mission, die Erholung zu beschleunigen und für ein schnelleres Wachstum zu sorgen", sagte Obama.
Verbraucher gefragt
Einen Silberstreif am Konjunktur-Horizont sehen Fachleute in den gestiegenen Verbraucherausgaben, die im dritten Quartal mit 2,6 Prozent so stark zugelegt haben wie sei fast vier Jahren nicht mehr. Sie machen immerhin 70 Prozent der amerikanischen Wirtschaftsleitung aus. Im zweiten Quartal hatte die Zunahme noch 2,2 Prozent betragen. Einzelhändler freuen sich angesichts der Steigerung schon auf ein besonders gutes Weihnachtsgeschäft, schreibt die Finanzagentur Bloomberg.
USA hinken hinterher
Die Fed dürfte vor diesem Hintergrund mit einer neuen Konjunkturstütze schon nächste Woche ein Zeichen der Handlungsfähigkeit setzen. In der Krise hatte die Fed bereits ein 1,75 Billionen Dollar teures Paket aufgelegt und mit dem Ankauf von Staatsanleihen sowie Immobilienpapieren die Notenpresse schneller rotieren lassen. Doch die US-Wirtschaft ist bei der weltweiten Aufholjagd nach der Krise weit zurückgefallen: Während der Internationale Währungsfonds (IWF) dieses Jahr mit einem Wachstum der Weltwirtschaft von 4,8 Prozent rechnet, wird den Vereinigten Staaten nur ein Plus von 2,6 Prozent zugetraut. Zum Vergleich: Für China veranschlagt der Fonds ein Wachstum von 10,5 Prozent und für Deutschland von immerhin 3,3 Prozent.
Quelle: ntv.de, bad/rts/dpa