Wirtschaft

Feiert Brasilien auf Kosten der Konjunktur? Ökonomen graut es vor WM-Party

Wenn König Fußball regiert, hat das Bruttoinlandsprodukt das Nachsehen.

Wenn König Fußball regiert, hat das Bruttoinlandsprodukt das Nachsehen.

(Foto: REUTERS)

Was ist das besondere an den Monaten August, September und November im kommenden Jahr? Pessimisten glauben, dass nur dann in Brasilien richtig rangeklotzt werden wird. Die restliche Zeit sind Karneval, Fußball-WM, Ferien oder Wahlen.

Die Fußball-Weltmeisterschaft dürfte 2014 für die Brasilianer zu einem Party-Jahr machen. Doch ob dies auch die schwächelnde Wirtschaft des wichtigen Schwellenlandes in Feierstimmung bringen wird, ist unklar. Optimisten hoffen zwar auf Impulse durch einen Bauboom rund um das Turnier und den Besuch von 600.000 Touristen. Doch zugleich drohen Rückschläge, weil die WM und andere Großereignisse viele Beschäftigte ungewöhnlich lange von der Arbeit abhalten könnten. Geht die große Fete also auf Kosten der Konjunktur?

Manche Ökonomen halten dies durchaus für möglich. Im schlimmsten Fall, so rechnet Andre Perfeito von Gradual Investimentos in Sao Paulo vor, könnte die Wirtschaftsleistung im kommenden Jahr um 0,3 Prozentpunkte geschmälert werden. Das würde sich bei einem erwarteten Wachstum von kaum zwei Prozent spürbar auswirken. Andere halten Perfeitos Schätzung für übertrieben und verweisen auf die Vielzahl an Einflussfaktoren. Diese machten Prognosen "extrem kompliziert", sagt Volkswirt David Beker von BofA Merrill Lynch.

Wachstumsfeindlicher Kalender

Unstrittig ist jedoch, dass der brasilianische Kalender für 2014 auffällige Besonderheiten bietet. Diese könnten zu merklichen Produktivitätseinbußen führen, warnen Analysten und Wirtschaftsvertreter. Um dies auszugleichen, dürften manche Industriebetriebe die Produktion zu Jahresbeginn beschleunigen, sagt Analyst Beker voraus.

Dann jedoch wartet die erste Herausforderung: der Karneval, der sich in Brasilien traditionell an die im Januar ablaufenden Sommerferien anschließt. Im kommenden Jahr ist er erst am 4. März zu Ende - rund drei Wochen später als 2013. Das ist insofern von Bedeutung, als die Betriebe nach Auffassung vieler Brasilianer erst dann wieder richtig auf Touren kommen, wenn der Karneval vorüber ist. Davor sind Geschäftstreffen schwer zu organisieren, und die Arbeit läuft vielerorts auf Sparflamme.

Und gut drei Monate später - am 12. - Juni wird bereits die heiß ersehnte WM angepfiffen, die erste in Brasilien seit 1950. Wenn die eigene Nationalmannschaft antritt, dürfte im fußballverrückten Land gar nichts mehr gehen. Üblicherweise bleiben Büros und Fabriken geschlossen, damit die Beschäftigten sich die Spiele im Fernsehen anschauen können. Die Partien der anderen Mannschaften dürften viele an ihrem Arbeitsplatz heimlich auf Computern und Smartphones verfolgen.

Manche sehen ein verlorenes Jahr

Hinzu kommt ein neues Gesetz, das den Bundesstaaten, in denen sich die zwölf WM-Städte befinden, Sonderfeiertage einräumt, um an Spieltagen einen reibungslosen Ablauf zu ermöglichen. Spötter warnen ferner, dass sich die Brasilianer bereits im Mai nicht auf den Job konzentrieren können vor lauter fiebriger Erwartung. Auch den Juli könne man vergessen, denn dann feiere das Land entweder ausgiebig seinen sechsten WM-Titel oder befinde sich im Fall eines Misserfolgs in kollektiver Lähmung.   

Im Oktober steht dann die Präsidentenwahl an. Die Abstimmung ist für den 5. geplant. Sollte keiner der Kandidaten mehr als 50 Prozent der Stimmen erhalten, kommt es am 26. zu einer Stichwahl. Obwohl Amtsinhaberin Dilma Rousseff bislang als deutliche Favoritin gilt, wollen manche Firmenlenker mit ihren Investitionsentscheidungen warten, bis Klarheit herrscht.

Ein im Internet kursierender ironisch gemeinter Kalender markiert darüber hinaus die Ferienmonate April und Dezember als arbeitsfreie Zeit. Unterm Strich - so die Schlussfolgerung der Spaßvögel - müssen die Brasilianer also nur im August, September und November richtig schuften. Paulo Motta, Chef der Einzelhandelsgewerkschaft im Bundesstaat Bahia, findet das nicht witzig. "Ich habe viele Leute gehört, die sagen, dass 2014 ein verlorenes Jahr wird", berichtet er. "Das ist absurd, aber wenn die Leute anfangen, es zu glauben, dann könnte es wirklich so kommen." 2016 sind übrigens Olympische Sommerspiele in dem Land.

Quelle: ntv.de, rts

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