Spanien spricht durch die Blume Rätselraten um EU-Hilfen
08.06.2012, 19:10 Uhr
Wie geht das ganze Gerangel wohl aus? Darüber scheinen diese beiden Madrider Börsenhändler zu diskutieren.
(Foto: REUTERS)
Spaniens Regierung sträubt sich bisher mit Händen und Füßen, für die unabwendbare Sanierung seiner Banken um Hilfe der EU zu bitten. Experten gehen aber davon aus, dass Madrid um diesen Schritt am Ende gar nicht herumkommen wird. Offen ist demnach nur die Frage des (richtigen) Zeitpunkts.
Seit Monaten beteuert die Madrider Regierung, Spanien werde keinen Rettungsschirm der EU in Anspruch nehmen. "Es wird keine europäische Rettung für die spanischen Banken geben", hatte Ministerpräsident Mariano Rajoy vor nicht einmal zwei Wochen betont. Jetzt steht ein Hilfegesuch für die maroden Banken des Landes wohl kurz bevor - auch wenn von Madrider Seite wieder beschwichtigt wird: "Es sind noch keinerlei Entscheidungen getroffen worden", erklärte Vizeministerpräsidentin Soraya Sáenz de Santamaría. Sáenz de Santamaría.
Wirtschaftsminister Luis de Guindos tat am vorigen Mittwoch so, als wären EU-Hilfen für die Sanierung maroder Geldhäuser etwas völlig Abwegiges. "Über eine Rettung haben wir kein Wort gesprochen", sagte er nach einem Treffen mit Europaparlamentariern in Brüssel.
Die Regierung weiß, dass drei verstaatlichte Banken zu ihrer Sanierung insgesamt mehr als 30 Mrd. Euro benötigen: Bankia will vom Staat 23,5 Mrd. Euro, darüber hinaus benötigen CatalunyaCaixa sowie Novagalicia nach Angaben der Zentralbank insgesamt 9,0 Mrd. Euro. Wahrscheinlich kommen noch weitere Geldhäuser hinzu, die nur mit Hilfen vor einem Zusammenbruch bewahrt werden können.
"Medizin macht Krankheit schlimmer"
Die Regierung konnte nie sagen, woher sie das Geld nehmen will. Dennoch beharrte sie darauf, dass sie in keinem Fall ein Hilfe-Gesuch nach Brüssel schicken werde. Finanzminister Cristóbal Montoro räumte nur indirekt und andeutungsweise ein, dass Spanien zur Überwindung der Bankenkrise wohl doch Hilfen der EU in Anspruch nehmen müsse: "Spanien steht die Tür zu den Finanzmärkten nicht mehr offen. Die europäischen Institutionen müssen Entscheidungen treffen", sagte er, fügte aber sogleich hinzu, dass eine EU-Rettung für Spanien ausgeschlossen sei, weil dies "technisch unmöglich" wäre.
Das Sträuben der Spanier gegen Hilfen aus dem europäischen Rettungsfonds scheint verständlich zu sein. "In Deutschland verstehen einige Leute nicht, weshalb Spanien nicht um eine Rettung bitten will", schreibt der Ökonom José Carlos Díez in der Zeitung "El País". "Dies bedeutet jedoch eine Verkennung der Realität und ist fast schon krankhaft. Die drei Experimente mit EU-Rettungen erwiesen sich als desaströs, denn die verordnete Medizin hat die Krankheit noch schlimmer gemacht. Da ist es logisch, dass Madrid den Spaniern dies ersparen will."
Auch die Regierungen in Griechenland, Portugal und Irland hatten lange Zeit beteuert, ihre Finanzprobleme allein lösen zu können, brauchten dann aber doch europäische Hilfe. Spanien hat es nun offensichtlich auf eine "Light"-Version der Hilfe abgesehen: Die Kredithilfen sollen nur zur Sanierung der Banken genutzt werden, und dafür soll es weniger harsche Eingriffe der Geber in die spanische Wirtschafts- und Finanzpolitik geben.
Allerdings ist der Grat zwischen einer reinen Banken-Hilfe und einer umfassenden Rettung der Staatsfinanzen ziemlich schmal. "Wenn eine Regierung anerkennt, dass ihr Finanzsystem bankrott ist, gibt sie auch zu, dass das ganze Land pleite ist", meint "elplural.com". Der Ökonom Díez warnt: "Für die Banken-Hilfe muss der Staat bürgen. Damit werden die privaten Schulden der Geldhäuser staatliche Schulden. Das hat zur Folge, dass die Ratingagenturen die Bonität des Landes sofort auf Ramschniveau herabstufen und dem Staat damit auf Dauer den Zugang zu den Kapitalmärkten verbauen werden."
Quelle: ntv.de, Hubert Kahl, dpa