Wirtschaft

Spitzeln bei der Telekom Ricke weist Vorwürfe zurück

Im Prozess um die Spitzelaffäre bei der Deutschen Telekom bestreitet Ex-Konzernchef Ricke eine Mitwisserschaft bei der illegalen Auswertung von Telefondaten. "Ich kann mit hundertprozentiger Sicherheit ausschließen, dass wir über irgendwelche illegalen Methoden gesprochen haben", sagt er vor dem Landgericht Bonn.

Kai-Uwe Ricke

Kai-Uwe Ricke

(Foto: dpa)

Der ehemalige Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke hat Vorwürfe zurückgewiesen, er habe von illegalen Schnüffelmethoden gewusst. Er habe zwar Anfang 2005 die Sicherheitsabteilung beauftragt, den Urheber von Indiskretionen zu identifizieren, sagte Ricke als Zeuge im Prozess vor dem Landgericht Bonn. "Ich kann mit 100-prozentiger Sicherheit ausschließen, dass wir über illegale Methoden gesprochen haben."

Auch bei folgenden Treffen habe er keine Kenntnis über die Erhebung von Telefonverbindungsdaten erhalten, sagte Ricke. Wäre dies der Fall gewesen, wäre er eingeschritten.

Die Telekom-Spitzelaffäre gilt als einer der größten Datenschutz-Skandale der vergangenen Jahre. Der Konzern hatte 2005 und 2006 Telefonverbindungen auswerten lassen, um herauszufinden, wie sensible Informationen über das Unternehmen in die Medien und damit in die Öffentlichkeit gelangten. Die Affäre war 2008 bekannt geworden, nachdem der Konzern Strafanzeige erstattet hatte. Insgesamt wurden die Telefonverbindungsdaten von bis zu 60 Personen ausgewertet - darunter prominente Gewerkschaftsvertreter wie Verdi-Chef Frank Bsirske oder der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer.

Ex-Konzernchef Ricke war zum Prozessauftakt Anfang November vom Hauptangeklagten in dem Verfahren belastet worden. Ein früherer Chef der Telekom-Konzernsicherheit hatte ausgesagt, Ricke sei über die Möglichkeit der Auswertung von Telefonverbindungsdaten informiert gewesen. Dies bestritt Ricke im Zeugenstand nun vehement.

Er habe sich "ehrlich gesagt über die Methoden keine Gedanken gemacht", mit denen die Konzernsicherheit die Informationslecks in den eigenen Reihen ausfindig machen wollte, sagte Ricke. "Ich bin nicht der Spezialist." Hätte ihm jemand die Auswertung von Verbindungsdaten vorgeschlagen, hätte er dies untersagt. Die Aufdeckung von Lecks, durch die Informationen an die Presse gedrungen sind, sei Sache der Sicherheitsabteilung gewesen.

Der Telekom-Chef der Jahre 2002 bis 2006 war als Zeuge geladen. Der Hauptangeklagte, ein ehemaliger leitender Mitarbeiter der Telekom-Sicherheitsabteilung, hatte Ricke vorgeworfen, dieser habe von den Schnüffelmethoden gewusst. Bei den in seinem Beisein besprochenen Methoden sei es lediglich um Methoden wie die Auswertung von Presseberichten oder die Kenntlichmachung von Unterlagen gegangen, sagte Ricke. Auch dass bei den Ermittlungen Drittfirmen eingeschaltet wurden, habe er erst aus der Zeitung erfahren.

Im Gerichtssaal suchte Ricke immer wieder auch Blickkontakt mit dem Angeklagten, der sich seinerseits Notizen von dessen Aussagen machte. Der ehemalige Telekom-Chef sagte, er habe den Mitarbeiter als "sehr, sehr seriösen Beamten" kennengelernt, dem man vertrauen konnte. Diesem und mehreren weiteren Angeklagten werden vor allem die Verletzung des Fernmeldegeheimnisses und Verstöße gegen das Datenschutzgesetz vorgeworfen. Dafür drohen ihnen bis zu fünf Jahre Haft.

Ricke, der als Wohnort die Schweiz und als Beruf Kaufmann angab, war wie der Ex-Telekom-Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel anfangs von der Staatsanwaltschaft selbst verdächtigt worden, illegale Methoden veranlasst oder zumindest davon gewusst zu haben. Die Ermittlungen wurden im Sommer aus Mangel an Beweisen eingestellt. Dagegen sind zahlreiche Beschwerden eingegangen, über die noch nicht entschieden ist. Zumwinkel muss in dem Prozess nicht aussagen, da gegen ihn noch ermittelt wird.

Bei der dreieinhalbstündigen Aussage verwies Ricke bei einzelnen Vorgängen immer wieder auf Gedächtnislücken. "Ich kann mich nicht mehr an jedes Detail erinnern." Eine von der Sicherheitsabteilung ins Spiel gebrachte eidesstattliche Versicherung, in der die angebliche Quelle des Lecks benannt wurde, habe er weder hinterfragt noch sich zeigen lassen. "Ich habe dem Angeklagten geglaubt. Ich habe an die eidesstattliche Versicherung geglaubt." Zumwinkel habe den vermeintlichen Informanten, ein Mitglied des Aufsichtsrats, später zur Rede gestellt. Ricke selbst hatte dabei nach eigenen Angaben nicht das Wort ergriffen. Das Aufsichtsratsmitglied habe beschämt reagiert, eine Schuld aber nicht zugegeben.

Der Opfer-Anwalt, der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum, zeigte sich enttäuscht von den Aussagen Rickes. "Er hat seinen Laden nicht im Griff gehabt, so wenig wie er weiß." Es sei unklar, wer Entscheidungen getroffen habe. Ricke sei offenbar relativ passiv gewesen. "Man muss sich fragen, ob er seine Aufsichtspflichten wahrgenommen hat."

Quelle: ntv.de, rts/AFP

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