Griechenlands Schulden halbieren SPD fordert harten Schnitt
16.07.2011, 14:23 UhrIm Ringen um eine Rettung der griechischen Staatsfinanzen mehren sich die Stimmen, die einen Schuldenschnitt für unausweichlich halten. Die SPD wird konkret und fordert einen Verzicht auf bis zu 50 Prozent der Forderungen. Die deutsche Industrie plädiert neben einem Schuldenerlass auch für Wiederaufbauhilfen nach historischem Vorbild.

Eine Frage von Prozenten: Auf wie viel ihrer Forderungen müssen Gläubiger Griechenlands verzichten?
(Foto: dpa)
Mit Blick auf den Euro-Krisengipfel flammt der Streit über die geeigneten Rettungsmaßnahmen für Griechenland wieder auf. Nun mehren sich Stimmen, die einen Erlass griechischer Schulden für zwingend halten.
Nach Ansicht des haushaltspolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, wird Griechenland ohne einen Schuldenschnitt nicht in der Lage sein, wieder auf die Beine zu kommen. "Bei den gegenwärtigen volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist es für das Land unmöglich, seine Schulden zu tragen", sagte Schneider dem "Handelsblatt". Mit einem Schuldenschnitt und Forderungsverzicht von 40 bis 50 Prozent wäre auch ein substanzieller Beitrag der privaten Gläubiger gewährleistet. Nur so könne die "öffentliche Akzeptanz für die Rettungsaktionen wieder hergestellt werden".
Die Vereinbarung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mit der Kreditwirtschaft, wonach deutsche Banken, die griechische Anleihen über rund zehn Mrd. Euro halten, sich mit zwei Mrd. Euro an den Hilfen für Athen beteiligen, nannte Schneider dagegen ein Placebo, das zudem den Beschlüssen des Bundestages widerspreche. "Zumal Herr Schäuble die deutschen Bad Banks dazu nutzt, den lächerlichen Beitrag der deutschen Finanzwirtschaft aufzustocken", sagte der SPD-Politiker.
Nach der Vereinbarung Schäubles sollen die beteiligten Banken und Versicherungen zumindest für bis einschließlich 2014 fällig werdende Anleihen "Finanzierungen wieder zur Verfügung stellen". Schneider sagte dazu, eine Laufzeitverlängerung verschiebe das Problem lediglich in die Zukunft und entspreche auch nicht einer fairen Lastenteilung zwischen öffentlicher und privater Seite.
Schudenerlass ohne Desaster
Auch der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz hält einen Schuldenschnitt letztlich "für unausweichlich". Allerdings müsse er so gestaltet werden, "dass daraus für die Euro-Zone kein Desaster erwächst", sagte der Ökonom dem "Focus".
Eine Möglichkeit bestünde darin, "dass der derzeitige Euro-Rettungsschirm EFSF griechische Staatspapiere mit einem gehörigen Abschlag in von ihm ausgegebene und garantierte Anleihen umtauscht". Einerseits wäre dann ein Schuldenschnitt - also ein teilweiser Schuldenerlass - realisiert, andererseits verfügten Banken und Versicherungen dann über Wertpapiere mit bester Bonität.
Eine etwas andere Lösung wird derzeit in Brüssel diskutiert: Demnach könnte der Rettungsschirm künftig direkt Staatsanleihen von Griechenland kaufen. Ein harter Schuldenschnitt gilt dagegen derzeit als unwahrscheinlich.
Krisengipfel soll Lösung bringen
Den genauen Weg aus der Schuldenkrise soll ein Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs der 17 Euro-Staaten am Donnerstag ebnen. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hatte das Spitzentreffen nach mehrtägigem Streit um den richtigen Zeitpunkt einberufen. Auf der Tagesordnung werde die Stabilität des Euro-Raums sowie "die zukünftige Finanzierung des griechischen Hilfsprogramms stehen". Er habe die Finanzminister gebeten, bis zu dem Treffen Beschlüsse auszuarbeiten.
Van Rompuy bereitet die Spitzentreffen vor und führt diese auch. Er hatte mehr Tempo gemacht und wollte zunächst die Konferenz der 17 Staats- und Regierungschefs bereits zum Ende dieser Woche ansetzen. Doch insbesondere Deutschland war auf die Bremse getreten. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte darauf gepocht, dass das neue Griechenland-Programm erst entscheidungsreif sein müsse. Auf der anderen Seite hatten Griechenland und Spanien zur Eile gedrängt.
Deutsche Wirtschaft fordert Schumannplan
Die deutsche Industrie fordert neben einem Schuldenerlass auch wirtschaftliche Wiederaufbauhilfen für Griechenland. In einem Brief von BDI-Präsident Hans-Peter Keitel an Führungskräfte der Industrie heißt es laut "Bild am Sonntag": "Erstens muss die Gesamtschuldenlast des Landes auf ein tragfähiges Niveau gesenkt werden. Zweitens braucht Griechenland einen Business-Plan im Sinne eines Schumanplans." Mit dem Schumanplan wurde der deutschen Montanindustrie nach dem Zweiten Weltkrieg auf die Beine geholfen.
Auch der frühere Wirtschaftsweise und Politikberater Bert Rürup hält einen teilweisen Schuldenerlass für Griechenland für nötig. "Deutschland wird Geld in die Hand nehmen müssen", sagte er dem ZDF. Mit dem aktuellen Krisenmanagement ging er hart ins Gericht: Das Tempo der Maßnahmen, mit denen das Euro-System stabilisiert werden solle, gleiche einem Schildkrötenrennen.
Der Vorsitzende der CSU-Mittelstandsunion, Hans Michelbach, erklärte, ein neues Hilfspaket ohne eine Umschuldung werde nicht zum Ziel führen: "Die Kappung der griechischen Staatsschulden ist unumgänglich. Die Verunsicherungen für Wirtschaft und Verbraucher müssen schnellstens beendet werden."
Wirtschaftsprüfer raten zu Abschreibungen
Das Institut der Deutschen Wirtschaftsprüfer (IDW) empfiehlt den deutschen Banken, Abschreibungen auf Griechenland-Anleihen bereits in den Abschlüssen für das erste Halbjahr 2011 vorzunehmen. Dies sagte Vorstand Klaus-Peter Feld der Wirtschaftszeitung "Euro am Sonntag". Es mehrten sich die Anzeichen, dass von einem Schuldenschnitt oder einer Beteiligung privater Gläubiger in anderer Form ausgegangen werden müsse.
Bezogen auf das nominelle Griechenland-Engagement aller deutschen Banken von rund 17 Milliarden Euro läge das Abschreibungsvolumen bei einem Schuldenschnitt von 30 Prozent bei etwa fünf Mrd. Euro, heißt es in dem Bericht weiter.
Quelle: ntv.de, nne/AFP/dpa