Schneller Eingreiftopf für Europa Schäuble erwägt EU-Fonds
06.03.2010, 17:19 UhrDie finanziellen Probleme einiger Euro-Länder fördern in Berlin neuartige Vorschläge zu Tage: In den Reihen der Unionsparteien denken immer mehr Politiker laut über die Gründung eines "Europäischen Währungsfonds" nach. Auch Finanzminister Schäuble findet die Idee nicht übel.
Angesichts der Schuldenkrise in Griechenland hat sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble positiv zu der Idee eines Europäischen Währungsfonds nach dem Vorbild des Internationalen Währungsfonds (IWF) geäußert. "Wir planen keine Konkurrenzinstitution zum IWF, aber für die innere Statik der Eurozone brauchen wir eine Institution, die über die Erfahrungen des IWF und über analoge Durchgriffsbefugnisse verfügt", sagte der CDU-Politiker der "Welt am Sonntag". Nötig sei eine gründliche Diskussion über die Konsequenzen aus der Griechenland-Krise: "Dabei sollten wir keine Vorschläge von vornherein ausschließen, auch nicht die Einrichtung eines Europäischen Währungsfonds." Schäuble kündigte an, rasch konkrete Vorschläge in dieser Richtung zu unterbreiten.
Schäuble attestierte Griechenland ernsthafte Anstrengungen zur Überwindung der Krise. Er habe keine Zweifel daran, dass die Regierung in Athen die Sparmaßnahmen nun auch umsetzen werde.
Mit Blick auf die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise sagte Schäuble, die europäische Wirtschafts- und Währungsunion müsse nicht komplett neu erfunden werden. Der Euro habe sich in der Krise bewährt. Gleichwohl gelte es zu prüfen, "ob Fortentwicklungen oder Ergänzungen des institutionellen Rahmens sinnvoll sein können", sagte der CDU-Politiker.
Währungsfonds in Aktion
Der IWF unterstützt Länder in Zahlungsschwierigkeiten mit Krediten und verlangt im Gegenzug häufig weitreichende Markt-Reformen in den betroffenen Staaten. Deutschland und die anderen Euro-Staaten haben bislang direkte Finanzhilfen für das unter einer dramatischen Staatsverschuldung leidende Griechenland abgelehnt und zugleich dafür plädiert, die griechische Krise innerhalb Europas zu lösen.
Auch Schäuble betonte neuerlich, die Eurozone strebe an, ihre Probleme aus eigener Kraft lösen zu können. "Die Annahme finanzieller Hilfen durch den IWF wäre meiner Meinung nach ein Eingeständnis, dass die Euroländer aus eigener Kraft ihre Probleme nicht lösen können", sagte er. Der IWF hilft bereits europäischen Staaten außerhalb der Euro-Zone wie etwa Ungarn oder Lettland. Kein Mitglied der europäischen Währungsunion hat bislang hat Unterstützung des IWF in Anspruch genommen.
Die Schaffung eines Europäischen Währungsfonds findet auch außerhalb des Finanzministeriums breite Unterstützung. Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, sagte im Deutschlandfunk, ein solcher Fonds sei für eine bessere Kontrolle der Staaten in der Eurozone sinnvoll.
Auch Politiker von CSU und FDP halten den Aufbau eines solchen Fonds für die richtige Antwort. "Wir müssen uns jetzt Gedanken machen, wie wir in der Eurozone künftig Staaten wie Griechenland besser kontrollieren und wirksame Sanktionen aussprechen können", sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt der "Bild am Sonntag". Die FDP signalisierte Unterstützung für den Vorschlag. "Ich halte das für einen klugen Denkanstoß", sagte FDP-Generalsekretär Christian Lindner.
Zweischneidige Kreditversicherungen
Wie zuvor Bundeskanzlerin Angela Merkel plädierte unterdessen auch Finanzminister Schäuble für mehr Transparenz und Regulierung der Märkte für Kreditversicherungen (CDS), um Spekulationen gegen Staaten einzudämmen. Spekulationen sei zwar nicht die Ursache für die Krise, sie verstärkten sie aber. "Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere gemeinsame europäische Währung zum Spielball von international angelegten Spekulationen wird", bekräftigte Schäuble.
Merkel hatte am Freitagabend nach dem Treffen mit Papandreou schärfere Maßnahmen gegen Spekulanten angekündigt. Spekulationen mit Kreditausfallversicherungen ("Credit Default Swaps", kurz: CDS) gegen Staaten müssten eingedämmt werden, sagte sie. Dafür müssten nicht nur die EU- Partner gewonnen werden, sondern auch die USA.
Einem Pressebericht zufolge liegen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) mittlerweile Erkenntnisse darüber vor, wie auf den internationalen Finanzmärkte gegen Schuldtitel Griechenlands spekuliert wird. Im Februar hielten Anleger demnach Kreditausfallversicherungen für griechische Anleihen im Wert von 85 Mrd. Dollar, doppelt so viel wie noch ein Jahr zuvor, zitierte der "Spiegel" aus einer Bafin-Studie für das Bundesfinanzministerium.
Sollten die Kreditausfallversicherungen für Griechenland immer teurer werden, könnte das Investoren abschrecken, hieß es. Um Spekulationen mit CDS einzudämmen, schlagen die Bafin-Experten eine europaweite zentrale Meldestelle vor. So könnten die Behörden sofort erkennen, wo sich durch Spekulation eine Gefahr zusammenbraut.
Rückendeckung aus Frankreich
Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy sagte den griechischen Reformbemühungen - wie zuvor bereits die deutsche Bundeskanzlerin - seine Unterstützung zu. "Wir müssen Griechenland unterstützen, weil es eine Anstrengung unternimmt und weil es andernfalls keinen Euro mehr gebe", sagte Sarkozy. Kein Mitglied der Euro-Zone dürfe fallengelassen werden, forderte er. Sarkozy trifft am Sonntag mit Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou zusammen.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle erklärte unterdessen bei einem Treffen mit seinen EU-Kollegen im spanischen Cordoba, Griechenland müsse seine Hausaufgaben machen und sein ehrgeiziges Sparprogramm umsetzen. "Ich bin nicht bereit, einen Blankoscheck auszustellen," wiederholte er eine frühere Feststellung zu etwaigen finanziellen Hilfsaktionen.
Nach Einschätzung von Ratingagenturen steht und fällt die Glaubwürdigkeit Griechenlands mit der strikten Umsetzung der beschlossenen Sparmaßnahmen, zumal die wirtschaftliche Entwicklung des Landes die Konsolidierungsbemühungen zusätzlich gefährden könnte. In diesem Zusammenhang hatte Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker Ende der Woche die Gründung einer europäischen Ratingagentur angeregt, um die unkontrollierte Vormachtsstellung privat geführter Bonitätsprüfer zu brechen.
Die griechische Bevölkerung ist unterdessen in ihrem Urteil über die harten Einschnitte gespalten. Einer in der Zeitung "To Vima" veröffentlichten Umfrage zufolge unterstützen 46,6 Prozent das drastische Sparpaket der Regierung, das unter anderem eine Anhebung der Mehrwertsteuer vorsieht. 47,9 Prozent der 1044 Befragten lehnen die harten Einschnitte ab.
Quelle: ntv.de, mmo/rts