Wirtschaft

"Chaos in der Finanzaufsicht" Scholz gerät nach Razzia unter Beschuss

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Wirecard, Cum-Ex und jetzt die Geldwäscheeinheit FIU: Scholz muss sich unangenehme Fragen gefallen lassen.

(Foto: picture alliance/dpa)

Kurz vor der Bundestagswahl ordnet die Staatsanwaltschaft Durchsuchungen in Finanz- und Justizministerium an. Für den SPD-Kanzlerkandidaten könnte die Razzia zur Unzeit kommen. Die Ermittler fragen nämlich, warum die Kölner Geldwäscheeinheit unter Scholz' Führung kaum Verdachtsmeldungen produziert.

Nach Razzien im Bundesfinanzministerium und Bundesjustizministerium im Zuge eines laufenden Ermittlungsverfahrens gegen Verantwortliche der Anti-Geldwäscheeinheit Financial Intelligence Unit (FIU) nutzt die Opposition die Durchsuchungen für harte Angriffe auf Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz. "Olaf Scholz hat die FIU sehenden Auges vor die Wand gefahren", erklärten Grünen-Finanzsprecherin Lisa Paus und -Innenpolitiksprecherin Irene Mihalic. "Unter Scholz scheint die Fachaufsicht nicht zu funktionieren." Die Integrität der Geldwäschebekämpfung in Deutschland stehe infrage und damit ein wichtiger Teil der Bekämpfung von Organisierter Kriminalität und Terrorismus. Wir brauchen nun umfassende Aufklärung dieser Vorgänge ohne Rücksicht auf Ämter und Positionen", forderten die Grünen-Politikerinnen.

Der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Florian Toncar, nannte es "einen wohl einzigartigen Vorgang", dass die Staatsanwaltschaft das Bundesfinanz- und Justizministerium durchsuche. "Wenn sich die Vorwürfe der Strafvereitelung im Amt gegen Verantwortliche der Financial Intelligence Unit bestätigen, ist das ein handfester Skandal." Klar sei schon jetzt, dass die FIU nach Jahren unter Scholz in einem schlechten Zustand sei, "denn er hat sie wie ein Stiefkind behandelt".

Linke-Fraktionsvize Fabio De Masi erklärte, er habe Scholz seit 2018 aufgefordert, das Chaos bei der FIU zu beenden. "Diese ist ein Sicherheitsrisiko für Deutschland." Auch bei Wirecard habe die FIU Strafvereitelung zu verantworten. "Wer Deutschland führen will, muss den Zoll auf die Reihe bekommen", befand De Masi.

"Umfangreiche Kommunikation mit Ministerien"

"In dem Verfahren der Staatsanwaltschaft Osnabrück wegen Strafvereitelung im Amt gegen Verantwortliche der FIU haben Beamte der Zentralen Kriminalinspektion Osnabrück und der Staatsanwaltschaft Osnabrück heute die Amtsräume des Bundesministeriums der Finanzen und des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz durchsucht", teilte die Staatsanwaltschaft am Mittag in einer Pressemitteilung mit.

Eine Auswertung von Unterlagen, die bei vorangegangenen Razzien in der Bundeszollverwaltung gesichert wurden, habe ergeben, dass es zwischen der FIU und den nun durchsuchten Ministerien umfangreiche Kommunikation gab. Die Staatsanwaltschaft will nun nach eigenen Angaben insbesondere untersuchen, ob und gegebenenfalls inwieweit die Leitung sowie Verantwortliche der Ministerien in Entscheidungen der FIU eingebunden waren. Die Auswertung der Unterlagen werde mehrere Wochen dauern.

Verdachtsmeldung nicht weitergeleitet

Ausgangspunkt der Ermittlungen war demnach eine Verdachtsmeldung einer Bank an die FIU im Juni 2018 über Zahlungen nach Afrika von mehr als eine Million Euro, "wobei die Bank vermutete, dass Hintergrund der Zahlungen Waffen- und Drogenhandel sowie Terrorismusfinanzierung sei". Die FIU habe diese Meldung zur Kenntnis genommen, sie aber nicht an deutsche Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet, sodass keine Möglichkeit mehr bestanden habe, die Zahlungen aufzuhalten. Die Ermittler gingen auch der Frage nach, "weshalb seit Übernahme der Geldwäschekontrolle durch die FIU die Zahl der Verdachtsmeldungen auf einen Bruchteil zurückgegangen ist".

Das Finanzministerium unterstrich, der Staatsanwaltschaft gehe es in erster Linie um die Identifikation von Mitarbeitern der FIU-Zentralstelle in Köln und um Informationen, inwieweit der sogenannte risikobasierte Ansatz der Zentralstelle rechtlich erörtert und abgesichert worden sei. Durch die risikoorientierte Bearbeitung der Verdachtsmeldungen setze die Zentralstelle Schwerpunkte bei der Analyse dieser Verdachtsmeldungen. "Dabei unterzieht die Zentralstelle jede eingehende Meldung einer Erstbewertung und führt Meldungen, die mindestens einem der - aktuell zehn - Risikoschwerpunkte entsprechen, einer vertieften manuellen Analyse zu."

Die Zuständigkeit für die FIU sei in der vergangenen Legislaturperiode durch eine Entscheidung des damaligen Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble vom Bundeskriminalamt zum Zoll verlagert worden. "Dies hat zu Diskussionen in der Fachöffentlichkeit geführt", erklärte das Ministerium. Scholz habe seit Übernahme der Amtsgeschäfte dafür gesorgt, dass die FIU durch zusätzliches Personal, erweiterte Kompetenzen und auch technische Verbesserungen gestärkt worden sei. Auch der Leiter der Zentralstelle sei 2018 ausgetauscht worden. Der Personalbestand der FIU sei von anfänglich 165 auf inzwischen 469 Beschäftigte erhöht worden.

Quelle: ntv.de, mau/DJ

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