Wirtschaft

Vom Saulus zum Paulus Siemens im Wandel der Zeiten

Keine zwei Jahre ist es her, da war Siemens der Buhmann der Wirtschaftswelt. Der Traditionskonzern schien von Korruption durchdrungen. Und heute? Es könnte kaum besser laufen für die Münchner. Besonders in den USA hat sich das Bild komplett gewandelt.

Obama inspiziert den Flügel einer Windturbine bei einem Besuch bei Siemens in Iowa.

Obama inspiziert den Flügel einer Windturbine bei einem Besuch bei Siemens in Iowa.

(Foto: REUTERS)

Einen besseren Draht ins Weiße Haus könnte sich Siemens kaum wünschen: Die Sprecherin von Präsidentengattin Michelle Obama wechselt ins Führungsteam von Siemens USA. "Wir werden Dich vermissen", gab die First Lady ihrer Vertrauten mit auf den Weg. Es ist das letzte einer Reihe von Zeichen, dass der Konzern die Korruptionsaffäre hinter sich gelassen hat.

Vor allem auf seinem wichtigsten Einzelmarkt USA hat Siemens eine 180-Grad-Wende hingelegt. Vor zwei Jahren musste der Konzern noch fürchten, wegen seiner Schmiergeldaffäre von staatlichen Aufträgen ausgeschlossen zu werden. Eine Horrorvorstellung. Und heute kommen nirgendwo auf der Welt so viele neue Bestellungen herein wie in den USA - gerade auch von Staatsseite.

Die US-Regierung hat aus ihren Konjunkturpaketen umgerechnet bereits gute 2,0 Mrd. Euro bei Siemens gelassen. Gefragt sind Techniken für Stromnetze und Stromerzeugung, Medizingeräte, Stadtbahnen und Hochgeschwindigkeitszüge.

Präsident Barack Obama persönlich hatte im April auf seiner Tour durch den Mittleren Westen im Windanlagen-Werk in Fort Madison vorbeigeschaut. Er sei "wahnsinnig beeindruckt" gewesen von der Fertigung, sagte er, hob die Tatkraft von Management und Mitarbeitern hervor - und verlor kein einziges Wort zu den Verfehlungen der Vergangenheit.

Wachstumsmarkt USA brummt

Es war der erste Besuch eines US-Präsidenten in der 163-jährigen Geschichte des Konzerns. Und er zahlte sich aus. Im vergangenen Quartal lag das Auftragsplus von Siemens in den USA gegenüber dem Vorjahreszeitraum bei satten 51 Prozent - und das, obwohl Erzrivale General Electric hier einen Heimvorteil hat. Siemens hielt mit einer millionenschweren Imagekampagne dagegen und nimmt mittlerweile jeden fünften Euro in den USA ein, das ist mehr als in Deutschland und auch weit mehr als im Boom-Land China.

Siemens ist von der Mitarbeiterzahl her das größte Unternehmen in den USA. 16 Prozent der Beschäftigten arbeitet in den USA.

Siemens ist von der Mitarbeiterzahl her das größte Unternehmen in den USA. 16 Prozent der Beschäftigten arbeitet in den USA.

(Foto: REUTERS)

Vielen US-Amerikaner ist gar nicht klar, dass Siemens ein deutsches Unternehmen ist - ein Phänomen, das auch auf andere deutsche Großkonzerne zutrifft. Von den weltweit 402.000 Mitarbeitern arbeiten mittlerweile 64.000 in den Vereinigten Staaten. Kein anderes deutsches Unternehmen beschäftigt so viele Menschen in den USA. milliardenschwere Zukäufe und die Verlagerung der Fertigung ins Land haben die Zahl nach oben schnellen lassen. Gerade baut Siemens an einem neuen Werk für Gasturbinen.

Obama hatte bei seinem Besuch die Aufbruchstimmung gelobt, die Siemens und seine Mitarbeiter mitten in der Krise verbreiteten. Was für eine Veränderung in der Tonlage, die das öffentliche Amerika gegenüber den Deutschen anschlägt. Die Münchener sind neben Frankfurt auch in New York börsennotiert und stehen deshalb unter besonderer Beobachtung.

Verfehlungen sind Geschichte

Ende 2008 hatten das US-Justizministerium und die Börsenaufsicht SEC dem Konzern noch ein Rekordbußgeld von umgerechnet rund 600 Mio. Euro aufgebrummt, weil Siemens-Mitarbeiter systematisch in aller Welt geschmiert hatten, um an Aufträge zu kommen. Die Summe lag höher als das, als Siemens gleichzeitig in Deutschland berappen musste.

Das Management reagierte damals radikal, um die US-Behörden zu besänftigen. Aufsichtschef Gerhard Cromme und der neu geholte Konzernlenker Peter Löscher sägten die alte Führungsriege ab und klärten radikal auf.

Den Wandel bestätigte kürzlich auch Ex-Bundesfinanzminister Theo Waigl, der im Auftrag der Amerikaner die Einhaltung von Recht und Gesetz bei Siemens überwacht. Er sehe keine Gefahr systematischer Korruption mehr, sagte er und lobte die Offenheit, mit der Siemens das Thema anpackt. "Mir ist noch nie ein Gespräch verweigert worden, mir ist noch nie ein Dokument vorenthalten worden."

Quelle: ntv.de, dpa

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