Wirtschaft

Historisches "Ja" in Athen So reagieren die Experten

Die Entscheidung im griechischen Parlament fällt denkbar knapp aus: Nur knapp entgeht Europa der akuten Gefahr einer ersten Staatspleite innerhalb der Eurozone. Volkswirte schauen jetzt nach vorn: Bis zur Rettung Griechenlands bleibt ihrer Einschätzung noch eine Menge zu tun.

Das griechische Parlament hat dem der Regierung . Damit ist die entscheidende Voraussetzung für weitere Milliardenhilfen von EU und IWF erfüllt. "Damit ist die Katastrophe verhindert worden", sagte Peter Bofinger, Mitglied im Sachverständigen Rat der Bundesregierung zur Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Lage, in einer ersten Reaktion.

Wie geht es weiter mit Griechenland, den Banken und Europa?

Wie geht es weiter mit Griechenland, den Banken und Europa?

(Foto: REUTERS)

Bei einer Ablehnung des Sparpakets von Ministerpräsident Giorgos Papandreou hätte dem hoch verschuldeten Land eine Staatspleite gedroht. "Eine unkontrollierte Staatspleite hätte nicht nur Griechenland, sondern die gesamte Währungsunion in ihrer Substanz gefährdet", beschrieb der Wirtschaftsweise das Ausmaß der Bedrohung.

"Jetzt muss die Strategie für Griechenland geändert werden", forderte er. Um den Deutschen den Ernst der Lage bewusst zu machen, vergleich er die Situation in Griechenland mit dunklen Abschnitten in der deutschen Geschichte. "Derzeit wiederholt das Land die Fehler, der der damalige Reichskanzler Brüning Anfang der Dreißiger Jahre in Deutschland gemacht hat - nämlich Defizite, die im wesentlich durch den Rückgang der Wirtschaftsleistung verursacht wurden, mit zusätzlichen Sparmaßnahmen zu reduzieren. Das ist kontraproduktiv."

Griechenland müsse jetzt mit europäischen Investitionen geholfen werden - etwas aus Mitteln des europäischen Strukturfonds. Außerdem müssten dem Land, so Bofinger weiter, möglichst niedrige Zinsen gesichert werden. "Die Staatsverschuldung muss zudem durch einen Schuldenschnitt auf ein tragbares Niveau zurückgestutzt werden. Eine Reduktion um 40 oder 50 Prozent wäre sinnvoll."

Zahlreiche Großbaustellen

"Mit diesem Sparpaket ist erst einmal nichts gelöst", bestätigte Roland Döhrn, Chefvolkswirt des Essener RWI-Instituts. "Aber jetzt kann die nächste Tranche aus dem Hilfspaket fließen. Damit ist der Zahlungsausfall des Staates erst einmal abgewendet." Die grundlegenden Probleme der griechischen Wirtschaft seien jedoch noch nicht gelöst. "In der Gesellschaft scheint es keinen Konsens darüber zu geben, wie die Haushaltslücke zu schließen ist", stellte der RWI-Ökonom fest. In Europa zähle Griechenland zu den Staaten mit der höchsten Ausgabenquote und der geringsten Abgabenquote.

"Der aufgeblähte Staatssektor müsste angegangen werden", sagte Döhrn. "Die Effizienz des Steuersystems müsste verbessert werden. Nur neue Steuern zu erheben oder andere zu erhöhen, reicht nicht aus. Es muss sichergestellt werden, dass jeder, der Steuer zahlen muss, dies auch tut."

Neue Hindernisse in Sicht

Zu einer ähnlichen Einschätzung der Lage nach der Abstimmung kam Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. "Griechenland hat eine Etappe geschafft", sagte er in einer ersten Einschätzung. "Nun dürften auch die Abstimmungen über die einzelnen Gesetze durchkommen. Damit hat Griechenland den Zahlungsausfall verhindert." Gelöst seien die Probleme aber noch lange nicht. Die Staatsschuldenkrise werde etwas abflauen. Es dürften aber genügend neue Hürden aufkommen.

"Es bleibt zu sehen, ob die Spargesetze auch umgesetzt werden, denn die Zahl der loyalen Beamten ist nicht allzu groß", gab Krämer zu bedenken. "Griechenland braucht einen tiefgreifenden Mentalitätswandel."

Wie geht es nun weiter?

Mit Blick auf das weitere Vorgehen in Brüssel hält der Coba-Chefökonom einen pragmatischen Ansatz für wahrscheinlich. "Europa wird Griechenland so lange durchfüttern, bis sich die anderen Schuldenstaaten - Irland, Portugal, Spanien - stabilisiert haben und ein Scheitern Griechenlands diese Staaten nicht mehr anstecken kann. Danach werden wir sehen. Bei den hohen Schuldenquoten Griechenlands ist es extrem schwierig, die Staatsfinanzen aus eigener Kraft zu den gegebenen Marktzinsen zu stabilisieren. In den kommenden zwei bis drei Jahren könnte es zu einer Umschuldung kommen."

"Die Zustimmung des griechischen Parlaments zu dem Sparpaket war keine Überraschung mehr", erklärte Devisenanalystin Viola Stark von der Helaba. "Die Anleger hatten bereits in den vergangenen Tagen darauf gesetzt, dass das Sparprogramm abgesegnet wird. Alles andere wäre auch eine Katastrophe gewesen."

Jetzt beginnt die schwere Arbeit

Skeptisch reagierte auch Eugen Keller von der Metzler Bank. "Das ist noch keine wirkliche Entwarnung, denn die große Herausforderung für die griechische Regierung hat ja gerade erst begonnen", betonte er. "Jetzt muss man abwarten, wie die nächste Abstimmung verlaufen wird. Und es wird auch abzuwarten sein, ob die EU weiter geschlossen hinter der Griechenland-Hilfe stehen wird. Die Lage in Griechenland ist unsäglich schwierig. Das ist nicht auf die Schnelle zu lösen."

Auch Rainer Sartoris von HSBC Trinkaus versuchte, überzogene Erwartungen an den Märkten zu dämpfen. "Die Absegnung des Sparpakets im Parlament ist ein kleiner, aber bedeutender Schritt, dass es in Sachen Griechenland-Rettung weitergeht. Nun kann man optimistisch sein, dass auch die morgen anstehende Abstimmung glatt läuft."

Dass weder der Dax noch der Euro große Sprünge machen, liege daran, dass das Ja zum Sparpaket bereits in den Kursen eingepreist gewesen sei. "Schon in den vergangenen Tagen hatte sich abgezeichnet, dass es für Griechenland offenbar doch noch Licht am Horizont gibt."

Quelle: ntv.de, rts

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