Ölpreis springt nach oben Streit unter Freunden lässt Ölmarkt beben
06.07.2021, 16:31 Uhr
Die Emirate haben kräftig in ihre Förderkapazität investiert, dürfen sie aber infolge der aktuellen OPEC+-Vereinbarung bei Weitem nicht ausschöpfen.
(Foto: REUTERS)
Vor nicht allzu langer Zeit waren die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien nahezu unzertrennliche Verbündete. Politisch und wirtschaftlich. Doch aus den Freunden sind Konkurrenten geworden, deren Streit den globalen Ölmarkt aus den Angeln zu heben droht.
Der saudische Energieminister Prinz Abdulaziz bin Salman spricht immer noch von "meinem Freund Suhail", wenn er über seinen Amtskollegen der Vereinigten Arabischen Emirate, Suhail al-Mazrouei, redet. Persönlich, so erzählte der Prinz vor wenigen Tagen Bloomberg TV, hätten die beiden allerdings seit Monaten überhaupt nicht mehr miteinander gesprochen. Stattdessen streiten die beiden "Freunde" in den Gremien der Ölkartells OPEC und zuletzt sogar öffentlich in den Medien über die Begrenzung beziehungsweise Ausweitung der Ölförderung und halten damit den Ölmarkt und indirekt die gesamte Weltwirtschaft in Atem.
Saudi-Arabien und mit ihm die meisten OPEC-Mitglieder sowie Russland sprechen sich für eine auf wenige Monate befristete Erhöhung der Ölförderung aus, um die zuletzt wieder gestiegene Nachfrage am Weltmarkt zu bedienen. Damit sind im Prinzip auch die Emirate einverstanden. Der den Ministern der Kartellmitglieder vorliegende Vorschlag sieht darüber hinaus aber eine unveränderte Verlängerung der bisherigen Beschränkungen vor. Das ist aus Sich al-Mazroueis ungerecht, denn die Emirate dürfen aktuell nur einen deutlich kleineren Teil ihrer Förderkapazitäten ausschöpfen als die meisten anderen OPEC-Länder und Russland. Neuverhandlungen über die den Förderquoten zugrundeliegenden Referenzwerte lehnen außer den Emiraten allerdings alle anderen strikt ab.
Der Streit zwischen Saudi-Arabien und den Emiraten ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Zum wiederholten Mal musste am Montagabend die entscheidende OPEC-Sitzung ergebnislos abgebrochen werden. Kommt es nicht zu einem Kompromiss, drohen zwei wirtschaftliche Extremszenarien: Entweder fällt das Kartell, und die im vergangenen Jahr nach einer dramatischen Ölschwemme mit Russland mühsam ausgehandelte Vereinbarung zur Begrenzung der Ölfördermengen ist dahin. Das würde wohl einen erneuten ruinösen Preiskampf zwischen den Ölexporteuren nach sich ziehen. Oder aber aus Angst vor einer neuen Ölschwemme bleiben die aktuellen angesichts der boomenden Weltwirtschaft extrem niedrigen Förderquoten unverändert in Kraft.
Ein Vorgeschmack darauf, was das bedeuten würde, ist bereits am Ölmarkt zu beobachten. Am Morgen sprangen die Ölpreise bereits auf den höchsten Stand seit rund drei Jahren. Einen weiteren Anstieg auf 100 oder sogar 150 Dollar pro Fass halten Beobachter für möglich, wenn die Förderländer die Produktion über längere Zeit nicht ausweiten. Da das die Weltwirtschaft erschüttern könnte, wäre ein solcher Anstieg auch Förderländern wie Saudi-Arabien und den Emiraten nicht recht.
Emiratis haben sich emanzipiert
Nicht nur der finanzielle Einsatz bei diesem Streit ums Öl ist hoch. Er geht mit einer persönlichen und politischen Entfremdung zwischen den Nachbarländern einher. Nicht nur die Minister Prinz Abdulaziz und al-Mazrouei galten als Freunde. Zwischen die De-facto-Herrscher der beiden Monarchien, die Kronprinzen Muhammad bin Salman aus Saudi-Arabien und Muhammad bin Zayed von Dubai passte lange kein Blatt. Vor einigen Jahren war sogar von einer möglichen politischen Union der Bruderstaaten die Rede.
Doch zuletzt haben sich die Emirate von der regionalen Führungsmacht Saudi-Arabien emanzipiert. Aus dem Krieg im Jemen stiegen sie schon Ende 2019 aus. Mit Israel nahmen die Emirate, ohne das mit Nachbarn abgestimmt zu haben, nicht nur diplomatische Beziehungen auf, sondern schlossen auch einen weitgehenden Handelspakt. Gleichzeitig investierte das Land stark in seine Ölindustrie und erweitere seine Förderkapazität und damit seine Wettbewerbsfähigkeit in einem möglichen Konkurrenzkampf gegen andere Produzenten erheblich.
Saudi-Arabien sah dieser Entwicklung nicht tatenlos zu. Unter anderem schrieb Ryadh allen Unternehmen, die im Land Geschäfte machen wollen, vor, ihre regionalen Zentralen - die bislang mit großer Mehrheit in den Emiraten saßen – nach Saudi-Arabien zu verlegen. Während sich der Konflikt in der OPEC zuspitzte, reagierte das Königreich mit weiteren Gegenmaßnahmen und kündigt etwa an, im Rahmen des Golf-Kooperationsrats vereinbarte Handelserleichterungen für die Emirate auszusetzen. Für Ärger in den Emiraten sorgte auch die saudische Entscheidung, Ein- und Ausreisen zwischen den Nachbarländern im Rahmen des Infektionsschutzes weitgehend einzuschränken. Selbst wenn die OPEC, wie viele Analysten glauben, in letzter Minute noch einen Kompromiss im Streit um die Förderquoten findet. Die alte Freundschaft zwischen Saudis und Emiratis wird wohl längerfristig beschädigt sein.
Quelle: ntv.de