"Nicht zu Lasten des Steuerzahlers" Stuttgart kauft EnBW-Aktien
06.12.2010, 14:50 Uhr
Stefan Mappus (links) spricht zur Presse: Rechts im Bild wartet Finanzminister Willi Stächele auf Fragen.
(Foto: dpa)
Vier Großkonzern dominieren den deutschen Energiemarkt: Bei einem davon steht ein tiefgreifender Wechsel bevor. Der französische Stromkonzern EDF will seine EnBW-Anteile komplett verkaufen. Das Land Baden-Württemberg versucht, den Einstieg fremder Investoren abzuwehren, und kratzt dafür fast fünf Milliarden Euro zusammen.
Der französische Energiekonzern Electricité de France (EDF) steigt bei der Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) aus. Das Land Baden-Württemberg will den Aktienanteil der Franzosen von 45,01 Prozent übergangsweise übernehmen. Bei EnBW am Sitz in Karlsruhe wollte man sich zunächst nicht dazu äußern. Der drittgrößte deutsche Energieversorger EnBW steht damit möglicherweise vor dem Sprung in die oberste Börsenliga.
Das Land Baden-Württemberg übernimmt das Aktienpaket aus den Beständen von EDF für fast fünf Milliarden Euro. Die Landesregierung in Stuttgart will die Anteile mittelfristig im Dax platzieren. "Unser Ziel ist, dass EnBW nach Daimler, HeildebergCement und SAP der vierte Dax-Konzern in Baden-Württemberg wird", kündigte Regierungschef Stefan Mappus (CDU) nach den überraschenden Ausstiegssplänen der Franzosen an.
EDF gibt seine EnBW-Beteiligung den Angaben zufolge komplett ab. Der künftige Anteil des Landes soll später in Streubesitz übergehen. Die Entscheidung über eine Aufnahme in den deutschen Leitindex liegt beim Arbeitskreis Indizes des Index-Anbieters Deutsche Börse.
Mit dem Milliardendeal wollte das Land nach Angaben von Mappus einer möglichen feindlichen Übernahme der Karlsruher vorbeugen. Die Aktionärsvereinbarung zwischen den beiden Anteilseignern wäre Ende 2011 ausgelaufen. "Eine Wechsel in der Eigentümerstruktur von EnBW war absehbar", teilte der CDU-Politiker mit. "In den nächsten Monaten hätten sich Unsicherheiten breitgemacht. Doch so weit wollten wir es nicht kommen lassen."
Milliarden aus dem BaWü-Bond
Ein weiterer Grund für den geplanten Ausstieg von EDF liegt angeblich darin, dass die EDF-Führung keine Möglichkeit mehr sah, die Mehrheit bei der EnBW AG zu übernehmen. Das Land Baden-Württemberg war bereits einmal Großaktionär bei dem Karlsruher Unternehmen: Anfang 2000 verkaufte das Land seinen Aktienanteil von zunächst 25,1 Prozent für damals rund 4,7 Mrd. D-Mark (etwa 2,4 Mrd. Euro) an EDF.

Steuerzentrale des Kernkraftwerks Philippsburg: Der Ausstieg der Franzosen berührt die Stromerzeugung nicht im Geringsten.
(Foto: picture alliance / dpa)
Für das nun zum Verkauf stehende Aktienpaket mit 45,1 Prozent der Anteile an EnBW wird das Land rund 4,67 Mrd. Euro ausgeben. Finanziert werden soll die Übernahme der Aktien aus den EDF-Beständen durch eine "Baden-Württemberg-Anleihe". Die Zinskosten sollen durch die zu erwartenden Dividenden der EnBw beglichen werden. Mappus versicherte, dass der Aktienankauf kein finanzpolitischer Husarenritt sei: "Der Kauf wird nicht zu Lasten des Steuerzahlers gehen. Wir haben uns zudem auf einen ausgesprochen fairen Preis geeinigt", betonte der CDU-Politiker.
Die Kommunen bleiben drin
Der Kaufvertrag mit den Franzosen wurde über die hundertprozentige Landestochter Neckarpri geschlossen. Die Kartellbehörden müssen noch grünes Licht geben. Zweiter Hauptanteilseigner bleibt mit einem Anteil von ebenfalls 45,01 Prozent der Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW), ein Zusammenschluss oberschwäbischer Kommunen. "OEW wird weiterhin Kernaktionär bleiben und im Rahmen des freiwilligen Übernahmeangebotes keine Aktien an das Land verkaufen", erklärte der Regierungschef. Das bestätigte auch der OEW-Verbandsvorsitzende Kurt Widmaier.
Die Entscheidung hatte zu Wochenbeginn für Hektik in politischen Kreisen gesorgt. Sowohl die CDU- als auch die FDP-Fraktion im baden-württembergischen Landtag berieten in Sondersitzungen über den Aktienkauf. EDF war vor zehn Jahren bei EnBW eingestiegen.
Die EnBW-Aktien waren zeitweise vom Handel ausgesetzt. Als Auslöser der Sicherungsmaßnahme wurde auf den EDF-Ausstieg verwiesen. Zugleich wurde mitgeteilt, dass das Land Baden-Württemberg 45 prozent an EnBW übernehmen will und dafür 41,50 Euro je Aktie bezahlt. Das Angebot gilt demnach für alle Aktionäre. Die EnBW-Aktie lag vor der Aussetzung des Handels mit 2,2 Prozent im Plus bei 35,77 Euro. Nachdem der Handel wieder freigegeben war, reagierten die Anleger sehr positiv auf den Großaktionärswechsel: Die EnBW-Papiere stiegen zeitweise um 17 Prozent.
Quelle: ntv.de, AFP/DJ/dpa/rts