Hochzeit der Kulturen Telekom im Schmelztiegel
19.11.2009, 14:14 UhrDie Deutsche Telekom legt Festnetz und Mobilfunk zusammen. Was wie eine alltägliche Entscheidung klingt, ist der Versuch, zwei Kulturen miteinander zu verschmelzen.
Auf der eigens einberufenen außerordentlichen Hauptversammlung haben die anwesenden Aktionäre der Deutschen Telekom die Zusammenlegung von Mobilfunk und Festnetz abgesegnet. Einen anderen Tagesordnungspunkt gab es nicht. Die Anteilseigner hätten sich mit 99,95 Prozent für die Zusammenlegung ausgesprochen, sagte ein Konzernsprecher. Formal soll das Festnetzgeschäft aus der Telekom AG ausgegliedert und auf die T-Mobile Deutschland GmbH verschmolzen werden.
Das Unternehmen erwartet von der Zusammenlegung von Mobilfunk und Festnetz in Deutschland mittelfristig einen hohen Gewinnbeitrag. Insgesamt beliefen sich die Ergebniseffekte auf 600 Mio. Euro jährlich, hieß es in Hannover. Die Telekom hatte die Pläne bereits im Februar angekündigt. Die Integration der Geschäftsbereiche ist eine Fortführung der Zusammenlegung von Verkauf und Kundendienst der Mobilfunktochter T-Mobile und der Festnetzsparte T-Home in Deutschland, die bereits Ende 2006 mit dem Amtsantritt von Konzernchef Rene Obermann erfolgt war. Auch andere Konzerne reagieren mit kombinierten Angeboten und einer Integration auf das Zusammenwachsen von Festnetz und Mobilfunk.
Die neue Gesellschaft mit knapp 85.000 Mitarbeitern ist verantwortlich für derzeit fast 27 Mio. Festnetz- und mehr als 39 Mio. Mobilfunkanschlüsse. Der Gesamtumsatz betrug 2008 rund 26 Mrd. Euro, der operative Gewinn rund zehn Milliarden Euro. Nach Zustimmung und Eintragung ins Handelregister könnte die neue Gesellschaft, die "Telekom Deutschland GmbH" heißen soll, im ersten Halbjahr 2010 starten, sagte Obermann vor den Anteilseignern. Ihr zugeordnet werden soll auch das Webhosting-Unternehmen Strato, das die Telekom für 275 Mio. Euro vom Mobilfunkdienstleister Freenet übernimmt und damit zur Nummer zwei am Markt aufsteigt.
Mit der Integration von Mobilfunk und Festnetz reagiert der Konzern auf die Herausforderungen der Branche. Die Telekomunternehmen kämpfen vor allem im klassischen Sprachgeschäft mit sinkenden Umsätzen. Von der Zusammenlegung erhofft sich die Telekom eine bessere Kundenbindung und höhere Umsätze. Die Bonner folgen mit der Verschmelzung dem Beispiel anderer europäischer Konzerne wie France Télécom oder Swisscom.
  Zwei Postreformen waren nötig, um aus der Deutschen Bundespost die Deutsche Telekom, die Deutsche Postbank und die Deutsche Post zu formen.
(Foto: picture-alliance / dpa)
Die hohen Personalkosten machen dem Konzern schon länger schwer zu schaffen. Als ehemaliger Staatsbetrieb muss das Unternehmen vor allem in der Festnetzssparte noch zahlreiche Beamte versorgen. Ihre Konditionen stammen noch aus der Zeit vor der Privatisierung. Der weitaus größte Teil dieser Beschäftigten arbeitet in den alten Bundesländern. Bereits im vergangenen Jahr hatte der Konzern versucht, mehrere tausend Beamte in den öffentlichen Sektor zu vermitteln. Zeitweise beschäftigte die Telekom nach eigenen Angaben drei Mal so viele Mitarbeiter wie die gesamte Konkurrenz.
Für die in den Reihen der Telekom verbliebenen Ex-Post-Beamten hat sich mit der Privatisierung vieles verändert. Schmerzhaft genug erschien es schon für viele, dass sie die einst hoheitlichen Vorrechte der früheren Bundespost aufgeben mussten. In den neunziger Jahren sorgten dann die Mobilfunker für Unruhe.
In der früher eher stillen Welt des Staatskonzerns brachte die neue Sparte einiges durcheinander. Plötzlich gab es nicht nur draußen, sondern auch im eigenen Haus Konkurrenz um Geld, Zuwendung und Aufmerksamkeit. Das Mobilfunkgeschäft gewann rasch an Bedeutung. Das traditionelle Festnetzgeschäft fiel immer weiter zurück. Mit der organisatorischen Aufteilung in zwei Sparten war auch die betriebspsychologische Spaltung zementiert.
Zurück ins Jahr 2009
  Nick Jan van Damme (ganz rechts) mit Telekom-Chef Rene Obermann vor Beginn des Aktionärstreffens in Hannover.
(Foto: dpa)
Der neue Telekom-Vorstand für das Deutschlandgeschäft, Niek van Damme, will bei der Verschmelzung der Sparten T-Home und T-Mobile keine Zeit verlieren. "Ich habe Erfahrung mit Integration. Wir brauchen da Tempo", sagte van Damme bei seinem ersten Auftritt im Sommer 2009. Der Niederländer verantwortete zuvor nur das Mobilfunkgeschäft der Deutschen Telekom.
Nach Angaben von van Damme handelt sich bei dem Umbau nicht um ein Kostenprogramm. Die rund 85.000 Stellen bei T-Mobile und T-Home in Deutschland sollen nach seiner Darstellung auch nach der Zusammenlegung erhalten bleiben. Grundsätzlich hat sich die Telekom bereits im Februar mit den Arbeitnehmern auf den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen im Rahmen der Verschmelzung geeinigt. Bei Tarifverträgen darf es Anpassungen geben, das Gehalt darf sich aber im Schnitt nicht verschlechtern.
Laut van Damme geht es bei der Verschmelzung eher darum, zusätzliche Potenziale im Vertrieb und Kundenservice zu schöpfen, sagte er. In Deutschland seien 29 Millionen Haushalte bereits Kunde des Bonner Konzerns, davon nutzten erst 22 Prozent sowohl Festnetz als auch Mobilfunk über die Telekom, erklärte er.
Wenn sich nur ein zusätzliches Prozent der Kunden für ein integriertes Produkt aus Festnetz- und Mobilfunk interessiere, ergebe das ein Umsatzplus im dreistelligen Millionenbereich, rechnete van Damme vor. Damit sei aber noch nicht im kommenden Jahr zu rechnen.
Zwischen Konkurrenz und Reglement
Die Telekombranche in Deutschland kämpft seit Jahren mit Umsatzproblemen. "Der Markt wächst nicht mehr, zum einen wegen der Regulierung, aber auch wegen des Wettbewerbs", sagte van Damme. Sowohl im Breitband- als auch im Mobilfunkgeschäft sind die Bonner in Deutschland zwar Marktführer. Neben anderen Telekomanbietern drängten in letzter Zeit aber auch Kabelnetzbetreiber ins Geschäft mit Telefon- und Internetanschlüssen.
Im klassischen Geschäft mit Telefonanschlüssen rechnet van Damme noch in den kommenden drei bis vier Jahren mit einem Rückgang der Kundenzahl. Der Trend nach unten verlangsame sich aber zunehmend. Auch das Triple-Play-Vorzeigeprodukt "Entertain", das Internet, Telefon und Fernsehen vereint, läuft nicht richtig. Bislang hat die Telekom 700.000 Entertain-Kunden - bis Ende 2009 sollen eine Millionen Kunden das Produkt nutzen, mit dem bislang das glasfaserbasierte schnelle Internet VDSL vermarktet wird.
Partner für die Infrastruktur
Um ihre Glasfaserleitungen besser auszulasten, hat die Telekom das Netz für Wettbewerber geöffnet. Ein Vertrag mit Vodafone wurde im Juli 2009 unterschrieben. Der britische Mobilfunkkonzern vermarktet damit in Deutschland erstmals ein Produkt seines schärfsten Konkurrenten als Wiederverkäufer. Auch beim Ausbau der Breitbandnetze suchen die Bonner weiter nach Partnern. "Wir wissen, dass wir den Glasfaserausbau nicht allein schaffen können", sagte van Damme.
Mit Blick auf die Breitbandstrategie der Bundesregierung warnte er: "So wie wir jetzt ausbauen, werden wir das Ziel 2010 nicht erreichen." Die Bundesregierung will bis Ende kommenden Jahres alle Haushalte in Deutschland mit Bandbreiten von einem Megabit je Sekunde versorgen. Es brauche Standardlösungen, so dass nicht in jeder Stadt auf einer anderen technischen Plattform gearbeitet werde, sagte van Damme.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa