Aufholjagd in der Boom-Region Toyota erinnert sich an Südamerika
27.08.2013, 10:24 Uhr
Soll zum Gewinn von Marktanteilen beitragen: Der Toyota Etios.
(Foto: REUTERS)
Vor 55 Jahren beginnt Toyota in Brasilien und damit erstmals außerhalb Japans mit der Produktion von Autos. Doch in den folgenden Jahrzehnten vernachlässigt das Unternehmen den südamerikanischen Markt. Dieser wächst jedoch und rangiert inzwischen weltweit auf Rang vier. Nun versucht der größte Autobauer, dort erneut Fuß zu fassen - und so Schwächen in anderen Regionen auszugleichen.
Toyota will in Südamerika verlorenes Terrain aufholen. Jahrzehntelang hatte der japanische Autobauer die Region vernachlässigt. Nun ist der weltgrößte Autohersteller auf dem boomenden Markt klar im Nachteil gegenüber der Konkurrenz. Auf dem weltweit viertgrößten Automarkt Brasilien schaffen es die Japaner nicht einmal unter die fünf größten Hersteller.
Doch Toyota will nun mehr Ressourcen in die Region stecken. Es gibt erste Anzeichen, dass der Konzern dank der Neuordnung seiner Managementstruktur in Übersee flexibler mit dem Modellprogramm auf lokale Bedürfnisse reagieren kann. Das ist wichtig bei der Expansion. "Wir spielen Fangen, aber wir holen rasch auf", sagte Steve St. Angelo, Chef von Toyotas Geschäft in Lateinamerika und der Karibik, dem "Wall Street Journal". Das Unternehmen habe "jetzt die Ressourcen, der Region die Beachtung zu geben, die sie wirklich braucht und verdient".
Japaner wollen in Region Nummer vier werden
In Brasilien hatte Toyota 1958 sein allererstes Werk außerhalb Japans gebaut. Ein halbes Jahrhundert später ist das Geschäft dort jedoch erlahmt, der Konzern konzentriert seine Ressourcen auf andere, robustere Märkte wie die USA, China und Japan. Der Marktanteil in Brasilien lag in den ersten sieben Monaten des Jahres bei rund 4,5 Prozent. Damit rangiert Toyota an sechster Stelle, weit hinter Fiat, Volkswagen und General Motors, die zusammen einen Anteil von rund 60 Prozent am brasilianischen Automarkt halten. Für St. Angelo ist es "ein vernünftiges Ziel", dass Toyota bis zum Ende des Jahrzehnts zu den vier größten Autoherstellern in Südamerika gehört.
Die lokale Produktion hat Toyota in diesem Jahr bereits fast verdoppelt, nachdem der Konzern im vergangenen September eine 600 Millionen US-Dollar teure Fabrik eröffnet hat. Derzeit investiert er eine weitere Milliarde brasilianische Real - gut 314 Millionen Euro - in den Bau eines Motorenwerkes, das in der zweiten Jahreshälfte 2015 den Betrieb aufnehmen soll.
Deutliches Absatzplus
Im vergangenen Jahr hatte Toyota in Südamerika 321.000 Fahrzeuge verkauft - ein Bruchteil des Marktes, dessen Volumen sich seit 2005 auf 6,12 Millionen Fahrzeuge verdoppelt hat. Doch in Brasilien ist der Absatz in den ersten sieben Monaten 2013 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sprunghaft gestiegen: um 75 Prozent auf 97.957 Fahrzeuge. Das verdankt Toyota hauptsächlich der Markteinführung des Etios, einem Kleinwagen, der in dem neuen Werk in Sorocaba gebaut und seit dem vergangenen September verkauft wird.
Mit dem Etios füllt Toyota eine Lücke in der begrenzten Modellpalette für Südamerika. Vor seiner Markteinführung fielen nur neun Prozent der lokalen Produktion in die wichtige Kleinwagen-Kategorie, die rund ein Drittel des Autoabsatzes in der Region ausmacht. Toyotas Marktanteil in dem Segment lag 2010 bei gerade mal 1,2 Prozent.
Dass Toyota in Südamerika angreifen will, darauf deutet auch die Berufung von Mark Hogan in das Board hin. Der ehemalige GM-Manager hat in den 1990er Jahren in Brasilien gearbeitet. Toyota-Präsident Akio Toyoda hat Hogan ausdrücklich damit beauftragt, den Konzern bei den Geschäften in Südamerika mit zu beraten.
Toyota will Absatzdellen ausgleichen
"Brasilien war für Toyota fast ein Wegwerfmarkt, die Manager machten sich nicht einmal die Mühe, ihn zu besuchen", sagt Takaki Nakanishi, Gründer des Nakanishi Research Institute, das sich auf Marktforschung in der Autobranche spezialisiert hat. "Aber jetzt ist der Markt für sie strategisch sehr wichtig geworden." Denn die jüngsten Probleme in den zwei größten Automärkten der Welt hätten Toyota gezeigt, wie wichtig es ist, zum Ausgleich solcher Schwächen in Schwellenländern mehr zu investieren. Umfangreiche Rückrufaktionen in den USA 2009 und 2010 beeinträchtigten die Verkaufszahlen von Toyota in den USA, während politische Spannungen zwischen Japan und China im vergangenen Jahr zu einer großen Absatzdelle im nach Absatz größten Automarkt China geführt hatten.
Laut Nakanishi dürfte es Toyota aber schwerfallen, in Südamerika mit Platzhirschen wie Fiat, Volkswagen und GM zu konkurrieren. Denn diese hätten über viele Jahre hinweg die Grundlage für ihre Lieferketten geschaffen. Das sei aber wichtig, um in Brasiliens Automarkt vorzudringen, wo der Bau und Vertrieb von preiswerten Autos teuer sei.
St. Angelo kündigte an, dass Toyota als Nächstes das Portfolio an Einstiegswagen verbreitern und kundenspezifische Varianten des Etios anbieten werde, beispielsweise eine sportlichere oder familienfreundlichere Version. Abhängig von der Marktreaktion werde Toyota den Bau weiterer Werke oder den Ausbau der bestehenden Kapazität in Erwägung ziehen. Gleichzeitig solle aber die Hyperexpansion vermieden werden, durch die Toyota auf der Höhe der globalen Rezession besonders anfällig war. "Ich will niemals dafür kritisiert werden, dass wir zu schnell gewachsen sind. Die Kunden werden bestimmen, wie schnell wir wachsen", sagte der Manager.
Quelle: ntv.de, jwu/DJ