Defizitsünder unter Druck Trichet droht Athen
23.01.2010, 09:29 UhrAngesichts der zerrütten griechischen Staatsfinanzen droht EZB-Chef Trichet der Regierung in Athen und anderen Defizit- Sündern mit schärferen Kontrollen. Jedes Land sei es seinen Partnern im Euroraum schuldig, sich solide zu verhalten und seine Ungleichgewichte zu korrigieren.
EZB-Präsident Jean-Claude Trichet hat Griechenland und andere Defizitsünder zur Konsolidierung ihrer Haushalte aufgefordert. Diese Länder müssten alles daran setzen, um ihre Staatsfinanzen wieder in Ordnung zu bringen, sagte Trichet dem "Focus". "Nie wieder werden wir Haushaltszahlen akzeptieren, die nicht den Tatsachen entsprechen", drohte Trichet mit Blick auf die manipulierten Statistiken aus Griechenland. Die Europäische Zentralbank werde diesbezüglich äußerst wachsam sein, kündigte Trichet an. "Angemessene Prüfungen müssen immer möglich sein." Jedes Land sei es seinen Partnern im Euroraum schuldig, sich solide zu verhalten und seine Ungleichgewichte zu korrigieren.
Größter Defizitsünder der EU
Griechenland war vor Weihnachten von einer schweren Finanzkrise erschüttert worden und steht wegen der Stabilität des Euro seit Anfang Dezember auch unter verstärkter Aufsicht der EU. Die Neuverschuldung des Landes stieg im Krisenjahr 2009 auf 12,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Die EU-Kommission erhob zudem schwere Vorwürfe gegen Athen: Zahlen zur Wirtschaftsentwicklung aus Griechenland seien "unzuverlässig" und generell mangele es den Haushaltsstatistiken aus Athen an Qualität. Die Regierung von Ministerpräsident Giorgos Papandreou hat angekündigt, es mit harten Einsparungen bis 2012 auf unter drei Prozent zu drücken, um dann die EU-Obergrenze wieder einzuhalten.
EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark forderte in der "Welt am Sonntag" von Griechenland eine grundlegende Umkehr in der Wirtschaftspolitik. "Die Währungsunion ist eine Schicksalsgemeinschaft. Wer sich nicht an die Regeln hält, handelt unsolidarisch, unverantwortlich und schadet dem Euro." Stark räumte jedoch zugleich ein: "Leider müssen wir aber auch eingestehen: Der Überwachungsmechanismus hat in den vergangenen Jahren nicht immer so funktioniert, wie das wünschenswert gewesen wäre." Rettungsaktionen für den Defizitsünder Griechenland erteilte Stark erneut eine Absage. Trichet hatte bereits Mitte Januar klargestellt, dass die Griechen nicht auf eine Vorzugsbehandlung durch die EZB hoffen können.
Trichet will wachsam sein
Mit Blick auf die zukünftige Geldpolitik der EZB und der US-Notenbank Fed sagte Trichet: "Wir haben alle unsere eigenen Zuständigkeiten, die zum selben Zeitpunkt nicht dieselben Entscheidungen erfordern." Trichet deutete damit an, dass die EZB bei einer Bedrohung der Preisstabilität auch im Alleingang die Zinsen erhöhen könnte - also ohne die US-Notenbank Fed. In früheren Äußerungen hatte Trichet noch stets betont, er vertraue darauf, dass bei möglichen Zinserhöhungen auch auf der anderen Seite des Atlantiks gehandelt werde.
Trotz der derzeit niedrigen Inflation in der Euro-Zone kündigte Trichet äußerste Wachsamkeit der EZB an: "Wir befinden uns in ständiger Alarmbereitschaft. Eine Zentralbank darf sich nie selbstgefällig zurücklehnen."
Sehr zurückhaltend äußerte sich Trichet zu den möglichen neuen Euro-Ländern Bulgarien und Rumänien. Ein Beitritt sei zwar denkbar, "aber erst, wenn die Zeit reif ist". Die strengen Beitrittskriterien müssten nicht nur zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern auf Dauer erfüllt werden.
Quelle: ntv.de, rts/dpa/AFP