EZB-Zinserhöhungen Vorsichtig und kleine Schritte
13.01.2010, 14:10 UhrWann beginnt die EZB mit ihrem Zinserhöhungszyklus? Das fragen sich nicht nur Finanzmarktexperten - und streiten über den richtigen Zeitpunkt.
Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) dürfte bei seinen geldpolitischen Beratungen keinen Grund für eine Änderung des geldpolitischen Kurses oder des absehbaren Rückzugs aus den Maßnahmen zur erhöhten Kreditversorgung der Banken sehen. Die seit der vorherigen Ratssitzung veröffentlichten Konjunkturdaten geben kaum Anlass für allzu großen Optimismus, während sich die mittelfristigen Inflationsrisiken sogar noch verringert zu haben scheinen.
Wie die Anfang Januar unter 48 Ökonomen angestellte Umfrage ergab, rechnen diese für die nächsten drei Quartale überwiegend mit einem konstanten Hauprefinanzierungssatz.
Stabil bis ins dritte Quartal
Dabei hat sich die Zahl jener Experten, die für Ende des dritten oder gar schon des zweiten Quartals einen ersten Leitzinsschritt erwarten, weiter verringert. Inzwischen rechnen 29 Ökonomen damit, dass der Leitzins auch Ende des dritten Quartals noch auf dem aktuellen Allzeittief von 1,00 Prozent liegen wird. Im Dezember waren es 28 gewesen und im November 23. Umgekehrt prognostizieren nur noch 15 Volkswirte für Ende des dritten Quartals einen höheren Leitzins, während es im Dezember 17 und im November 22 gewesen waren.
Für die anstehende Zinsentscheidung besteht Einigkeit: Alle 48 Befragten sagen eine Bestätigung des Leitzinsniveaus von 1,0 Prozent voraus.
Folker Hellmeyer von der Bremer Landesbank ist erneut der einzige Experte, der bereits für das erste Quartal 2010 eine Zinsanhebung (auf 1,25 Prozent) erwartet. "Die konjunkturelle Erholung setzt sich fort und verstärkt sich im ersten Quartal 2010", sagt er. Wegen steigender Rohstoffpreise werde die Inflation im ersten Quartal deutlich zulegen und die EZB zum Beginn des Zinserhöhungszyklus treiben, der sich im Laufe des Jahres sukzessive fortsetzen werde. Hellmeyer sieht den Hauptrefinanzierungssatz Ende des dritten Quartals 2010 bereits bei 1,75 Prozent.
Die gegenteilige Meinung - und damit die Mehrheit - vertritt Thomas Herrmann von Credit Suisse. Er erwartet, dass die EZB zunächst die Tagesgeldzinsen in Richtung des Leitzinses konvergieren lassen wird, ehe sie den Leitzins anhebt. Wegen des Prinzips der Vollzuteilung liege der Marktzins gegenwärtig aber rund 70 Basispunkte unterhalb des Leitzinses. "Eine Reduktion der Überschussliquidität dürfte zu einer Konvergenz zwischen Leitzins und Tagesgeldzinsen führen", so Herrmann.
Liquidität dürfte sinken
Erstmals deutlich sinken dürfte die Liquidität des Finanzsystems ab Juni, wenn das erste, und mit 442 Mrd. Euro mit Abstand größte, einjährige Refinanzierungsgeschäft der EZB ausläuft. Im März soll bereits das letzte halbjährige Geschäft begeben werden.
Jens Kramer von der NordLB gehört zur schwindenden Zahl jener Volkswirte, die den EZB-Leitzins am Ende des dritten Quartal immerhin bei 1,25 Prozent sehen. Er argumentiert damit, dass sich die Konjunktur stabilisiere. Folglich dürften die Banken weniger Probleme haben und die Inflationsrate in Richtung 2 Prozent anziehen. Die EZB ist auf eine Gewährleistung von Preisstabilität verpflichtet, die sie bei einer Jahresinflationsrate von unter, aber nahe 2 Prozent gegeben sieht.
Bescheidenes Wirtschaftswachstum
Basis der neuen Zinsprognosen sind die von den Ökonomen gegenüber der Dezember-Umfrage moderat geänderten Inflations- und Wachstumsprognosen. So wird für 2009 in der Eurozone weiterhin ein durchschnittlicher Anstieg der Verbraucherpreise um 0,3 Prozent vorhergesagt, 2010 wird unverändert eine Teuerung von 1,2 Prozent gesehen. Zugleich rechnen die Experten für dieses Jahr mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 3,9 Prozent (zuvor: 3,8 Prozent), während sie für 2010 ein Wachstum von 1,3 Prozent (plus 1,2 Prozent) sehen. Damit hat sich die Wachstumserwartung für 2010 zum zweiten Mal in Folge leicht verbessert.
Auch die Prognosen für die mittelfristige Entwicklung des Euro-Dollar-Kurses haben sich nicht besonders deutlich geändert: So sehen die Befragten den Euro auf Sicht von drei Monaten bei 1,45 (1,49) Dollar, auf Sicht von sechs und zwölf Monaten werden Kurse von 1,45 (1,45) bzw. 1,42 (1,42) Dollar genannt. Aktuell notiert die Gemeinschaftswährung bei 1,45 Dollar. Für die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen werden auf Sicht von drei, sechs und zwölf Monaten 3,40 Prozent (3,40 Prozent), 3,60 Prozent (3,60 Prozent) und 3,80 Prozent (3,80 Prozent) erwartet.
Quelle: ntv.de, DJ