Zinsen senken oder abwarten? Währungshüter beraten mit Draghi
08.05.2014, 10:55 Uhr
Chef auf Dienstreise: Die neue Zentrale der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main wollen die Währungshüter Ende des Jahres beziehen.
(Foto: AP)
Es ist die wichtigste Weichenstellung des Tages: Bei einem auswärtigen Treffen in Brüssel entscheiden Europas oberste Währungshüter, ob der für alle Geldgeschäfte im Euroraum maßgebliche Leitzins unverändert bleibt - oder doch weiter absinken muss.
Der EZB-Rat hat am Morgen in Brüssel turnusmäßig mit den Beratungen über seinen weiteren geldpolitischen Kurs begonnen. Die meisten Experten rechnen nicht damit, dass die Europäische Zentralbank (EZB) dem anhaltenden Druck aus Frankreich, seitens des IWF oder der OECD nachgibt und die Geldpolitik weiter lockert.
EZB-Präsident Mario Draghi wird die Gründe für den nach Markterwartungen wahrscheinlichen Beschluss, den Leitzins bei rekordniedrigen 0,25 Prozent zu belassen, wie üblich um 14.30 Uhr (MESZ) vor der Presse erläutern. Die Notenbanker treffen sich diesmal nicht am Sitz der Zentralbank in Frankfurt, sondern in Brüssel: Unter den Währungshütern gilt die Vereinbarung, ihre monatlichen Zins-Sitzungen zweimal im Jahr an einem anderen Ort als dem deutschen Finanzplatz Frankfurt abzuhalten. Die symbolische Geste soll die Vielfalt der Handelsmetropolen innerhalb des Währungsgebiets unterstreichen. Dieses Mal ist die belgische Hauptstadt an der Reihe.
Analysten sehen den Hauptgrund für die abwartende Haltung der Notenbank darin, dass die Teuerung in den 18 Euro-Ländern zuletzt wieder etwas angezogen hat und in einem Monat neue Prognosen der EZB-eigenen Ökonomen für die Entwicklung der Inflation auf mittlere Sicht anstehen. Sollte diese Prognose die Erwartungen der Währungshüter enttäuschen und doch die Gefahr anzeigen, dass die Eurozone in eine gefährliche Spirale aus fallenden Preisen, fallenden Löhnen und sinkendem Verbrauch abzugleiten droht, dürften sie handeln.
Das Gros der Beobachter erwartet, dass Draghi die Hoffnung an den Finanzmärkten weiter anfachen will, dass die Zentralbank bei Bedarf auch vor dem Einsatz schwerer Geschütze nicht zurückscheut. Die möglichen Instrumente reichen dabei von weiteren marginalen Zinssenkungen bis hin zu massiven Wertpapierkäufen nach Vorbild der US-Notenbank Federal Reserve (Fed).
Kaufprogramm à la Fed?
Die Industriestaatenorganisation OECD hatte der EZB erst vor wenigen Tagen angesichts niedriger Teuerungsraten nahegelegt, der nach wie vor schwachen Konjunktur in den Euro-Ländern und der hohen Arbeitslosigkeit in vielen Krisenländern entschiedener entgegenzutreten. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) fordert seit längerer Zeit energischere Schritte von Draghi.
Unterstützende Argumente kommen aus Fachkreisen: Die Brüsseler Denkfabrik Breugel zum Beispiel rechnete erst kürzlich vor, dass monatliche Aufkäufe von Staatsanleihen und privaten Wertpapieren im Volumen von 35 Milliarden Euro ausreichen könnten, um die Teuerung um bis zu 1 Prozentpunkt anzuheben und damit die Konjunktur zu stützen.
Auch innerhalb der EZB steigt der Druck, zu solchen eher unkonventionellen Maßnahmen zu greifen. Allerdings scheint die Mehrheit des EZB-Rats noch abwarten zu wollen. Der Einstieg in Wertpapierkäufe dürfte die Debatte um die Grenzen des Zentralbankmandats neu anheizen. Das Vorgehen gilt nicht nur unter Ökonomen als umstritten.
Große Sorge: Wechselkurse
Allen Notenbankern ein Dorn im Auge ist der seit Monaten am Devisenmarkt aufwertende Euro. Eine starke Währung verteuert die innerhalb der Eurozone produzierten Waren und drosselt die Exportwirtschaft. Bislang ist es Draghi & Co. trotz zahlreicher verbaler Interventionen nicht gelungen, diesen Trend nachhaltig zu stoppen.
Ein zu starker Euro kostet nicht nur die europäischen und vor allem deutschen Exporteure viel Geld, sondern drückt indirekt über fallende Importpreise das Preisniveau in der Eurozone. In Zeiten, in denen die Teuerung mit zuletzt 0,7 Prozent weit entfernt ist von der EZB-Zielmarke von knapp unter zwei Prozent ist dies alles andere als erwünscht - in Brüssel ebenso wie im Frankfurter Euro Tower.
Quelle: ntv.de, mmo/rts