Inflation und Leitzins (Wann) wird die EZB nervös?
31.01.2011, 13:32 UhrZwei Jahre ist es still um das Schreckgespenst der Notenbanker. Nun kehrt das Thema Inflation in deren Wortschatz zurück. Aber was bringt eine Zinserhöhung und vor allem, wann soll sie erfolgen?
Soviel ist schon heute klar: Die Europäische Zentralbank (EZB) wird ihren Leitzins nicht am Donnerstag erhöhen. Doch wie lange die Frankfurter Notenbanker den Geschäftsbanken in den 17 Ländern der Währungsunion noch Geld zum Niedrigstzins von einem Prozent geben, ist so unklar wie lange nicht mehr.
Seit sich das Schreckgespenst der Währungshüter, die Inflation, nach krisenbedingter zweijähriger Pause zurückgemeldet hat, ist in der Welt der Euro-Geldpolitik nichts mehr so wie es noch vor kurzem schien - erst recht, nachdem EZB-Präsident Jean-Claude Trichet Mitte Januar mit einem Paukenschlag die Spekulationen auf eine frühere Zinserhöhung als bislang erwartet angeheizt hat.
Zinsschritt muss wohlüberlegt sein
Am 13. Januar erwischte Trichet sein Publikum auf dem völlig falschen Fuß, als er erklärte, der Leitzins sei "noch angemessen", auf kurze Sicht drohe aber ein steigender Teuerungsdruck, dem sich die EZB falls nötig entgegenstemmen werde. Mit anderen Worten: Die Notenbanker haben begonnen, ihre in der Krise beiseite gelegte, aber eigentlich wirkungsvollste Waffe wieder zu schärfen. Doch der Leitzins ist ein zweischneidiges Schwert im wahrsten Sinn des Wortes. Eine Zinserhöhung kann zwar die Teuerung eindämmen, doch zugleich auch das Wirtschaftswachstum abwürgen.
Lässt man Europas derzeitige Konjunkturlokomotive Deutschland außer Acht, ist das Wachstum jedoch in vielen Euro-Ländern und vor allem in den überschuldeten Staaten noch ein ganzes Stück vom Vorkrisenniveau entfernt. Zudem sind weiter viele Banken von der billigen Refinanzierung durch die Notenbank abhängig und können Zinserhöhungen womöglich nicht verkraften.
"Beißen und nicht nur bellen"
Weder Trichet noch andere Top-Notenbanker wie der deutsche EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark, sein italienischer Kollege Lorenzo Bini Smaghi im EZB-Direktorium oder Bundesbank-Chef Axel Weber wollen zwar schnell an der Zinsschraube drehen. Doch sie werden nicht müde, über die Gefahren der vom Weltmarkt auf die Euro-Zone überschwappenden Teuerung von Energie und Lebensmitteln zu reden - immer mit dem Zusatz: Wahrscheinlich beruhigt sich die Lage bereits vor dem Sommer wieder.
Und wenn nicht? Könnte der Fall eintreten, dass die Notenbanker bei einem länger andauernden und höheren Anstieg der Teuerung in den nächsten Monaten doch die Nerven verlieren? Und wenn ja, wann? EZB- und Geldpolitik-Experte Michael Schubert von der Commerzbank versucht eine Antwort: "Trichet war nach der Zinsentscheidung im Januar so deutlich und hat sich bei der Pressekonferenz nach der Ratssitzung gleich drei Mal auf die letzte, ebenfalls mit der Teuerung bei Energie und Lebensmitteln begründeten Zinserhöhung im Juli 2008 bezogen. Dann muss man, wenn man irgendwann zu der Einschätzung gelangt, dass Gefahr für die längerfristigen Inflationserwartungen droht, auch beißen und nicht nur bellen!"
Restrisiko bleibt
Schubert glaubt zwar so gut wie alle von Reuters zuletzt befragten Ökonomen nicht daran, dass die EZB sich vor Ende des Jahres substanziell bewegt. Doch ein Restrisiko bleibt. Für die Analysten der Deutschen Bank Grund genug, ihre Prognosen deutlich zu ändern. Sie rechnen nun bereits im zweiten Quartal mit einem ersten Zinsschritt. Als Argument dafür dient nicht nur Trichets Rhetorik, sondern auch die Inflationsprognose von Chefvolkswirt Thomas Mayer. Er hält vier Prozent Teuerung für möglich.
Auch Postbank-Chefökonom Marco Bargel kann sich gut vorstellen, dass Ungemach drohen könnte. "Mittlerweile bewegen sich die deutschen Importpreise um zwölf Prozent über dem Vorjahresniveau. Nicht einmal 2008, als es zum Teil zu noch stärkeren Anstiegen bei einigen Rohstoffpreisen kam, wurde eine solche Steigerungsrate bei den Importpreisen erreicht", sagt er.
Stichhaltiges Gegenargument
Irgendwann wird die EZB gegenhalten müssen und auch wollen, denn trotz Schuldenkrise und anhaltender Bankenprobleme hat die Notenbank den Auftrag für stabile Preise zu sorgen. Darauf weist Trichet auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit gerne und ausführlich hin: "Unser Kompass hat eine einzige Nadel: Preisstabilität." Die EZB hält sie für gegeben, wenn der Anstieg der Verbraucherpreise knapp unter zwei Prozent liegt. Da schmerzt ein Plus von 2,2 Prozent im Dezember auf europäischer Ebene - und ein unter anderem von Bundesbank-Chef Weber erwartetes Plus von 2,4 Prozent im März wahrscheinlich dann noch viel mehr.
Doch just vor der nächsten mit Spannung erwarteten zweiten Sitzung des EZB-Rats lieferte die Zentralbank am Freitag selbst ein stichhaltiges Gegenargument für Zinserhöhungen: Die für ihre Geldpolitik wichtige Geldmenge M3 expandierte im Dezember lediglich um 1,7 Prozent. Das heißt, es besteht aktuell noch kein Bedarf für einen Präventivschlag gegen das Inflationsgespenst.
Quelle: ntv.de, rts