Wirtschaft

Deutschland und der Ölpreis-Schock Warum Öl immer teurer wird

Angezapft: Wer weiß, wo das Öl liegt, muss die Blase nur noch anbohren.

Angezapft: Wer weiß, wo das Öl liegt, muss die Blase nur noch anbohren.

(Foto: REUTERS)

Der Auftrieb an den Rohstoffmärkten verunsichert die Anleger. Vor allem der Preis für Nordseeöl steigt steil an. Mit den Unruhen in Ägypten habe das allerdings nicht viel zu tun, sagen die Experten. Sie vermuten ganz andere Ursachen dahinter.

Seit dem letzten Ölpreishoch haben die Ölkonzerne Milliarden in ihre Förderkapazitäten investiert: Wohl wissend, dass das Öl keinesfalls für immer sprudeln wird.

Seit dem letzten Ölpreishoch haben die Ölkonzerne Milliarden in ihre Förderkapazitäten investiert: Wohl wissend, dass das Öl keinesfalls für immer sprudeln wird.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Schock ist groß: Gut zweieinhalb Jahre nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman und fast drei Jahre nach den historischen Rekordhochs an den Rohölmärkten drücken die Rohstoffpreise wieder kräftig nach oben. Die Notierung für Nordseeöl der Sorte Brent klettert über die Marke von 100 Dollar. Das teure Öl und höhere Nahrungsmittelpreise treiben schon jetzt die Lebenshaltungskosten in der Eurozone in beunruhigende Höhen. Früher, vor der Preisspitze von 147 Dollar je Fass im Juli 2008, fürchteten Vertreter der deutschen Wirtschaft schon bei einem Ölpreis von 60 Dollar um die Konjunktur.

Den aktuellen Auslöser für den starken Anstieg sehen Marktbeobachter in den politischen Unruhen in Ägypten. Die Investoren sorgen sich ihrer Einschätzung nach, die Krise in Ägypten könnte den ganzen Nahen Osten in eine instabile Lage versetzen. Sollten sich die Proteste zu landesweiten Auseinandersetzungen ausweiten, wären unter Umständen auch die Öllieferungen über den strategisch wichtigen Suezkanal bedroht. Die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) sprach zu Wochenbeginn von einem Versorgungsrisiko, sollte die Situation in Ägypten eskalieren. In diesem Falle werde das Ölkartell die Produktion erhöhen, hieß es.

Ägypten ist kein Mitglied der Opec und produziert selbst kaum Öl, kontrolliert dafür aber die die kürzeste Seeverbindung zwischen Europa und Asien - der Suez-Kanal. Der gilt nicht nur für Rohöltanker als Nadelöhr. Durch den Kanal läuft fast ein Zehntel des weltweiten Seehandels, darunter ein erheblicher Teil an Öllieferungen aus der Golfregion.

Preisfaktor Ägypten?

"Ägypten hat eine Schlüsselrolle für den Preis gespielt, denn 2 Prozent der globalen Produktion laufen durch den Suez-Kanal", erklärte ein Analyst die Zusammenhänge. "Aber es geht nicht nur um Ägypten. Welches Land in der Region ist als nächstes dran?", fragte er. Analysten von Barclays Capital halten eine Schließung des wichtigen Schifffahrtsweges in Ägypten unterdessen für äußerst unwahrscheinlich. Sollte der Kanal aber doch gesperrt werden, hätte dies längere Transportwege und eine Umleitung der weltweiten Warenströme zur Folge. Preissprünge im Zuge geopolitischer Spannungen seien insgesamt wahrscheinlicher geworden, so die Experten.

Blick aus dem All auf ein Nadelöhr des weltweiten Warenverkehrs: Der Suez-Kanal verbindet das Mittelmeer mit dem Roten Meer (rechts) und dem Pazifik.

Blick aus dem All auf ein Nadelöhr des weltweiten Warenverkehrs: Der Suez-Kanal verbindet das Mittelmeer mit dem Roten Meer (rechts) und dem Pazifik.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Mit dem Faktor Ägypten lässt sich nur ein kleiner Teil des Preisanstieges erklären. Seit Wochen pendeln die Notierungen in Bereichen jenseits der 90-Dollar-Marke. Das neue Wachstum der Weltwirtschaft befeuert die Erwartungen. "Der Brent-Preis war schon vor den Ägypten-Unruhen auf dem Vormarsch, sie haben nun aber den letzten Ausschlag gegeben, um ihn über die 100-Dollar-Marke zu treiben", erläutert Nikolaus Keis von der UniCredit. Langfristiger Haupttreiber bleibe eine deutlich steigende Nachfrage im Zuge der globalen Konjunkturerholung.

Der US-Ölkonzern Chevron kalkulierte im vierten Quartal mit einem durchschnittlichen Ölpreis von rund 77 Dollar pro Barrel (je 159 Liter). Im Vorjahr waren es 67 Dollar gewesen. Sollte nach Europa und den Schwellenländern nun auch die US-Wirtschaft wieder Wachstumssignale aussenden, müssen die Verbraucher von den Erzeugerpreisen bis runter an die Zapfsäule mit einem verschärften Preisanstieg rechnen.

Wenn sich die politischen Spannungen in Ägypten allerdings verschärfen oder auf andere Staaten in der Region übergreifen, könnte das den Preis für Brent-Öl kurzfristig weiter in die Höhe treiben. Langfristig sollte eine komfortable Versorgungslage den Preisanstieg allerdings im Zaum halten. Rekord-Ölpreise um 150 Dollar wie im Sommer 2008 sehen Rohstoff-Analysten nicht.

Die Ölsorte Brent wird zwar in der Nordsee gefördert, der Brent-Preis gilt aber als entscheidender Richtwert bei der Preisfestsetzung für andere Ölsorten. Eine zweite Richtschnur ist der Preis für die US-Referenzsorte West Texas Intermediate (WTI). Sie ist im Moment etwa acht Dollar günstiger als Brent, unter anderem weil in den USA die Vorratslager überquellen.

"Politische Prämie"

"Wir zahlen jetzt für Brent-Öl eine politische Prämie, die bislang nicht gezahlt wurde", erklärt Eugen Weinberg von der Commerzbank den jüngsten Preissprung. "Noch fließt das Öl ohne Unterbrechung, und deshalb ist der Aufschlag noch vergleichsweise moderat." Dies würde sich aber sehr schnell ändern, sollten die politischen Unruhen zum Beispiel auf wichtige Ölproduzenten wie Libyen und Algerien übergreifen.

"Und wenn der Iran in seinem Atomprogramm weiter vorankommt, dann steigt die Unsicherheit noch mehr und der Ölpreis ist ganz schnell bei 120 Dollar. Denn dann werden die Machtstellungen neu verteilt", sagt Weinberg. Libyen und Algerien gehören genau wie der Iran zu den größten Ölproduzenten weltweit. Insgesamt wird im Nahen Osten rund ein Drittel des weltweiten Öls produziert.

Engpass Suez-Kanal

Ägypten selbst produziert kaum Öl, das Land kontrolliert aber die kürzeste Seeverbindung zwischen Europa und Asien - den 192 Kilometer langen Suez-Kanal. Über ihn läuft fast ein Zehntel des weltweiten Seehandels. Anders als zu Zeiten der Suez-Krise 1956 hat dieser Transportweg für Öllieferungen inzwischen allerdings an Bedeutung verloren. Im schlimmsten Fall könnten vorsichtigen Schätzungen zufolge pro Tag Lieferungen über 3 Mio. Barrel Öl ausfallen. Der weltweite tägliche Verbrauch liegt bei rund 87 Mio. Barrel.

Die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) hat bereits mitgeteilt, im Notfall bis zu sechs Millionen Barrel täglich zusätzlich fördern zu können. Bislang sieht sie aber keine Notwendigkeit. Es gebe keine Notlage auf den Ölmärkten, hieß es von der Opec. Die Internationale Energieagentur (IEA) teilt diese Einschätzung.

Risikofaktor Spekulanten?

Die im Vergleich zu 2008 komfortable Versorgungslage ist auch ein entscheidendes Argument der Analysten, wenn sie sagen, dass keine neue Rally in Richtung 150 Dollar zu erwarten sei. Denn anders als damals haben die großen Ölkonzerne inzwischen gezielt in neue Förderprojekte investiert.

Fondsmanager Tetsu Emori von Astmax in Tokio sieht allerdings einen anderen Preistreiber - nämlich die Spekulanten. Unabhängig vom Ausgang der politischen Unruhen in Ägypten könnten Finanzinvestoren Öl nun bewusst wegen des höheren Risikos kaufen und hoffen, damit mehr Geld zu verdienen.

Mit konkreten Prognosen zur Preisentwicklung tun sich die Analysten schwer. "Langfristig ist es durchaus wahrscheinlich, dass sich der Brentpreis über 100 Dollar etabliert", sagt Unicredit-Analyst Keis.

Quelle: ntv.de, mmo/Kirsti Knolle, rts

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