Eurozone als Dauerbaustelle Weidmann sieht Reparaturbedarf
26.08.2013, 12:21 Uhr
Jens Weidmann.
(Foto: picture alliance / dpa)
Auf den ersten Blick mögen die Eurozone und Berlins Pannenflughafen BER wenig gemeinsam haben. Doch Bundesbankpräsident Weidmann zieht eine Parallele und ist sich sicher: die Probleme können behoben werden - zumindest bei der Währungsunion.
Bundesbankpräsident Jens Weidmann sieht mit Blick auf die Eurozone Handlungsbedarf. Er geht jedoch zugleich davon aus, dass die Währungsunion eines Tages richtig funktionieren wird. Bei einer Botschafterkonferenz in Berlin wies Weidmann auf die Probleme hin, die sich für die Eurozone aus dem Nebeneinander von einheitlicher Geldpolitik und nationaler Finanzpolitik ergeben – und verwies auf eine Parallele in der Hauptstadt.
"Bei komplexen Großprojekten wie der Währungsunion klappt nicht immer alles gleich im ersten Anlauf - dieses Phänomen ist ja auch in Deutschland nicht ganz unbekannt", sagte Weidmann. Dabei bezog er sich offensichtlich auf den Flughafen Berlin-Brandenburg, der zwar prinzipiell fertig gestellt ist, aber wegen technischer Probleme nicht in Betrieb gehen kann. Reparaturbedarf gibt es aber nicht nur bei dem Flughafenprojekt. Weidmann sieht ihn auch bei der Währungsunion.
Der Bundesbankpräsident erinnerte in seiner Rede daran, dass im Zuge der Finanzkrise einige Grundregeln der Währungsunion geschwächt worden seien, zum Beispiel das Verbot der gegenseitigen Haftung und die Einhaltung bestimmter Haushaltsregeln. In diesem Zusammenhang kritisierte er erneut das Versprechen der Europäischen Zentralbank, im Notfall unbegrenzt Staatsanleihen von Mitgliedsländern der Eurozone zu kaufen. Im September vergangenen Jahres hatte EZB-Chef Mario Draghi mit dieser Ankündigung für Beruhigung auf den Finanzmärkten gesorgt. Die Zinsen für die Anleihen von kriselnden Euro-Staaten waren daraufhin merklich gesunken. Die Bundesbank kritisiert die Ankündigung dennoch, sie sieht die EZB damit zu nah an der unerlaubten Staatsfinanzierung durch die Notenpresse.
Mehr Risikobewusstsein angemahnt
Weidmann forderte, die gemeinsamen Regeln zu stärken und der Eigenverantwortung wieder mehr Geltung zu verschaffen. Die bereits geltenden härteren Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts sind seiner Meinung nach nur dann etwas wert, wenn die EU-Kommission auch für ihre strikte Umsetzung sorgt. Und die findet nach seiner Meinung nicht statt.
So habe die EU-Kommission Spanien, Frankreich, Slowenien und Zypern in Defizitverfahren längere Anpassungsfristen gewährt, als im Stabilitäts- und Wachstumspakt vorgesehen sei. "Ich hielte es nicht für richtig, die Flexibilität der neuen Regeln gleich zu Beginn maximal auszureizen", kritisierte Weidmann. Befürworter der längeren Fristen argumentieren, dass auf diese Weise den Regierungen angesichts von hoher Arbeitslosigkeit und Konjunkturschwäche Luft verschafft werden solle.
Weidmann forderte die europäischen Geldinstitute zu mehr Risikobewusstsein beim Umgang mit Staatsanleihen auf. "Die Rückkopplung von Staaten auf Banken ergibt sich maßgeblich daraus, dass Banken in großer Höhe Staatsanleihen in ihren Büchern halten. Hier gilt es anzusetzen", sagte er. Zum einen seien Staatsanleihen angemessen mit Eigenkapital zu unterlegen. Zum anderen sollten Banken nur bis zu einer bestimmten Höhe Kredite an einzelne staatliche Schuldner vergeben.
Staatsanleihen sollten mittelfristig so behandelt werden wie andere Anleihen oder Kredite an Unternehmen. "Denn die bisherige Annahme, Staatsanleihen seien absolut risikolos, widerspricht dem Prinzip der Eigenverantwortung und den jüngsten Erfahrungen", so Weidmann. Durch eine angemessene Risikogewichtung würden die Renditen bei unsoliden Staaten steigen und sich deren Refinanzierung verteuern. Der Marktmechanismus würde diese Regierungen so zu einer größeren fiskalischen Disziplin anhalten.
"Risko streuen!"
Doch Risiken für die Finanzstabilität bergen Staatsanleihen laut Weidmann nicht nur, weil sie mit zu wenig Eigenkapital unterlegt werden müssten. "Ein wichtiger Grundsatz für Anleger lautet: Risiken streuen! Doch wenn es um Staatsanleihen geht, lassen europäische Banken diese Regel oftmals außer Acht", sagte der Bundesbankpräsident.
Europäische Banken hätten häufig nur Anleihen eines Staates in ihren Büchern, meist die ihres Heimatlandes. Bei diesen Banken sei der Anteil von Staatsanleihen an der gesamten Bilanzsumme mitunter sogar höher als bei Banken, die ihre Investitionen auf mehrere Staaten verteilten. "So wird die Abhängigkeit von Banken und Staaten noch weiter verstärkt. Und deshalb brauchen wir Großkreditgrenzen für einzelne staatliche Schuldner. Sie sind eine notwendige Ergänzung zur angemessenen Risikogewichtung", sagte der Bundesbankchef.
Quelle: ntv.de, jga/rts/DJ