Versandhauskönig Werner Otto wird 100 Jahre alt
08.08.2009, 11:36 UhrDer große Auftritt ist nicht unbedingt seine Sache, auch wenn er sich als "nicht bescheiden" bezeichnet. Werner Otto hat aus einer Drei-Mann-Firma ein Versandhausimperium aufgebaut. Kommende Woche feiert er seinen 100. Geburtstag und wird Ehrenbürger der Stadt Berlin.

Aus einem Hinterhofunternehmen wurde ein weltweit tätiges Versandhaus.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
"Bescheiden bin ich gar nicht, aber ich mache eben nicht so einen Rummel wie die anderen", hat Werner Otto einmal gesagt. In der nächsten Zeit werden andere wieder Rummel um den Versandhausgründer und Mäzen machen: Am Dienstag verleiht die Stadt Berlin ihm für sein Lebenswerk und Engagement die Ehrenbürgerwürde, und zwei Tage später feiert Otto seinen 100. Geburtstag. Am 17. August jährt sich zudem die Gründung des Versandhauses, das seinen Namen trägt, zum 60. Mal. Es ist bis heute ein Kernstück des seither entstandenen internationalen Firmenimperiums der Familie.
Werner Otto hat klein angefangen. Seine Laufbahn beginnt der spätere Wirtschaftspionier mit einer kaufmännischen Lehre in Angermünde in der Uckermark. Eigentlich will der Jugendliche Schriftsteller werden, seine Vorbilder sind die französischen Literaten Honoré de Balzac und Gustave Flaubert. Doch das Gymnasium in Prenzlau bricht er vor dem Abitur ab, nachdem der Vater mit seinem Lebensmittelladen Konkurs angemeldet hat - es reicht nicht mehr für das Schulgeld.
Flugblätter für Strasser geschmuggelt
Als gelernter Kaufmann macht Werner Otto sich dann in Stettin mit einem eigenen Einzelhandelsgeschäft selbstständig. Das Schmuggeln von Flugblättern für den linken Nationalisten Otto Strasser von Tschechien über die Grenze ins nationalsozialistische Deutschland beschert ihm zwei Jahre Gefängnis in der Berliner Haftanstalt Plötzensee. Danach eröffnet Otto nahe dem Alexanderplatz einen Zigarrenladen. In einem Tanzlokal lernt er seine erste Frau Eva kennen.
Nach einer Station im westpreußischen Kulm, wo Werner Otto ein Schuhgeschäft betreibt, verschlägt es die inzwischen vierköpfige Familie zum Kriegsende nach Hamburg. Zunächst versucht sich Otto als Schuhfabrikant, kann sich aber nicht lange halten. Der Katalog eines Schuhversands bringt ihn auf eine neue Idee: Am 17. August 1949 gründet der damals 40-Jährige seinen eigenen Versandhandel.
Chef klebte Fotos selbst
Anfangs gehen Vertreter für Otto in der Region von Tür zu Tür. Bald jedoch kommt der erste Katalog mit teils auch vom Chef eigenhändig eingeklebten Fotos heraus: Auf 14 Seiten präsentiert er in einer Auflage von 300 Stück das erste Sortiment aus 28 Paar Schuhen. Otto führt gemäß dem Motto "Vertrauen gegen Vertrauen" als Erster der Branche den Kauf gegen Rechnung statt per Nachnahme ein und gewährt Kunden bei den fürs Unternehmen wirtschaftlicher abzuwickelnden Sammelbestellungen mit Verwandten oder Bekannten einen Rabatt.
Seine Ideen zünden. Schnell wird aus der Hinterhof-Firma mit anfangs drei Mitarbeitern ein Großunternehmen mit tausenden Angestellten und Millionen- beziehungsweise - ab den 70er Jahren - Milliarden-Umsätzen. Heute ist die Otto-Gruppe weltweiter Branchenprimus im Versandgeschäft, ein Handels- und Dienstleistungskonzern mit 50.000 Mitarbeitern in 20 Ländern. Der Katalog erscheint inzwischen drei Mal im Jahr mit einer Auflage von 20 Millionen und umfasst 100.000 Artikel pro Saison.
Immobilien als zweite Spielwiese
Ab Mitte der 1960er Jahre zieht sich Werner Otto aus der Unternehmensführung allmählich zurück - und baut noch einmal etwas Neues auf. Er gründet die ECE, heute europäischer Marktführer bei Entwicklung, Bau und Management von innerstädtischen Einkaufszentren. Zuvor hat er bereits in Kanada erfolgreich eine Immobiliengruppe aufgebaut, ab 1973 tut der inzwischen fünffache Vater gleiches in den USA. Zur Paramount Group gehören Hochhäuser in den Metropolen New York City und Washington.
Otto ist nicht nur stets ein sozial denkender Unternehmer gewesen, der Mitarbeitern in Notsituationen unbürokratisch half und allgemein viel Wert auf den Zusammenhalt in der Firma legte. Der Mops-Besitzer, der seit zehn Jahren mit seiner dritten Ehefrau Maren in Berlin lebt, hat sich von jeher auch breit sozial engagiert und unter anderem medizinische Forschung, Naturschutz, Kunst und Kultur gefördert. Vor Berlin hat dem bald 100-Jährigen bereits sein Geburtsort Seelow in Brandenburg die Ehrenbürgerwürde verliehen.
Quelle: ntv.de, Deike Stolz/AFP