Amerika ist anders Wie VW einen Betriebsrat gründen wollte
19.02.2014, 11:23 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Volkswagen hat einen der mächtigsten Betriebsräte in Deutschland, die Mitarbeiter im Werk in Tennessee sollten auch nicht darben. Die Idee war gut gemeint. Aber was dann passierte, war ein klassischer "Cultural Clash" - ein Aufeinanderprallen der Kulturen.
In den Augen der US-Amerikaner sind die Deutschen manchmal ein schwer zu durchschauendes Volk. Deutsche gelten als fleißig und zuverlässig. Deutschland habe Europa aus dem Dreck gezogen, so die landläufige Meinung. Feiern können sie nach Ansicht der Amerikaner auch - nicht ohne Grund eröffnen in Metropolen wie New York ständig neue Biergärten. Was die meisten US-Amerikaner aber gar nicht verstehen, ist das Konzept der Mitbestimmung der Arbeitnehmer. Das zeigt sich beim Versuch von VW, in seinem US-Werk einen Betriebsrat zu gründen.
Wie anders der Blick auf die Dinge auf der anderen Seite des Atlantiks ist, lässt sich leicht zeigen: Man stelle sich nur das Szenario vor, dass Mitarbeiter in einer deutschen Fabrik darüber abstimmen sollen, ob sie von einer Gewerkschaft vertreten werden möchten, und der örtliche Bundestagsabgeordnete würde sich wie folgt äußern: "Wir sorgen uns um die Zukunft unserer Kommune. Wenn sie gewinnen, wird sich der Lebensstandard der Menschen verschlechtern. Unternehmen werden sich hier nicht mehr ansiedeln wollen."
So ist es in Chattanooga geschehen, wo Volkswagen seit drei Jahren sein einziges Werk in den Vereinigten Staaten betreibt. Die Wolfsburger bauen dort den US-Passat, eines ihrer meistverkauften Modelle im Land. 5000 Jobs bei VW selbst, bei Zulieferern und sonstigen Firmen hängen von dem Werk ab, rechnet der Konzern vor. Das ist viel für den strukturschwachen Süden der USA.
Einer der Baumeister dieses kleinen Wirtschaftswunders ist Bob Corker, früher Bürgermeister der Stadt und heute Senator in Washington. Die ersten Gespräche über das Werk hätten an seinem Wohnzimmertisch stattgefunden, erzählt er gerne. Doch Corker ist derjenige, der zuletzt am heftigsten gegen das Ansinnen giftete, bei VW eine Arbeitnehmervertretung nach deutschem Vorbild aufzubauen.
UAW: Das rote Tuch
Corker missfiel, dass dadurch die Autogewerkschaft UAW in der Region Fuß fassen könnte. "Ein Betriebsrat ist ein interessantes Konzept für mich, wirklich, das ist es", beteuerte er vor einer Woche bei einer eigens einberufenen Pressekonferenz. Doch nicht mit der UAW, den United Auto Workers. "Schaut euch Detroit an", warnte der Republikaner in Anspielung auf die insolvente Autostadt im Norden.

Einweihung des Standorts Chattanooga im Mai 2011. Mit dabei US-Senator Bob Corker und Martin Winterkorn (2. und 3. von l).
(Foto: picture alliance / dpa)
Im Süden der USA haben Gewerkschafter seit jeher einen schweren Stand. Als die Kunde von der Wahl zur Arbeitnehmervertretung bei VW die Runde machte, plakatierte eine konservative Lobbygruppe auf großen Tafeln: "United Obama Workers" – "Vereinigte Obama-Arbeiter". Örtliche Politiker drohten damit, VW keine Investitionshilfen mehr zu gewähren. Senator Corker baute das Schreckensszenario auf, dass das Werk ein geplantes zweites Modell verlieren könnte, wenn die UAW gewinnen würde. Das hätten ihm VW-Manager gesagt. Werksleiter Frank Fischer sah sich zu einem Dementi veranlasst.
Angst um Arbeitsplätze
Die Frage, ob die UAW im VW-Werk Chattanooga einzieht, wurde zum landesweiten Politikum. Die größte Wirtschaftszeitung, das zum Medienimperium von Rupert Murdoch gehörende "Wall Street Journal", stellte in einem Meinungsartikel eine Verschwörungstheorie auf: Die bei Volkswagen mächtige IG Metall würde mit der UAW "konspirieren", um deutsche Arbeitsplätze zu schützen. Denn die UAW mache die Produktion in den USA weniger attraktiv, so die unausgesprochene, aber offenkundige Auffassung des Autors.
Letztlich entschied sich eine Mehrheit der VW-Werker in Chattanooga gegen eine Vertretung ihrer Interessen durch die UAW. Die einen sagten, es gehe ihnen doch gut, denn VW zahle überdurchschnittlich hohe Löhne. Andere wollten sich die Gewerkschaftsbeiträge sparen. Wieder andere misstrauten der UAW.
Gewerkschaftschef Bob King zeigte sich nach der Niederlage geknickt. Gemeinsam könnten Unternehmen und Mitarbeiter erfolgreicher sein, sagte er. "Deutschland ist ein gutes Beispiel dafür. Deutschland hat extrem hohe Löhne und ist gleichzeitig extrem erfolgreich, weil die Leute zusammenarbeiten." Volkswagen gebühre Dank dafür, die Idee in die USA gebracht zu haben. "Wenn wir eine starke Industrienation sein wollen, sollten wir das übernehmen."
Retourkutsche an die Südstaatenpolitik
Bei VW ist man ebenfalls überzeugt, dass sich das deutsche Modell bewährt hat. Gerade erst haben die Wolfsburger ihren Rivalen General Motors aus Detroit als zweitgrößten Autobauer der Welt abgelöst. Nur Toyota stellt mehr Fahrzeuge her. Werksleitung und Konzernbetriebsrat wollen nun andere Wege suchen, eine Arbeitnehmervertretung zu gründen. Das Interesse bei den Mitarbeitern in Chattanooga sei jedenfalls groß, erklärte der Konzernbetriebsrat. Um dem Willen der Deutschen Nachdruck zu verleihen, deutete VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh an, dass die politischen Rahmenbedingungen in Tennessee durchaus zu einem Umdenken bezüglich weitere Investitionen in den amerikanischen Süden haben könnten.
Quelle: ntv.de, Daniel Schnettler, dpa