Sparen um jeden Preis Zähes Ringen in Athen
27.05.2011, 17:03 Uhr
Bild aus besseren Zeiten: Das Pictogramm des olympischen Ringens in Athen.
(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)
Für Griechenland wird es immer enger: Die EU verlangt von den Griechen, geschlossen einen noch härteren Sparkurs zu steuern - aber das Land ist in dieser Frage tief zerstritten. Zur Not will die Regierung das Programm auch im Alleingang durchziehen.

Ernste Mienen: Ministerpräsident Papandreou (m) umrahmt von seinem Finanzminister Papaconstantinou (r) und Außenminister Droutsas (l).
(Foto: dpa)
Im Kampf gegen die Staatspleite gerät Griechenlands Regierung immer stärker unter Druck. Ministerpräsident Giorgos Papandreou gelang es bei einem Krisentreffen nicht, der Opposition doch noch die Zustimmung zu den von den internationalen Geldgebern geforderten Sparplänen abzuringen. Damit zeichnet sich ab, dass er das unpopuläre Programm aus Kürzungen, Steuererhöhungen und milliardenschweren Privatisierungen alleine durchsetzen muss.
Papandreou versicherte, die Regierung werde auch ohne breiten Konsens das Nötige tun. "Wir werden alle nötigen Entscheidungen treffen, koste es was es wolle - mit oder ohne die Opposition", sagte Papandreou im Fernsehen. Er glaube aber weiter, dass sich in bestimmten Punkten Übereinstimmungen mit anderen Parteien erzielen ließen. Die Kooperation aller Griechen sei eine notwendige Voraussetzung für einen Ausweg aus der schweren Finanzkrise Griechenlands. Griechenland müsse gegen alle diese kämpfen, die "Katastrophen-Szenarien verbreiten, über einen Austritt aus dem Euroland", so der Ministerpräsident weiter.
Der konservative Oppositionsführer Antonis Samaras sagte dagegen, bei dem vierstündigen Treffen sei ein toter Punkt erreicht worden. Er kündigte an, der Sparpolitik der Regierung nicht zuzustimmen. Das mit Europäischer Union (EU) und Internationalem Währungsfonds (IWF) vereinbarte Rettungspaket würge die heimische Wirtschaft ab und müsse neu verhandelt werden. Das Scheitern der Gespräche schickte die Börse in Athen auf Talfahrt. Sie verlor 1,7 Prozent.
Das Land muss im kommenden Jahr eine Finanzierungslücke von 27 Mrd. Euro schließen. Die EU fordert eine überparteiliche Verständigung auf das Sanierungsprogramm, um zusätzliche Hilfszusagen zu machen. Blieben diese aus, wäre der IWF nach eigener Auskunft gezwungen, seinen Anteil an einer für Juni geplanten Kredittranche zurückhalten. Auf kurze Sicht muss Athen 13,4 Mrd. auftreiben. Ansonsten droht die Zahlungsunfähigkeit.
Gewagtes Manöver
Doch die EU setzt offenbar auf eine gütliche Lösung. Ein hochrangiger Vertreter der Euro-Zone äußerte die Hoffnung, dass die IWF-Spitze ein gewisses Maß an "pragmatischer Flexibilität" zeigen werde. Dann würde dem Fonds auch bereits eine prinzipielle Zusage weiterer Griechenland-Hilfen durch die EU reichen statt eines detaillierten Plans. "Ich glaube, dass wir im Juni auf jeden Fall auszahlen werden, aber die Griechen müssen die Erwartungen erfüllen", sagte der Euro-Zonen-Vertreter. Domenico Lombardi, der früher dem IWF-Führungsgremium angehörte, verwies auf den Rücktritt von Fonds-Chef Dominique Strauss-Kahn, der wegen des Vorwurfs versuchter Vergewaltigung in den USA angeklagt ist. Ohne eine starke politische Führung nehme der IWF eine eher vorsichtige Haltung ein und halte sich eng an die Regeln.
Sollte der IWF im kommenden Monat ausfallen, müssten für dessen Beitrag die Europäer einspringen, hatte Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker gewarnt. Dies sei aber wohl wegen fehlender Bereitschaft der Parlamente in Deutschland, den Niederlanden und Finnland nicht möglich. Junckers Äußerung schreckte am Donnerstag die Finanzmärkte auf, der Euro geriet deutlich unter Druck. Am Freitag beruhigte sich die Lage allerdings wieder. Die Anleger setzten darauf, dass am Ende ein Kompromiss unvermeidlich sei und es weitere Unterstützung für Griechenland geben werde, sagten Analysten. "Offenkundig gibt es Risiken. Viele Leute machen Lärm, die aber keine Entscheidungsträger sind", sagte Volkswirt Jacques Cailloux von RBS. "Aber es sieht so aus, als gehe die Sache in die richtige Richtung."
Den Vorstoß Junckers werteten Experten als gewagtes Manöver, um die von der EU verlangte parteiübergreifende Verständigung in Griechenland zu erzwingen. Zwar stützen sich Papandreous Sozialisten auf eine komfortable Mehrheit im Parlament. Die Regierungspläne sorgen im Land für wütende Proteste. Widerstand gibt es auch in der Regierungspartei und von mächtigen Gewerkschaften. Außer Christdemokrat Samarras nahmen die Chefs der kommunistischen KKE, der Laos-Partei und der Koalition der Linken an dem Krisentreffen teil. Nach dessen Scheitern halten Experten nun vorgezogene Wahlen für möglich. "Papandreou wird vorangehen und die Reformen auf eigene Faust so rasch wie möglich umsetzen", sagte Dimitris Mavros vom Meinungsforscher MRB Hellas. "Wenn Autos in den Straßen brennen, dann wird er am nächsten Tag Wahlen ausrufen."
Tabu Umschuldung
Die Euro-Staaten wollen verhindern, dass sie im Falle eines Regierungswechsels die im Gegenzug für neue Hilfskredite vereinbarten Zusagen neu verhandeln müssen. In den ebenfalls hoch verschuldeten Krisenländern Portugal und Irland war dies gelungen.
Viele Volkswirte vertreten die Auffassung, dass bei einem Schuldenberg von etwa 330 Mrd. Euro - das entspricht 150 Prozent der griechischen Wirtschaftsleistung - eine Umschuldung irgendwann unvermeidlich sein wird. Doch vor allem die Europäische Zentralbank (EZB) stemmt sich vehement auch gegen eine sanfte Umstrukturierung der griechischen Verbindlichkeiten, da deren Folgen unabsehbar seien. Auch IWF-Interimschef John Lipsky und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy machten deutlich, dass eine Umschuldung nicht infrage komme.
EZB-Ratsmitglied Marko Kranjec forderte, auf eine Umschuldungsdebatte zu verzichten, bis Griechenland seinen Haushalt ausgeglichen habe. Sloweniens Notenbankchef sieht in seinem eigenen Land einen weiteren potenziellen Krisenkandidaten in der Euro-Zone. "Slowenien sollte sich bewusst sein, dass es nur einen kleinen Schritt von einer kritischen Situation entfernt ist", warnte er.
Quelle: ntv.de, sla/rts/