"Angst ist ein schlechter Ratgeber" Zittern um das Opel-Werk Bochum
14.05.2012, 16:10 Uhr
Zafira-Produktion im Opel-Werk Bochum
(Foto: picture alliance / dpa)
Ein Aus des Bochumer Opel-Werks ist seit langem in der Diskussion. Neue Aussagen des Vorstandschefs der GM-Tochter befeuern sie noch: Die neue Astra-Generation soll nur noch in zwei statt der bisher drei Werke produziert werden. Rüsselsheim droht der Verlust, der aber durch andere Modelle aufgefangen werden soll. Und das wiederum könnte zum Todesurteil des Bochumer Werks sein.
Opel kann die Verunsicherung seiner Beschäftigten nicht mildern. Daran änderte auch die geballte Prominenz von zwei Ministerpräsidenten nichts, die auf der Betriebsversammlung in Rüsselsheim auftraten. Mehr als ihre Solidarität konnten Kurt Beck (SPD) aus Rheinland-Pfalz und Volker Bouffier (CDU) aus Hessen den rund 8000 im Opel-Stammwerk versammelten Beschäftigten nicht zusichern. Das Management der hohe Verluste schreibenden GM-Tochter trug nicht dazu bei, dass sich die Belegschaft nun sicherer fühlen kann. Denn die von Vorstandschef Karl-Friedrich Stracke erläuterten Grundzüge eines Sanierungsplans lassen viele Fragen offen.
Damit steigt nach Meinung von Experten das Risiko, dass die Beschäftigten in der für Opel entscheidenden Phase verunsichert werden und sich Qualitätsmängel einschleichen. "Angst ist ein schlechter Ratgeber", sagte Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer. "Das Opel-Management macht genau das Gegenteil dessen, was es sollte. Indem man keinen klaren Plan hat, verunsichert man die Beschäftigen. Das muss nach hinten losgehen," sagte Dudenhöffer hinzu, der das Car-Institut in der Universität Duisburg-Essen leitet.
"Keiner weiß, wie es weitergeht"
Eines wurde aus Sicht der Belegschaft auf der Versammlung allerdings klar: Den Astra will Opel nur noch in zwei statt drei Werken bauen wie bisher. Bislang rollt der wichtige Kompaktwagen in Rüsselsheim, in Ellesmere Port in Großbritannien und Gleiwitz in Polen vom Band. Rüsselsheim könnte der Verlierer sein, befürchten viele Beschäftigte, wenn die Belegschaft nicht zu weiterem Lohnverzicht bereit ist. "Keiner weiß, wie es weiter gehen soll", sagte ein enttäuschter Opelaner vor dem Werkstor in der Rüsselsheimer Innenstadt. "Viele in der Belegschaft rechnen damit, dass Personal reduziert, dass Werke geschlossen werden", berichtete ein Mitarbeiter der Betriebsfeuerwehr. "GM verkauft lieber Chevys, weil die eine höhere Marge haben. Das frustriert." US-Weltmarktführer GM verkauft neben Opel in Europa auch seine Marke Chevrolet.
Opel verhandelt derzeit mit den Arbeitnehmern in den europäischen Werken über Einsparungen, um die GM-Tochter bis 2016 in die Gewinnzone zu führen. Als Hersteller von Autos für den Massengeschmack leidet die Marke mit dem Blitz wie andere Volumenhersteller unter dem massiven Absatzrückgang in Südeuropa und kann ihre Werke kaum auslasten.
Auf dem Katalog des Managements steht nach Angaben von Arbeitnehmern daher Forderungen nach einem Verzicht auf Lohnbestandteile und längere Arbeitszeiten. Dadurch will Opel die bereits in der zurückliegenden Sanierung bis 2014 vereinbarten Einsparungen von jährlich 265 Mio. Euro auch weiterhin aufbringen. Zudem soll der Anteil der Leiharbeiter erhöht werden. Bei den Tariferhöhungen, über die die IG Metall derzeit mit den Arbeitgebern bundesweit in der Metall- und Elektroindustrie verhandelt, sollen die Opelaner leer ausgehen.
Produktionskosten müssen runter
Stracke ließ vor der Belegschaft bereits erkennen, dass selbst das womöglich nicht ausreichen könnte. "Wir können GM nicht weiter auf der Tasche liegen", zitierte ein Teilnehmer aus Strackes Rede. Im 1. Quartal hat Opel ein Minus von 256 Mio. Dollar eingefahren. Der seit mehreren Jahren angesammelte Verlust beläuft sich Schätzungen zufolge auf einen zweistelligen Milliarden-Betrag.
Als Ausweg sollen die Kapazitäten verringert werden, um selbst bei schwacher Nachfrage in Europa schwarze Zahlen schreiben zu können. Dazu will Opel die Zahl der Astra-Werke auf zwei verringern und die vorhandene Produktion konzentrieren. "Wenn wir diese zwei Werke im Dreischichtbetrieb laufenlassen, werden die Produktionskosten für die nächste Astra-Generation deutlich unter den heutigen liegen", so Strackes Versprechen. Derzeit fahren die Werke nur in zwei Schichten. Opel musste die Bänder in den vergangenen Wochen zudem europaweit in mehreren Fabriken vorübergehen anhalten, weil der Absatz stockte.
Die Allianz mit Peugeot, von der sich beide Partner in einigen Jahren Milliardeneinsparungen erwarten, kommt nur langsam in Fahrt. Derzeit läuft noch die Prüfung von Projekten. Das erste Auto auf einer gemeinsamen Architektur wird 2016 erwartet. Stracke signalisierte bereits Bereitschaft, mit weiteren Partnern zusammenzuarbeiten, um die Kosten zu senken.
Was wird aus Bochum?
Stracke sicherte der Belegschaft in Rüsselsheim zu, dass der Standort nicht zur Disposition stehe. "Ich will dieses Werk auslasten." Dafür müssten die Kosten je produziertem Fahrzeug sinken, betonte er. Aus Arbeitnehmerkreisen waren Planspiele bekanntgeworden, das Management erwäge, die Astra-Produktion aus Rüsselsheim nach Ellesmere Port zu verlagern. Dafür könnte der Familienwagen Zafira aus Bochum das Stammwerk verlegt werden.
Auch andere Modelle sind für Rüsselsheim im Gespräch, wo das Flaggschiff Insignia zusammen mit dem weitgehend baugleichen Buick Regal vom Band laufen. Der Name der Fabrik in der Ruhrgebietsstadt kam in Strackes skizziertem Unternehmensplan nicht vor - über ein Aus für das Werk wird seit langem spekuliert.
Quelle: ntv.de, rts