Euro-Gipfel: Schwere Kritik an Merkel Berlin droht mit Kredit-Veto
11.03.2011, 08:12 Uhr
Der Euro ist Gold wert und verträgt laut Merkel "keinen Schlendrian"
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Beim Euro-Gipfel heute in Brüssel sollen die Grundlagen für einen "Pakt für Wettbewerb" gelegt werden. Kanzlerin Merkel droht damit, rasche Kreditzusagen an schwächelnde Euro-Länder zu verhindern. Bundestagspräsident Lammert übt heftige Kritik an Merkels Informationspolitik. Sie habe das Parlament nicht über ihren Weg informiert.

Merkel weiß, dass die Hilfen nur einstimmig beschlossen werden können.
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Bundeskanzlerin Angela Merkel hat für den neuen "Pakt für Wettbewerbsfähigkeit" als Lehre aus der Euro-Krise geworben. Der "Bild"-Zeitung sagte sie: "Der Euro will gut gepflegt sein. Das richten wir jetzt ein." Merkel dämpfte vor dem Euro-Gipfel heute in Brüssel die Erwartungen. Sie drohte damit, rasche Kreditzusagen an marode Euro-Staaten künftig mit einem Veto zu verhindern.
Portugal, Frankreich und andere Staaten sowie die Europäische Zentralbank hatten angesichts der Nervosität auf den Finanzmärkten auf eine schnelle Ausweitung des Rettungsschirms und Entlastungen etwa für die überschuldeten Euro-Länder Irland und Griechenland gepocht. Sie befürchten eine Verschärfung der Krise in den hoch verschuldeten Euro-Ländern, wenn sich der Streit noch Wochen lang hinzieht.
Mit dem Pakt für Wettbewerbsfähigkeit will die Bundesregierung die Ursachen der Schuldenkrise ausmerzen. Die Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder sollen sich persönlich zu Reformen der Rentensysteme, Lohnmäßigung und einer Schuldenbremse verpflichten. Zur Umsetzung dieser Versprechen könnten sie aber rechtlich nicht gezwungen werden.
Umschuldung oder Euro-Ausstieg möglich
Der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hält zur Beendigung der Schuldenkrise in Europa weitaus radikalere Maßnahmen für notwendig als bisher vorgesehen. Steinbrück sagte der "Süddeutschen Zeitung", Staaten wie Griechenland und Portugal würden um eine Umschuldung wohl nicht herumkommen. Selbst der zeitweise Ausstieg eines Landes aus der Europäischen Währungsunion sei nicht gänzlich auszuschließen.
Der schwarz-gelben Koalition warf Steinbrück mit Blick auf das heutige Gipfeltreffen vor, die wahren Probleme nicht anzugehen. "Wenn Staaten wie Griechenland und Portugal über sieben Prozent Zinsen auf ihre Anleihen zahlen müssen, wie das derzeit der Fall ist, dann werden sie diese Schuldenlast selbst bei einer Nettokreditaufnahme von Null nicht tragen können", sagte Steinbrück. "Das ist reine Mathematik, und das wissen auch die Kapitalgeber."
Bei einer Umschuldung müssten die Geld gebenden Banken und Investmentfonds auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Steinbrück zufolge wäre ein Schnitt um etwa 30 Prozent denkbar. "Das würde bedeuten: Die Finanzhäuser verzichten auf 30 Prozent ihrer Ansprüche, erhalten dafür aber die Garantie, dass die verbleibenden 70 Prozent auch tatsächlich zurückgezahlt werden. Dafür steht im Zweifel der Euro-Rettungsfonds, also die Gesamtheit der Euro-Länder, gerade", sagte der Ex-Minister.
"Eurobonds sind das falsche Mittel"
Seit Tagen bewerten Investoren die Kreditwürdigkeit Griechenlands, Irlands oder Portugals immer schlechter. Merkel zeigte sich davon unbeeindruckt: Hilfen aus dem Krisenfonds könnten nur einstimmig beschlossen werden. "Deutschland kann also sein Veto einlegen, wenn die Voraussetzungen für Hilfen nicht gegeben sind, und davon werde ich dann auch Gebrauch machen." Deutschland sei weiter bereit, schwächeren Ländern zu helfen. Eine "Transferunion" und "Eurobonds" als gemeinschaftliche Staatsanleihen werde es aber nicht geben, sagte Merkel. "Eurobonds sind und bleiben aus unserer Sicht ein falsches Mittel."
Ergänzend hieß es aus dem Kanzleramt, dass Deutschland zu einer Aufstockung des bestehenden Euro-Rettungsschirms allenfalls unter strengen Auflagen bereit ist. Entscheidend sind die Vereinbarungen bis Ende März über Sparmaßnahmen gegen künftige Schuldenkrisen wie in Griechenland. "Wir werden das Gesamtpaket beurteilen, ob es akzeptabel ist oder nicht", sagte ein hoher Beamter.
Aus Kreisen war verlautet, dass die Bundesregierung bereit sei, den Euro-Rettungsschirm EFSF und seinen Nachfolger ESM so aufzustocken, dass die vollen 440 Milliarden Euro an bilateralen Kreditgarantien im Notfall zur Verfügung stehen. Nach Informationen aus Teilnehmerkreisen sagte Merkel am Donnerstag im vertraulich tagenden Europaausschuss des Bundestages, dass Deutschland dem zustimmen könne. "Merkel hat dabei betont, dass dies durch eine Mischung aus zusätzlichen Garantien und Kapitaleinlagen erreicht werden soll", sagte ein Teilnehmer. Ein Beschluss darüber soll auf dem EU-Gipfel am 24. und 25. März fallen.
Schwere Kritik an Merkel

Lammert möchte - wie seine Kollegen auch - vorab von der Kanzlerin über ihre Politik informiert werden.
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Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) übte heftige Kritik an der Informationspolitik der Kanzlerin. In einem Brief an die Kanzlerin wirft er ihr vor, in der Europapolitik die grundgesetzlichen Rechte des Parlaments zu missachten. Laut "Süddeutscher Zeitung" soll Lammert an die "unmissverständliche Verfassungslage" erinnert und die aus seiner Sicht unzureichende Unterrichtung über den "Pakt für Wettbewerbsfähigkeit" kritisiert haben, für den die Kanzlerin in der Euro-Zone wirbt. Den gesetzlichen Bestimmungen für die Beteiligung des Bundestags sei das Kanzleramt "nicht oder allenfalls unzureichend gerecht" geworden, zitiert die "Süddeutsche Zeitung" aus dem Schreiben Lammerts.
Merkel möge dies nachholen und sicherstellen, dass der Bundestag künftig "umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt" informiert werde. Aus Sicht der Abgeordneten hätte es eine frühere Unterrichtung über das heute stattfindende Treffen der Regierungschefs der Eurozone geben müssen.
Quelle: ntv.de, ppo/dpa/rts