Der Börsen-Tag Frankreich-Wahl ist "Schreckgespenst für die EU"
08.07.2024, 09:42 UhrKeinen guten Tag für die EU sieht Thomas Gitzel nach der Wahl in Frankreich. "Der Wahlausgang überrascht und hat es damit auch in sich", so der Chef-Volkswirt der VP Bank. Die Rechtspopulisten von Marine Le Pens Partei Rassemblement National landete nur auf dem dritten Platz, das linke Bündnis Nouveau Front Populaire (Neue Volksfront) dagegen überraschend auf dem ersten Platz. Überraschend sei auch, dass das Bündnis Ensemble von Präsident Emanuel Macron nur knapp hinter dem Linksbündnis auf Platz zwei gekommen sei.
"Da kein Lager die absolute Mehrheit erreichte, wird sich eine Regierungsbildung als sehr schwierig erweisen", so Gitzel. Jean-Luc Mélenchon, Gründer der linkspopulistische Partei La France Insoumise und Spitzenkandidat des Linksbündnisses habe bereits Regierungsansprüche angemeldet. Allerdings sein Mélenchon nicht nur im Macron-Lager, sondern auch unter seinen Verbündeten wenig beliebt. Er sei EU- und Nato-Gegner. Während der rechte Rassemblement National (RN) seine ursprünglich harte Haltung gegenüber der EU zuletzt deutlich abgemildert habe, lehne Mélenchon das Staatenbündnis weiterhin vehement ab.
Frankreich stecke in einer politisch verfahrenen Situation. Eine Regierungsbildung dürfte sich als äußerst schwierig erweisen. "Für die EU wäre eine Regierung unter Jean-Luc Mélenchon ein Schreckgespenst", warnt der Volkswirt.
Der bekennende EU-Gegner würde das Regelwerk der Union wie etwa den Stabilitäts- und Wachstumspakt wohl konsequent ignorieren. Frankreich als zweitgrößte Volkswirtschaft der EU würde zu einem destabilisierenden Faktor. Ohnehin sei der französische Staatshaushalt mit einem Defizit von über 5 Prozent schon jetzt nicht EU-konform.
Statt der dringend notwendigen Konsolidierung des defizitären Haushalts drohe sogar eine weitere Ausdehnung der Negativlücke, insbesondere dann, wenn die umstrittene Rentenreform von Emanuel Macron wieder zurückgenommen würde. Das Renteneintrittsalter wurde dabei von 62 auf 64 Jahren angehoben. Gerade dies lehne das linke Lager ab und habe deshalb bereits schon im Falle einer Regierungsmitgliedschaft eine Rücknahme angekündigt.
"So oder so, der Staatshaushalt dürfte unter allen denkbaren Koalitionsszenarien der Leidtragende sein. Für die EU ist deshalb der Ausgang der französischen Parlamentswahlen kein guter". Französische Staatstitel dürften weiterhin mit Risikoaufschlägen gegenüber deutschen Bundesanleihen handeln. Deutliche Kursgewinne des Euro gegenüber dem Dollar dürften vorläufig ausbleiben.
Quelle: ntv.de