Wissenslücke Finanzielle (Ein-)Bildung
12.02.2007, 11:23 UhrVon Volker Schilling, Fondsmanager Greiff AG
Finanzielle(Ein-)Bildung
Es gibt in Deutschland kaum eine finanzielle Allgemeinbildung, sondern überwiegend eine finanzielle Einbildung. So kommt es, dass immer wieder Geld falsch oder zum falschen Zeitpunkt investiert wird. Aus mangelndem Geldwissen entscheiden sich die meisten Menschen daher für die vermeintlich konservativste Variante, dem Sparbuch! Dieses ist in Deutschland auf keinem Fall deshalb so beliebt, weil es hohe Zinsen bringt, sondern weil es diese mickrigen Erträge stetig und berechenbar erwirtschaftet. Wer also keine Ahnung von Geldanlage hat, der wird sich auf keine „unberechenbaren“ Anlagen einlassen. Es sei denn, die Renditeerwartungen sind so hoch, dass die Gier das Hirn frisst !
Sparen oder Konsumieren ?
Im Grunde ist der Umgang mit Geld sehr leicht: Entweder ich gebe es heute aus (Konsum) oder ich lege es für später zurück (Sparen)! Letztlich ist das Sparen von Geld nichts anderes als Konsumverzicht heute, um sich Konsum später leisten zu können. Im Umkehrschluss kann ich folglich nur soviel konsumieren, wie ich Geld habe oder nur soviel sparen, wie mir nach meinen Ausgaben übrig bleibt. Soviel zu Theorie, jetzt zur Praxis: Seit Erfindung des Kreditgewerbes haben Menschen Ihren Konsum nicht nur mit eigenem, sondern auch mit fremdem Geld finanziert. So kann ich auf „Kosten anderer“ erst einmal mehr konsumieren, mit dem Nachteil zu einem späteren Zeitpunkt weniger zur Verfügung zu haben, denn zu guter Letzt muss ich nicht nur das geliehene Geld zurückzahlen, sondern auch eine „Ausleihgebühr“ oder auch Schuldzinsen genannt! Dadurch kann ich zwar heute mehr Geld ausgeben, habe aber später weniger zur Verfügung. Diese „Schuldenfalle“ wird umso größer je länger sie andauert und je höher die Schuldzinsen sind. Dabei ist das Kreditgewerbe eifrig bemüht, diesen schrecklichen Zusammenhang so gut es geht zu kaschieren. So nennen inzwischen einige Kreditinstitute Ihre Darlehen „Rückwärtssparen“ oder werben mit flotten Sprüchen für „easy credits“ !
Wissen allein reicht nicht !
Wer sich für den Weg ohne Schulden entschieden hat, der muss Informationen haben, wie viel Geld er denn heute, morgen und übermorgen braucht! Also die Frage, wie sehen meine Lebenshaltungskosten heute aus und was brauche ich später, z.B. im Rentenalter? Nur wer diese Größen bestimmt, weiß überhaupt für welches Ziel er spart und wie viel er sparen muss! Zwei Drittel der Deutschen glauben, dass sie fürs Alter zu wenig vorsorgen. Mehr als ein Drittel will daher mehr sparen. Fragt man jedoch einige Monate später nach, hat kaum jemand tatsächlich mehr Geld auf die Seite gelegt. Wissen allein schützt eben nicht! Auch ein Alkoholiker weiß im Grunde, dass Alkohol eine Droge ist. Dennoch trinkt er weiter. Abhängigkeit oder Willensschwäche mag man dies nennen, doch genau diese menschliche Komponente hindert uns beim Umgang mit Geld häufig das richtige zu tun. Wir orientieren uns daher viel zu oft an anderen, anstatt etwas an unserem eigenen Verhalten zu ändern. Deshalb würden viele von uns auch spontan lieber in einer Welt leben, in der sie selbst 80.000,- Euro verdienen, und die anderen nur 60.000,- Euro, als dass Sie 100.000,- Euro bekommen, die anderen aber 120.000,- Euro.
Disziplin ist die Mutter der Geldanlage
Das Wissen um unsere finanziellen Schwächen (Einbildungen) ist die Voraussetzung, um dagegen anzugehen. Eignen Sie sich daher Grundlagen an. Lesen Sie Bücher, aber bitte nicht die „Ich mache Sie reich in drei Tagen“ Autoren. Grundlegende Themen über Geldanlagen und Wirtschaftszusammenhänge. Besuchen Sie Kurse und Fortbildungen und fangen Sie an mit Ihren Kindern und Enkeln über das Thema Umgang mit Geld zu reden. Und werden Sie ab sofort diszipliniert. Gehen sie sogenannte “commitments“ ein. Beispiele: Ein Alkoholkranker, der von der Flasche loskommen will, geht am besten erst gar nicht in eine Bar. Und wer abnehmen will, der sorgt dafür dass keine Schokolade im Hause ist. So kommt man erst gar nicht in Versuchung. Übertragen auf die Altersvorsorge heißt dies: Wir wissen, dass wir etwas tun müssen, tun es aber nicht. Dies ist die Schwäche! Was könnte das commitment sein? Die disziplinierte monatliche Anlage in einen Sparplan bis zum Zeitpunkt x! Und wer dies nicht schafft, der muss Zwangssparen, also Anlageformen wählen, die von vornherein Laufzeiten und hohe Kündigungshürden haben, damit er nicht an die Schokolade geht!
non scholae, sed vitae discimus
Seneca prägte das Zitat, dass wir fürs Leben lernen und nicht für die Schule. Leider gibt es auf dem Lehrplan der Schulen aber kein Fach, dass sich dem Umgang mit Geld oder der privaten Haushaltsführung widmet. Dies steht im totalen Widerspruch zu den Herausforderungen des Alltags. Die Generation, die gerade jetzt Ihren Schulabschluß ablegt, ist gezwungen private Vorsorge zu treffen und hat es leider nicht gelernt. Dabei brauchen mündige Bürger drei Dinge für Ihre finanzielle Allgemeinbildung: Erstens Kritikfähigkeit gegenüber sich selbst. Zweitens das Grundwissen über soziale Sicherungssysteme und gängige Finanzprodukte. Und drittens ein gesundes Misstrauen gegenüber jedem der vorgibt ihnen bei der Geldanlage helfen zu wollen. Auf diesen drei Pfeilern muss das Grundgerüst finanzieller Bildung in der Schule stehen.
Quelle: ntv.de