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Ölpreis Schwierige Prognose

Investment-Kommentar von Frdric Vanparijs, CFA und Senior Investment Manager ING Invest Global Equities – Energy/Utilities

Es gibt wohl kaum eine Frage, die dem Manager eines Energie- oder Rohstoff-Fonds so oft gestellt wird wie die, wohin sich der Ölpreis entwickeln wird. Leider ist die Antwort darauf nicht ganz einfach, denn zumindest auf kurze Sicht sind Prognosen zur weiteren Ölpreisentwicklung schwierig vorher zusagen. Das kann jeder nachvollziehen, der einen Blick auf den Chart des Ölpreises wirft. Notierte der Preis für ein Barrel (159 Liter) Rohöl im August 2006 noch bei nahezu 80 US-Dollar, fiel er bis zum Januar 2007 bis unter 50 Dollar. Mittlerweile sind wir wieder bei nahezu 70 Dollar (WTI: 68,03 US $ pro Barrel, Stand 18. Juni 2007).

Volatile Preisentwicklung

Diese hohen Volatilitäten haben ihre Ursache in der Abhängigkeit des Ölpreises von verschiedenen Faktoren: Zum einen sind dies geopolitische Ereignisse, wie etwa der Streit um die Urananreicherung im Iran oder der wachsende Widerstand der Einheimischen in afrikanischen Fördergebieten. Die dortigen Einwohner werfen den Ölförderern vor, zu wenig Augenmerk auf den Umweltschutz zu legen, außerdem kommt von den Erlösen des schwarzen Goldes vor Ort so gut wie nichts an. Zum anderen spielen Versorgungsschwierigkeiten eine große Rolle, sei es durch Pipeline-Lecks wie etwa dem in Prudhoe Bay, Alaska oder durch schlechte Wetterbedingungen wie Stürme.

All diese Risiken haben zwei Dinge gemeinsam: Man weiß um ihre Existenz, es ist aber nicht klar, ob oder wann sie zu einer Bedrohung werden. Aus diesem Grund liegt eine permanente Spannung im Markt, die sich dann in Form eines steigenden Ölpreises löst, wenn ein Ereignis eintritt. Die Bevölkerung reagiert dann jedes Mal geschockt – was nicht daran liegt, dass wir durch einen kurzfristig höheren Preis in persönliche wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Denn trotz des in den vergangenen Jahren relativ stark gestiegenen Ölpreises nehmen die Ausgaben für Transport und Heizkosten noch immer einen relativ geringen Anteil am persönlichen Budget eines Verbrauchers ein (auch wenn es sich anders anfühlt).

Der Grund für unseren Aufschrei ist, dass wir eine Zeitlang brauchen, um uns an höhere Preise zu gewöhnen. Schließlich stöhnt heute auch kaum jemand über die Preise von Waschmittel, Obst oder Zeitungen, auch wenn diese Güter früher alle günstiger waren – aber sie sind eben langsamer und dabei kontinuierlich teurer geworden.Genau das gleiche könnte auch beim Ölpreis passieren. Auf mittlere Sicht dürfte er sich allerdings erstmal in einer Spanne von 50 bis 70 Dollar bewegen, wahrscheinlich eher am oberen Ende dieses Korridors. Sobald die angesprochenen unvorhergesehenen Ereignisse eintreten, werden kurzfristig wohl höhere Notierungen erreicht, die aber kaum von Dauer sein werden.

Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen rechtfertigen die derzeitigen Produktionskosten einfach keinen höheren Ölpreis. Zwar könnte dieser Fall irgendwann eintreten, schließlich werden die Kosten in den nächsten Jahren steigen, da man auf den leicht zugänglichen Ölfeldern an die Fördergrenzen stößt. Die positiven Erträge der Ölgesellschaften zeigen jedoch, dass wir noch weit von dem Punkt entfernt sind, an dem sich die Ölförderung nicht mehr lohnen würde.

Mehr als genug Öl vorhanden

Zum anderen ist noch mehr als genug Öl vorhanden. Natürlich sind die Reserven endlich, aber das heißt noch lange nicht, dass sie knapp sind. Es ist noch genug Öl in der Erde und die Vorräte werden noch Jahrzehnte halten, eventuell sogar bis über das Ende dieses Jahrhunderts hinaus. Die Schwierigkeit ist nur, das schwarze Gold aus der Erde zu fördern, und das auch noch in immer größeren Mengen, da der weltweite Bedarf derzeit stetig steigt. Problematisch ist ebenfalls, dass ein großer Teil der Vorräte in Ländern liegt, die wir oft als politisch instabil bezeichnen oder die skeptisch gegenüber ausländischen Investments eingestellt sind.

Die Förderkosten könnten auf lange Sicht also dafür sorgen, dass der Ölpreis steigt, eine eventuelle Knappheit, so sehr sie auch immer wieder prognostiziert wird, wird dabei keine Rolle spielen.

Denkbar ist jedoch auch ein ganz anderes Szenario, das unmittelbar mit dem weltweiten Wirtschaftswachstum – und insbesondere mit dem in den USA und China – zusammenhängt: Der Ölpreis wird nämlich nur so lange hoch bleiben, wie die Weltwirtschaft nicht an Dynamik verliert, denn nur das gewährt eine anhaltend hohe Nachfrage. Sollte der, allerdings unwahrscheinliche, Fall einer Rezession auftreten, könnte der Ölpreis dagegen aufgrund der dann stark sinkenden Nachfrage bis unter 40 Dollar fallen, und zwar trotz der steigenden Förderkosten. Ein so niedriger Preis wäre sicherlich nicht von Dauer, unter den aufgezeigten Umständen aber zumindest denkbar.

Die Angaben in diesem Dokument dienen ausschließlich zur Information und stellen kein Angebot dar. Insbesondere sind sie weder ein Verkaufsprospekt noch eine Aufforderung, ein Wertpapier zu halten, zu kaufen oder zu verkaufen oder sich an irgendeiner Handelsstrategie zu beteiligen.

Quelle: ntv.de

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