Russland Vor der Wahl
27.02.2008, 11:58 UhrInterview mit Markus Zschaber, V.M.Z. Vermögensverwaltung
1. Inwiefern könnte die Wahl in Russland die Börsenentwicklung beeinflussen?
Markus Zschaber: Die kommenden Wahlen in Russland stellen unserer Ansicht nach keine großen Überraschungen mehr da. Putins Partei (Kreml-Partei Geeintes Russland) hat 64% der Wahlstimmen bekommen, die Parteien LDPR sowie „Gerechtes Russland“ ca. 8%. Putin benannte Dimitry Medvedev als seinen Nachfolger, der wiederum im Gegenzug Wladimir Putin als Premierminister nach der Präsidentschaftswahl vorschlug.
Resultierend aus dem Nachfrage-Boom der letzten Jahre befinden sich fast alle Rohstoffnotierungen nahe ihren preislichen Rekordniveaus. Die stark gestiegenen Preisentwicklungen über das gesamte Spektrum des Rohstoffuniversums sorgen für hohe Einnahmen und daraus resultierende Haushaltsüberschüsse der rohstofffördernden Länder. Die hohen Liquiditätsströme, gerade aus den OECD – Nationen, führen zu einer aktiven Entschuldung und bilden die Grundlage, um Infrastrukturprojekte zu refinanzieren.
Gerade die ökonomischen Abläufe in Russland, das noch gegen Ende des letzten Jahrtausends seinen hohen Auslandsverpflichtungen so gut wie nicht mehr nachkommen konnte, sind beeindruckend. Heutzutage, also noch nicht einmal zehn Jahre nach der Russlandkrise, könnte die russische Regierung den kompletten Staatshaushalt entschulden. Daneben konnte Putin in den letzten 8 Jahren viele positive Reformen erfolgreich umsetzen: neben der politischen Stabilität wurden große Investitionen in die volkswirtschaftliche Infrastruktur wie Straßenbau, Aufbau und Modernisierung vieler Wirtschaftzweige, Investitionen in Forschung und Bildung sowie die bereits angesprochene massive Entschuldung des Landes durchgeführt.
Ausgehend davon, dass Dimitry Medvedev Putins Position übernehmen wird und Putin als Premier weiterhin starken politischen Einfluss haben wird,
a) im Land durch die enge Verbundenheit zu Dimitry Medvedev,
b) außenpolitisch durch ein Weiternutzen seiner engen Kontakte zu den meisten Weltnationen sollten keine Störfeuer für die Börsenentwicklung entstehen.
2. Wie schätzen Sie die Aussichten für die russische Börse ein?
Markus Zschaber: Die russische Öl- und Gaskondensatproduktion ist im vergangenen Jahr um 2,1 % auf 491 Mio. Tonnen gestiegen. Russland ist nicht nur Rohöllieferant: Etwa 50% der weltweiten Titanium-Produktion und rund 25% der globalen Palldadium-Produktion stammen aus russischer Förderung. Hierdurch, gepaart mit dem konstant hohen Rohstoffbedarf der OECD-Nationen, zusätzlich getrieben durch die starke Nachfrage aus den Schwellenländern wie China und Lateinamerika, wird der positive Liquiditätsstrom in den russischen Haushalt hoch bleiben. Dies finanziert wiederum die schon angesprochenen Reformen und Investitionsprojekte. Alleine in den kommenden Jahren wird Russland zweistellige Milliarden USD Beträge in den Ausbau der landesweiten Infrastruktur und der Energieversorgung investieren.
Gestützt wird dieser positive Effekt durch eine starke Binnennachfrage und von erfolgreichen Unternehmensrestrukturierungen. Russische Unternehmen haben einen hohen positiven Cashflow sowie einen attraktiven Return für die Investoren.
Gemessen an der durchschnittlichen Aktienbewertung ist Russland (KGV RTS 11,5) eines der günstigsten Emerging Marktet Länder. Länder wie China (KGV CSI300 42) und Indien (KGV Sensex 24,1) sind im direkten Vergleich deutlich teurer. Einziger Wermutstropfen ist die recht hohe Inflation, getrieben durch einen engen Arbeitsmarkt und dadurch steigenden Löhnen sowie die Verteuerung von Nahrungsmittel und Energie.
Wir schätzen die Aussichten für 2008 und 2009 als robust und attraktiv für Anleger ein, die sich der möglichen höheren Schwankungen bewusst sind. Anleger sollten ihr Investment an börsenschwachen Tagen aufbauen.
3. Russische Aktien - sind das mittlerweile mehr als Ölwerte?
Markus Zschaber: Wie bereits angesprochen liefert Russland neben Öl und Gas auch weitere wichtige Rohstoffe wie ca. 50% der weltweiten Titanium-Produktion und rund 25% der globalen Palldadium-Produktion. Große Werte sind auch im Stahlbereich zu finden sowie bei Banken & Telekommunikationsunternehmen. Gerade Banken und Telekoms werden in den kommenden Jahren profitieren: Durch die steigenden Einkommen und die Eigentumsliberalisierung ist es nun auch Privatpersonen möglich, Wohneigentum zu erweben. Hier wird die Nachfrage im Segment der Baufinanzierungen über die kommenden Jahre ebenso weiter ansteigen, als dieses bereits im Konsumentenkreditbereich der Fall ist. Durch die steigenden Einkommen sowie die Möglichkeit, aus einer wesentlich größeren Auswahl an hochwertigeren Konsumgütern auswählen zu können, wird die Nachholdynamik des privaten Konsums weiter ansteigen. Die attraktiven Margen im Kreditbereich sorgen für gute Einnahmequellen der Banken. Im Telekomsektor werden vor allem Mobilfunkanbieter höher profitieren können. Im russischen Markt werden fast ausschließlich Pre-Paid – Verträge angeboten, wodurch kein Gebührenausfallrisiko vorhanden ist und eine entsprechende Ertragssicherheit für die Anbieter in diesem Bereich vorhanden.
4. Wie sollten Anleger vorgehen? In Einzelwerte investieren oder besser breiter streuen bspw. mit Fonds?
Markus Zschaber: Emerging Markets sind im Allgemeinen von überproportionalen Schwankungen geprägt, über die sich ein Anleger bewusst sein muss. Darüber hinaus ist ein langfristiger Anlagehorizont bei einer Anlage in diesen Märkten sehr wichtig. Für einen Privatanleger ist es jedoch sehr schwer gutes Researchmaterial über Einzelwerte zu bekommen. Hier ist es absolute empfehlenswert auf die Expertise und die damit verbundenen guten Kontakte der Fondsgesellschaften zurückzugreifen. Geplante Anlagen sollten über Fondsinvestment realisiert werden.
5. Welche konkrete Anlageempfehlung gibt es für Investoren?
Markus Zschaber: Wer als Anleger ausschließlich auf Russland setzen möchte, könnte den DWS Russia WKN 939855 nutzen. Für eine etwas breitere Länderdiversifikation in weitere osteuropäische Länder können der Griffin Eastern Europe Fund WKN 988954 sowie der Nestor Osteuropa Fonds WKN 930905 genutzt werden.
6. Wie groß sollte Depotanteil höchsten sein?
Generell sollte ein Investment in Emerging Markets nur als Depotbeimischung dienen, also zwischen 5 bis max. 10%.
Vielen Dank für das Interview.
Quelle: ntv.de