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Friedrich Huber Ratingagenturen sind Teil des Problems

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Die Schuldenkrise in Europa wird immer prekärer. Dazu tragen die Urteile von Ratingagenturen erheblich bei. Dabei sind diese Agenturen alles andere als unabhängig. Fragt sich, ob man weiter auf sie vertrauen oder ihren Allmacht-Status nicht besser eindampfen sollte.

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Die Ratingagentur Fitch drohte Mitte Dezember  gleich sechs Euro-Mitgliedsstaaten, deren Kreditwürdigkeit kurzfristig  herabzustufen. Zudem senkte die Agentur den Ausblick für Frankreich von „stabil“ auf „negativ“, was die Refinanzierungskosten unseres Nachbarlandes nach oben trieb. Doch wer oder was gibt den Ratingagenturen eigentlich das Recht und die Macht zu solch weitreichenden Entscheidungen?

Ein klassisches Oligopol

Ratingagenturen sind private Unternehmen, die mit der Bewertung der Kreditwürdigkeit von Bank en, Konzernenund Staaten Geld verdienen.  Ihr Ziel ist es zu beurteilen, mit welcher Wahrscheinlichkeit das verliehene Geld und die damit verbundenen Zinszahlungen zurückbezahlt werden. Die drei größten Ratingagenturen Moody’s (USA), Standard & Poor’s (USA) und Fitch (GB) haben zusammen einen Marktanteil von über 90 Prozent, was die Definition eines Oligopols zweifelsfrei erfüllt.

Knallharte wirtschaftliche Interessen

Haupt-Aktionär von Moody’s ist die US-amerikanische Beteiligungsgesellschaft  „Berkshire Hathaway“. Geleitet wird das Unternehmen von Investor und Multimilliardär Warren Buffett. Weitere Großaktionäre sind „Goldman Sachs“, die Rothschild-Bank „Barclays“ und Morgan Stanley. Standard & Poor’s ist eine Tochter von „McGraw Hill“, des größten US-Verlags für Wirtschaftsmedien. Fitch Ratings gehört zu 60 Prozent dem französischen Milliardär Marc Ladreit de Lacharrière, der im Beirat der französischen Zentralbank sitzt.  Die restlichen 40 Prozent werden vom US-amerikanischen Medienkonzern Hearst Corporation gehalten.

Konnten oder wollten die Agenturen die Probleme nicht erkennen?

Nicht erst seit der Finanzkrise 2008 müssen sich die großen Drei der Branche den Vorwurf gefallen lassen, dass sie ihre Prüfungen nicht immer mit der notwendigen Sorgfalt ausführen. So hatten sie 2001 die Zahlungsfähigkeit des größten US-Energieunternehmen Enron bis vier Tage vor der Insolvenz  mit Bestnoten bewertet. Lehman Brothers, Parmalat und Worldcom sind drei weitere Beispiele, in denen die Ratingagenturen das Unheil nicht kommen sahen. Das könnte damit zusammenhängen, dass Unternehmen, aber auch manche Länder selbst für ihre Ratings zahlen.

USA und Japan kommen besser weg als viele EU-Länder

Analogien finden sich auch auf Länderebene: Die USA sind mit beinahe 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschuldet, doch die Bonität wird nach wie vor mit AA+ eingestuft. Auch hochverschuldete Länder wie Großbritannien und Japan erhalten weiterhin Bestnoten. Das mag damit zu tun haben, dass die Ratingagenturen mit zweierlei Maß messen. So werden im Falle Griechenlands die Schulden der öffentlichen Krankenhäuser in die Verschuldung eingerechnet,  während vergleichbare Belastungen vieler US-Staaten  (etwa Kalifornien) unberücksichtigt bleiben.

Investoren setzen zunehmend auf eigene Recherche

Fragt sich, ob es da noch sinnvoll ist, dass sich die Europäische Union bei der Bewertung ihrer Mitgliedsstaaten weiterhin den US-lizensierten Agenturen beugt. Gleiches gilt übrigens auch für den 700 Milliarden Euro schweren Rettungsfonds.  Glücklicherweise verlassen sich  schon jetzt immer weniger Investoren ausschließlich auf die Bonitätssiegel der Ratingagenturen. Werden bestimmte Ratingkriterien gerissen, setzen sie zunehmend auf die eigene Analyse – oder suchen zuerst den Dialog mit den Geschäftspartnern, bevor sie entscheiden, ob sie deren Papiere veräußern. 

Der Autor Friedrich Huber ist geschäftsführender Gesellschafter der Huber Reuss & Kollegen Vermögensverwaltung und Experte des Internetportals Vermögensprofis.de.

Quelle: ntv.de

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