Emerging Markets Über BRIC-Staaten hinaus denken
04.02.2010, 11:49 Uhr
n-tv Reporter Andreas Kock sprach mit James Syme der u.a. den Fonds Baring Global Emerging Markets managt

Andreas Kock Wie schätzen Sie die Aussichten für die Emerging Markets in diesem Jahr ein?
James Syme Insgesamt, denke ich, sind die Aussichten für 2010 sehr gut. Denn die Zuwächse bei den Unternehmensgewinnen bleiben in unseren Schätzungen stabil. Wenn Sie auf die Rückgänge von 2008 und zu Beginn von 2009 schauen, dann steht eine lange Erholung bevor. Wir rechnen also mit weiter steigenden Unternehmensgewinnen und das sollte die Aktienmärkte beflügeln.
AK Mit Ihren Investments gehen Sie weit über den BRIC-Komplex hinaus. Weshalb?
JS Unser Schwellenländerprodukt hat einen starken Länderfokus. Ganz offensichtlich ist die Binnennachfrage-Story der BRIC-Staaten sehr stark. Viele Investoren sind im vergangenen Jahr darauf eingestiegen. Aber es gibt zwei Aspekte, die man beachten sollte. Die Binnennachfrage-Thematik lenkt einfach davon ab, wie stark Schwellenländerunternehmen den Aufschwung der Weltwirtschaft bestimmen. Das gilt offensichtlich für Rohstoffproduzenten, Versorger, Technologieunternehmen und Maschinenbauer. Und es spricht viel dafür, dass die Erholung der US-Wirtschaft stärker ausfällt – stärker als die der Euro-Zone. Das sollte diesen Schwellenländern und ihren Unternehmen Schwung verleihen. Darum sind wir sehr positiv für Länder wie Korea und Taiwan. Aber auch Mexiko bietet gute Gelegenheiten.
Der zweite Aspekt, den man verpasst, wenn man nur BRIC kauft, sind die kleineren Märkte, die auch ein großes Potential bei der Binnennachfrage haben. Zwei gefallen uns ganz besonders, das sind Indonesien und die Türkei.”
AK Überhaupt gilt Indonesien ja auch als ein Favorit für 2010!
JS Indonesien ist bei uns einer der Länderschwerpunkte. Indonesien und auch die Türkei haben es geschafft, Inflation abzubauen, wobei auch die Kreditzinsen sehr gefallen sind. So ist auch das Niveau der Kreditvergabe sehr niedrig. Das Verhältnis von privater Verschuldung zum Bruttoinlandsprodukt ist für Indonesien und Türkei eines der niedrigsten weltweit. Mit den niedrigen Zinsen und der stärkeren Verfügbarkeit von Krediten erwarten wir darum einen über Jahre dauernden Boom im Konsum. Darum sind wir nicht nur positiv für das Finanzgewerbe dieser Länder sondern auch für Bereiche wie Immobilien, Automobilbau und andere Sektoren des Konsums.
AK Machen Sie sich Sorgen wegen der Maßnahmen der chinesischen Regierung, die ein Überhitzen der Wirtschaft eindämmen sollen?
JS Die Botschaft der chinesischen Aktienmärkte ist klar. Die Sorgen sind groß wegen der Maßnahmen der Regierung, die bislang ergriffen wurden und jener, die noch kommen werden. Bei den Unternehmen an der Basis sehen wir aber immer noch eine positive Entwicklung bei den Umsätzen und den erwarteten Gewinnen – besonders bei Banken und im Konsum. Und bei den Banken sind die KGVs auf den Wert zehn gesunken. Wir haben uns entschieden, China stärker zu gewichten, obwohl es dort zur Zeit etwas schwierig ist. Ich denke, womit die Märkte auch anderswo ringen, ist die Straffung der Zinspolitik. Das wird ein Phänomen in allen Emerging Markets in diesem Jahr sein. Auch Indien und Brasilien als zwei große Märkte werden mit der Straffung der Zinspolitik fortfahren. Wir sehen aber mehr Potential für Zuwächse in China als in anderen Märkten. Obwohl es also ein schwieriger Monat für China war, bleiben wir optimistisch gerade wegen der Unternehmensgewinne.
AK Restriktivere Kreditvergabe ist ja auch in Brasilien sinnvoll, wo es angeblich eine Blase bei Konsumentenkrediten gibt!
JS Die durchschnittliche Verschuldung des brasilianischen Konsumenten ist ziemlich niedrig. Auch hatte Brasilien nur einen ganz leichten Abschwung im Jahr 2009 und die Arbeitslosigkeit ist auf einem Rekordtief. Es sollte also keinen Grund für Exzesse in Brasilien geben. Unsere Sorgen für brasilianische Aktien betreffen 2010 zwei Dingen. Das erste ist die Bewertung. Der Markt ist mit seinen Kursen in einem Allzeithoch. Das zweite ist das politische Risiko. 2010 ist ein Wahljahr. In der ersten Oktoberwoche finden Präsidentschaftswahlen statt. Es wird einen Wechsel im Präsidentenamt geben. Das muss zu politischen Risiken für den Markt führen. Obwohl der Markt nach der letzten Wahl 2006 stabil blieb, waren doch die beiden vorangegangenen Wahlen 2002 und 1998 sehr volatil und schwierig für brasilianische Aktien. Obwohl wir Brasilien auf lange Sicht sehr mögen, haben wir es gerade untergewichtet wegen der politischen Risiken und den sehr anspruchsvolllen Bewertungen.
AK Was halten Sie von der These, dass sich die Schwellenländer wirtschaftlich von den entwickelten Industriestatten abkoppeln?
JS In Bezug auf die Wachstumsraten gibt es sicherlich eine Abkopplung. Dennoch beeinflussen sich beide Seiten sehr stark. Denn viele Exporte von Schwellenländern gehen in die entwickelten Länder. Für 2010 sieht es bei den Wachstumsraten sicherlich bei den Emerging Markets besser aus als für die Industriestaaten. Mehr als bei Volkswirtschaften ist die Korrelation bei den Aktienmärkten auch noch sehr groß. Eine der Lektionen von 2008 war doch, dass in Abschwungsphasen die Korrelationen sogar noch stärker steigen. Aber eine unserer Kernbotschaften ist derzeit, dass wir ausgehend von vielen Indikatoren mit einem starken Start der Wirtschaft der USA rechnen. Und wollen Sie in einem solchen Umfeld eher abgekoppelt oder will man nicht lieber angeoppelt sein an die weltgrößte Volkswirtschaft, die am Beginn eines zyklischen Aufschwungs steht? Ich glaube, Abkopplung ist gut im Abschwung entwickelter Märkte. Aber jetzt will man vielleicht doch eher etwas Ankopplung im eigenen Portfolio haben.
AK Danke für das Gespräch.
Quelle: ntv.de