Per Saldo - die Wirtschaftskolumne Das perfekte Dinner
28.08.2009, 12:43 Uhr"Ach, Joe!", möchte man seufzen, angesichts des mit Spargel und Schnitzel gefüllten Fettnäpfchens, in das Deutsche-Bank-Chef Ackermann jetzt getreten ist. Anlässlich seines 60. Geburtstages habe ihm die Bundeskanzlerin einen wunderschönen Abend bereitet, schwelgte er in einem TV-Portrait über Angela Merkel. Die öffentliche Replik kam reflexartig: Der feine Herr Banker speist mit seinen Freunden im Kanzleramt – und das auf Kosten der Steuerzahler? Skandalös.
Es ist ja nicht so, als ob es in diesem Wahlkampfsommer keine dringenderen Themen gäbe – Arbeitslosigkeit, Kreditklemme, Staatsverschuldung - um nur einige zu nennen. Alles wichtig, aber alles auch ein bisschen anstrengend bei der Hitze. Da empören wir uns doch lieber über die Dienstwagenfahrten von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) an ihren spanischen Urlaubsort, oder die externen Gesetzesberater, die Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zur Seite stehen. Und wenn wir schon dabei sind – was hat eigentlich Josef Ackermann zuletzt so gemacht? Aha, er hat gegessen. Und zwar nicht irgendwo, sondern in unserem Kanzleramt. Mit 25 "Freunden". Auf Steuerzahlerkosten. Gut, das Ganze fand schon im April 2008 statt und es geht auch nur um Schnitzel, Spargel und Erdbeeren, nicht um Kaviar, Hummer und Champagner, aber trotzdem.
Diesen "Lobbyismus-Sumpf" sollte sich der Bundestags-Haushaltsausschuss doch mal genauer ansehen, empörten sich Linke und Grüne. Und schon hatten die Ulla und der Karl-Theodor vor dem Ausschuss Gesellschaft. Kanzlerin Merkel wies die Kritik an dem Essen zurück und pochte darauf, dass die Distanz gewahrt blieb. Gleichzeitig zeigte Merkel Verständnis für das öffentliche Interesse. "Da muss man sensibel sein", so die Kanzlerin.
Sei doch mal sensibel!
Sensibilität scheint hier das richtige Stichwort zu sein. Sicherlich kann man argumentieren, dass Herr Ackermann einfach die ideale Projektionsfläche für all das ist, was böse Banker so machen. Und doch fragt man sich, warum sich gerade an der Causa Ackermann die Gemüter immer wieder derart entzünden. Denn der Bank-Manager macht auch vieles richtig. So steuert er sein Institut sicher durch die Finanzkrise: Nach einem hohen Verlust Ende vergangenen Jahres erwirtschaftete die Deutsche Bank im ersten und zweiten Quartal wieder Milliardengewinne. Und sein Bekenntnis im Oktober 2008, sich zu schämen, in der Finanzkrise Geld vom Staat zu nehmen, wo sein Haus doch vorher Milliarden scheffelte, klingt, mit der richtigen Betonung gelesen, eigentlich ganz anständig. Hätte er die Staatsmilliarden genommen – wir alle hätten ihn zum Schämen in die Ecke geschickt.
Nach all den Jahren, die der Schweizer Manager hier verbracht hat, scheint die Kommunikation zwischen ihm und den Deutschen jedoch noch immer gestört zu sein. Das klassische Sender-Empfänger-Problem: Gesagt ist nicht gehört – gehört nicht gleich verstanden. Beim Mannesmann-Prozess im Jahr 2004 machte Ackermann seinem Unverständnis über die deutsche Mentalität Luft: "Dies ist das einzige Land, in dem diejenigen, die Erfolg haben und Werte schaffen, deswegen vor Gericht gestellt werden". Freunde machte er sich damit nicht. Und die schlechte Michael-Jackson-Imitation mit seinem zum "V" gespreizten Finger vor Prozessbeginn gab ein Bild ab, das ihn bis heute verfolgt.
Unterscheidet sich die Mentalität der Schweizer wirklich so sehr von der der Deutschen? Und wie kann man dem Mann helfen? Mit einem Training zum interkulturellen Miteinander vielleicht? Denn das es hier und da an der nötigen Sensibilität im Umgang mit uns fehlt, zeigt das Dinner im Kanzleramt exemplarisch: "Nach meinem 60. Geburtstag hat Frau Merkel mir gesagt, sie würde gerne etwas für mich tun", freute sich Ackermann ehrlich in der Dokumentation über die Kanzlerin. "Ich soll doch einmal 30 Freunde und Freundinnen einladen (…) mit denen ich gerne einen Abend zusammen sein würde – im Kanzleramt." Die perfekte Steilvorlage für Zeitungsüberschriften und Stammtischgespräche. Ist das tatsächlich so wenig absehbar?
Offenbar nicht, denn Vizeregierungssprecher Klaus Vater kochte die Angelegenheit sofort deutlich herunter: "Es ist natürlich kein Ackermann-Schulfreunde-Essen gewesen." Die Kanzlerin lade immer wieder interessante Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ins Kanzleramt ein. Dass Ackermann dabei selbst die Gästeliste bestimmen durfte, sei so nicht zutreffend. Stattdessen sei er lediglich gefragt worden, ob es aus seiner Sicht Menschen gebe, die solch ein Abendessen bereichern könnten. In Augen von Ackermann vielleicht ein unwichtiges Detail. In anderen Augen der entscheidende Unterschied.
Heute Abend gibt es noch ein Abendessen. Nicht im Kanzleramt, sondern bei der besten Freundin. Es werden nicht Spargel und Schnitzel gereicht, sondern Ravioli mit Kürbis-Ricotta-Füllung. Joe Ackermann ist nicht eingeladen, aber ein anderer echter Schweizer sitzt mit am Tisch. Vielleicht kann er den Unterschied zwischen den Eidgenossen und den Bundesbürgern erklären. Oder zwischen Managern und dem Rest der Welt.
Quelle: ntv.de