Kolumnen

Die Busch-Trommel Einfach mal den Mund halten!

Im Schatten der Protest-Graffitis wird bereits aufgeräumt.

Im Schatten der Protest-Graffitis wird bereits aufgeräumt.

(Foto: dpa)

Manchmal kommt der Moment, wo einfach alles gesagt ist, findet n-tv-Börsenkommentator Friedhelm Busch. Das gelte besonders für die fragile Situation in Griechenland. Warum aber ausgerechnet Sigmar Gabriel meint, vor einem Austritt Griechenlands warnen zu müssen, ist Busch ein Rätsel.

Friedhelm Busch, Börsenkommentator bei n-tv

Friedhelm Busch, Börsenkommentator bei n-tv

Zur Griechenlandwahl in knapp vier Wochen ist nun wirklich alles gesagt worden, was gesagt werden musste. Ob aber die Griechen auch alles begriffen haben, das ist bis zum Wahltag noch die offene Frage. Dabei sollten doch die Konsequenzen unstrittig sein: Entscheidet sich die Mehrheit der griechischen Wähler für das linksradikale Parteienbündnis "Syriza" und andere erklärte Gegner der mit der EU vereinbarten Spar- und Reformbeschlüsse, dann kann es keine Fortführung der bisherigen Hilfszusagen von Seiten der EU und des IWF geben, dann ist Griechenland draußen. Aus dem Euro und wahrscheinlich bald auch aus der EU.

Das klingt dramatisch, und das ist es wohl auch. Aber wer in diesen Tagen als Besucher vor Ort den Alltag der Athener beobachtet, bemerkt eine erstaunliche Ruhe und Gelassenheit. Die Cafés und Restaurants sind gut gefüllt und von der Wut der Griechen während der jüngsten Demonstrationen und Straßenschlachten künden nur noch die zahllosen Graffiti, die nahezu jede freie Wandfläche an privaten Häusern und öffentlichen Gebäuden zuschmieren und den wenigen Touristen immerhin eine Ahnung davon vermitteln, wie tief der Graben sein muss zwischen der griechischen Bevölkerung und dem durch und durch korrupten Staatsapparat.

An die Zukunft denken

Die Wut über die politische Führung des Landes hat sich offenkundig in der katastrophalen Wahlniederlage der beiden großen Parteien, die mit ihrem Personal und ihren Programmen für den jahrelangen Niedergang des Landes stehen, entladen. Hoffen wir also, dass nun die Mehrheit der Griechen zur Vernunft zurückkehrt und sich konstruktiv der Zukunft des Landes zuwendet. Und die kann im Grunde nur innerhalb der europäischen Gemeinschaft stattfinden. Unterstützt und angeschoben von europäischen Hilfsprogrammen und ausländischen Investoren.

Hilfe von außen aber kann nur der erwarten, dem man vertrauen kann, der Vereinbarungen einhält, der den unbedingten Willen zu einem totalen Neustart beweist. Dazu gehören nun mal die vereinbarten drastischen Einschnitte in die verfügbaren Haushaltseinkommen aller Griechen, aber wichtiger noch als Einsparungen und erhöhte Steuerbelastungen sind Reformen. Das Land braucht eine korruptionsfreie und effiziente Verwaltung, beispielsweise im Bereich des Arbeitsrechts, in der Niederlassungsfreiheit und vor allem im Steuerrecht. Ohne eine funktionierende Finanzverwaltung kann kein Staat dieser Welt existieren.

Die Mehrheit der Griechen ist intelligent genug, diese Zwänge zu erkennen. Sie wissen doch selber, dass ein Austritt aus dem Euro die Wirtschaft des Landes auf Jahre, wenn nicht Jahrzehnte ins Abseits, in die Isolation katapultieren würde.

Wenn diese Erwartungen nicht trügen, werden bei der kommenden Wahl die Befürworter der Spar- und Reformvereinbarungen die Mehrheit erreichen, die einen Verbleib des Landes in der Eurozone und den Aufbau einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft ermöglichen. Das wird mit Sicherheit länger dauern als die atemlosen Medien ertragen, aber das sollte die verantwortlichen Politiker nicht bekümmern. Für die Börsen wäre ein derartiger Wahlausgang Manna vom Himmel.

Schlupfloch gesucht

Die Erwartung aber, die von den links- und rechtsradikalen Parteien geschürt wird, man könne den Sparvereinbarungen und Reformversprechen entkommen und trotzdem weiterhin die Milliarden der EU und des IWF einstreichen, diese Hoffnung kann nur deshalb keimen, weil interessierte Kreise außerhalb Griechenlands immer wieder den Anschein erwecken, man könne vielleicht doch noch einmal die gepackten Spar- und Reformpakete aufschnüren, also für die Griechen erträglicher gestalten, weil ein Austritt Griechenlands ganz Europa ins Verderben stürzen würde; nach dem Fall Griechenlands würden sich die Finanzmärkte vermutlich sofort auf die nächsten Opfer stürzen, als da sind Portugal, Spanien oder auch Italien. Und dann wäre ganz Europa am Ende. Aber das will doch keiner. Oder? Also lieber weiter zahlen, auch ohne Sparen, ohne Reformen.

Wenn die internationale Bankenwelt so tönt, ist das noch nachvollziehbar, würden doch die Banken bei einem Austritt Griechenland aus dem Euro ihre Kredite an griechische Banken und Unternehmen abschreiben müssen und gewaltige Verluste erleiden. Auch der mediale Großeinsatz amerikanischer Politiker, Wissenschaftler und Journalisten gegen eine rigide Sparpolitik in den südeuropäischen Ländern ist erklärlich, brauchen die USA doch dringend Absatzmärkte für ihre notleidende Industrie. Gerade jetzt im Wahlkampf.

Warum aber deutsche Stimmen, wie beispielsweise der SPD-Politiker Sigmar Gabriel , sich bemüßigt fühlen, in dieser sensiblen Frage und ausgerechnet jetzt, vier Wochen vor den griechischen Parlamentswahlen, warnend auf die möglichen unabsehbaren Folgen auch für Deutschland hinzuweisen, sollte Griechenland aus dem Euro ausscheiden, bleibt mir unerfindlich. Diese Äußerungen sind töricht! So töricht, wie die Anregungen der europäischen Finanzminister, die Griechen mögen doch bitte zusätzlich zur Parlamentswahl in einem gesonderten Referendum über den Verbleib in der Euro-Zone abstimmen. Warum das denn? Die kommende Parlamentswahl ist doch bereits eine Abstimmung über die Mitgliedschaft in der Euro-Zone! Die meisten Griechen werden wohl genau wissen, worüber sie am 17. Juni abstimmen. Diese Panikszenarien und ungebetenen Anregungen von außen sind dumm und gefährlich, lenken sie doch nur Wasser auf die Mühlen der Linksradikalen in Griechenland, die ihren Wählern ein Ende der Sparanstrengungen versprechen, ohne die Vorteile der Euromitgliedschaft aufgeben zu müssen. Nach der erpresserischen Lesart: Die Europäer trauen sich doch gar nicht, Griechenland aus dem Euro zu jagen. Warum hält Herr Gabriel, warum halten die europäischen Finanzminister nicht einfach mal den Mund?

Quelle: ntv.de

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