Inside Wall Street Bären haben Ölmarkt im Griff
29.12.2008, 20:03 UhrGeopolitische Krisen schütteln regelmäßig auch die Finanz- und Rohstoffmärkte. Ganz anders zu Wochenbeginn: Die Kämpfe im Gaza-Streifen haben den Ölpreis nur ganz kurz über die Marke von 40 Dollar steigen lassen - seither geht es wieder abwärts. Ein spekulatives Jahr geht an der Nymex unerwartet ruhig zu Ende.
Erinnert sich noch jemand an den 2. Januar 2008? Am ersten Handelstag des neuen Jahres kletterte der Ölpreis zum ersten Mal in der Geschichte über 100 Dollar. Was für ein Start in ein abenteuerliches Jahr, in dem Industrie und Verbrauchern vor einem dreistelligen Ölpreis - und hohen Ausgaben für Benzin und Heizöl - graute. Zu Recht, wie sich zunächst zeigte: Bis Juli kletterte der Rohstoff auf ein Allzeit-Hoch von 147 Dollar pro Fass.
Analysten überboten sich in ihren Preisprognosen. "Mindestens 200 Dollar" solle Öl bis Jahreseende kosten, warnten die einen, langfristig stellten sich die anderen auf "ungefähr 500 Dollar" ein. Ein dramatischer Anstieg der Öl-Nachfrage aus China und anderen Wachstumsstaaten schien Händlern klar gemacht zu haben, dass der Rohstoff eines Tages nicht mehr ausreichen könnte.
Doch dann kippte der Markt: Der Ölpreis rutschte auf 140, dann 130, dann 120 Dollar bald notierte er wieder im zweistelligen Bereich. Dann bei 70 Dollar, 50 Dollar, und um Weihnachten plötzlich bei 36 Dollar. Satte 75 Prozent unter dem Sommer-Hoch und auf dem tiefsten Stand seit vielen Jahren.
Zum Jahreswechsel sprach jetzt eigentlich alles für eine - zumindest minimale - Kurskorrektur. Die Kämpfe im Gaza-Streifen werfen die Frage auf, ob eine Ausweitung der Krise die Öl-Produktion in der Region behindern könnte. Ob Krieg und Terror den Öl-Transport in die USA unterbrechen könnten. Solcherlei Sorgen können stark Preis treibend sein, und beim aktuell niedrigen Handelsvolumen umso mehr.
Dass die Preise aber nicht anzogen, zeigt, was wirklich in den Köpfen der Anleger vorgeht: Man hat begriffen, dass - vor allem angesichts der schwachen Wirtschaft in den USA und global - mehr als genug Öl gefördert und verarbeitet wird. Man weiß, dass die Nachfrage aus China im Sommer zwar sehr hoch war, aber eher aufgrund der Vorratshaltung vor den Olympischen Spielen. Radikales Wirtschaftswachstum, das man ursprünglich hinter der Rohstoff-Rally vermutet hatte, war und ist nicht auszumachen.
Dann spielt auch der Faktor Opec eine komplexe Rolle. Der Markt nimmt die Angaben aus dem Öl-Kartell nicht mehr für bare Münze. Dass man die Förderquoten jüngst so drastisch wie nie zuvor zurückgefahren hat, stabilisierte den Preis nicht, denn in der Vergangenheit scheinen die tatsächlichen Fördermengen von den offiziellen Quoten massiv abgewichen zu haben.
Zum Jahreswechsel wird der Ölmarkt - genau wie die Börsen - also weiterhin von den Bären dominiert.
Quelle: ntv.de