Schwere Verluste Dax fällt tief
24.10.2008, 17:43 UhrEine Welle von Gewinnwarnungen und schlechte Konjunkturdaten aus Großbritannien haben für heftige Kursverluste am Frankfurter Aktienmarkt gesorgt. Die Börsen seien beherrscht von der Angst vor einer weltweit schrumpfenden Wirtschaft, sagten Händler.
Der Dax gab 4.9 Prozent auf 4295,67 Zähler ab. Der Index war zwischenzeitlich auf 4014 Punkte und damit auf den tiefsten Stand seit vier Jahren gefallen, konnte sich aber fangen und legte danach in kurzer Zeit um über 2 Prozent zu. Kurz vor Eröffnung des US-Marktes schwappte dann die nächste Abwärtswelle über den DAX. "Das ist das normale Verlaufsmuster an derartigen Tagen", meint ein Händler. Hinzu komme das bevorstehende Wochenende, über das hinweg niemand positioniert bleiben wolle, da in den USA mit stärkeren Verlusten zu rechnen sei. Da die sich die US-Börsen nicht ganz so schlecht präsentierten wie befürchtet, grenzte der Dax seine Verluste wieder ein.
Mit dem Rückschlag auf 4015 Punkte sollte der Markt zunächst sauber sein, so ein Händler. "Mit verursacht worden ist der Rückschlag von den Spekulationen um ein Schließen der Börsen", so ein Händler. Denn dann könnten keine Aktien mehr verkauft werden, das würde möglicherweise zu Insolvenzen von Hedge Fonds und Private Equity führen, deren Abbau von Risikopositonen dann zum Stillstand käme. Außerdem zeige die Entwicklung der Kurse in Russland, dass ein Schließen der Börsen sinnlos sei: "Der Verkaufsdruck staut sich dann nur auf", so der Händler.
Mit dem Kurssturz hatte sich der Börsenwert der Dax-Titel seit dem Jahreshoch mehr als halbiert. Das Minus beläuft sich zusammengerechnet auf knapp 500 Milliarden Euro. Dies entspricht in etwa dem Volumen des Rettungspaketes der Bundesregierung für die angeschlagene Finanzbranche.
Banktitel leiden
Besonders hart traf es die Bankentitel: Sie verloren in diesem Zeitraum durchschnittlich drei Viertel ihres Wertes. Aktuell machen Commerzbank, Deutsche Bank und Hypo Real Estate nur noch knapp fünf Prozent der Marktkapitalisierung aller Dax-Firmen aus. "Die Klassifizierung des Dax als 'finanzlastiger' Index hat sich im Zuge der Subprime- und Finanzkrise inzwischen erübrigt", stellten die Analysten der DZ Bank fest.
Im Laufe des Monats hat der Dax damit knapp 30 Prozent eingebüßt - das ist der schlechteste Monat für den Index in seiner Geschichte. Der MDax verliert am Freitag 3,8 Prozent auf 5061,82 Punkte, während der TecDax 5,3 Prozent auf 478,76 Punkte einbüßt.
Die US-Aktienfutures wurden wegen heftiger Verluste zeitweise vom Handel ausgesetzt. Die US-Kontrakte auf die Börsenindizes fielen im europäischen Geschäft so stark, dass sie teilweise das so genannte "Limit Down" erreichten. "Wir sind einem Panik-Stadium, ich wüsste nicht wie ich es sonst nennen soll", sagte Citi-Index-Chefstratege Tom Hougaard. "Und wenn man in Panik ist, dann ist alles rationale Denken verschwunden."
Rezessions ängste
Die Börse in Japan hatte bereits massive Verluste von knapp 10 Prozent erlitten, nachdem Sony vor einem drastischen Gewinneinbruch gewarnt hatte und der Yen weiter gestiegen war. Schlechte Nachrichten kommen auch aus der Automobilindustrie: Peugeot und Volvo kürzten ihre Prognosen. Daraufhin startete der Dax schwach, doch im Verlauf schien der Dax zunächst seine Verluste etwas einzugrenzen, doch britische Konjunkturdaten setzten dem Index zu: Die britische Wirtschaft ist im vergangenen Quartal zum ersten Mal seit 16 Jahren geschrumpft, im dritten Quartal von Juli bis September ging das Wirtschaftswachstum um 0,5 Prozent zurück. Damit bestätigten sich die Befürchtungen, wonach das Vereinigte Königreich am Rande einer Rezession steht. Schrumpft die Wirtschaft auch im vierten Quartal, ist das Land per Definition in einer Rezession.
"Die Frustration wächst", so ein Händler mit Blick auf die Verluste. Am Markt gebe es einen Käuferstreik, der verhindere, dass Verkäufer Positionen ohne starken Kursdruck geben könnten. Deshalb gebe es immer mehr Titel mit zweistelligen Verlusten. Es gibt einfach nichts Positives", stöhnte ein weiterer Händler. "So langsam verbreitet sich Fassungslosigkeit", sagte ein anderer Börsianer.
Auslöser der Talfahrt war Händlern zufolge die Gewinnwarnung von Sony. Der japanische Elektronik-Gigant hatte am Donnerstag nach Börsenschluss seine Jahresprognose 57 Prozent gekürzt. Die schlechte Wirtschaftslage könnte zu Stellenabbau und Schließung von Werken führen, kündigte Sony-Finanzchef Nobuyuki Oneda an. Die Aktien von Sony brachen daraufhin um mehr als 14 Prozent ein und zogen viele andere Werte mit sich. Sony macht gut zwei Drittel seines Umsatzes im Ausland und gibt daher einen Vorgeschmack auf das, was von anderen Export-Unternehmen noch kommen könnte.
Autowerte unter Druck
Einige zogen bereits nach, vor allem aus der Automobilbranche: In Europa kürzten Renault, Volvo und Peugeot ihre Prognosen. "Die Autohersteller überbieten sich mit Gewinnwarnungen", sagte ein Händler. Autowerte stehen deshalb unter massivem Druck. VW fielen um 7,9 Prozent, Daimler um 5,9 Prozent und BMW um 5,4 Prozent. MAN gaben 4,6 Prozent ab. Dies werde Spekulationen über Kostensenkungspläne fördern und sämtliche Autozulieferer weiter unter Druck stehen lassen, heißt es.
Conti fielen um 9,4 Prozent. "Es wird immer mehr bezweifelt, dass Schaeffler angesichts der Finanzierungsbedingungen am Markt noch die Conti-Übernahme stemmen kann", sagt ein Händler. Die vorgelegten Carrefour-Quartalszahlen werden als gute Vorlage für den europäischen Einzelhandels-Sektor gesehen. Metro verlieren weniger als der Markt und geben 1,1 Prozent ab.
Kräftige Abschläge zeigten auch die Finanzwerte. Allianz setzen ihre Schwäche gegen M ünchener Rück fort und verlieren 7.9 Prozent, während Münchener Rück nur 3 Prozent abgaben. Hypo Real fielen um 4,8 Prozent, Postbank um 8,7 Prozent, Commerzbank um 5,9 Prozent und Deutsche Bank um 8 Prozent. Auch die konjunktursensitiven Titel fallen stark, so BASF um 4,5 Prozent, Thyssenkrupp 4,7 Prozent und Lufthansa 5,5 Prozent. Die Aktien der Fluggesellschaft werden auch von AirFrance KLM belastet, das Management hatte indirekt das operative Ergebnisziel für das laufende Geschäftsjahr in Frage gestellt. "Allerdings waren British Airways und Air France gestern schon eingebrochen, und niemand glaubt, dass es Lufthansa so schwer erwischen wird", sagte ein Händler. Zudem dürfte bis spätestens Montag klar sein, zu welchem Preis Lufthansa die österreichische AUA übernehme. Da dies strategisch ein großer Sprung sei, dürften sich Lufthansa-Aktien zumindest besser als die Indizes entwickeln.
Negativmeldungen von Konkurrenzunternehmen belasten laut Händlern Siemens. "Waren es zuletzt Alstom und ABB, sind es heute Samsung und Sony", so ein Händler mit Blick auf negative Brancheneinflüsse zunächst für den Anlagenbau und nun im Bereich Elektronik. Siemens verbilligte sich um 6,3 Prozent.
Hoffnung keimt
Doch trotz der heftigen Kursverluste bleiben einige Marktteilnehmer ruhig. "Man gewöhnt sich an die Schwankungen", sagte ein Händler. "Es geht ziemlich geordnet zu." Marktstratege Hans-Jörg Naumer von Allianz Global Investors macht mittlerweile wieder Hoffnungen auf ein Ende der Talfahrt an den Aktienmärkten. "Wir sind inzwischen in einer Pessimismus-Phase angelangt, wo man sich fragen muss, wie weit das noch gehen kann. Der Höhepunkt der Krise ist meiner Meinung nach überschritten, jetzt beginnen die Aufräumarbeiten".
Quelle: ntv.de