Daimler, Deutsche Börse, MAN Dax schließt im Minus
20.05.2010, 17:45 UhrEnttäuschenden Konjunkturdaten aus den USA und die anhaltende Verunsicherung durch Schuldenkrise und einseitige Regulierungsvorstöße bescheren den Anlegern am deutschen Aktienmarkt einen ungemütlichen Donnerstag. Immerhin: Bis zum Abend kann sich der Dax ein gutes Stück von seinem Tagestief entfernen.

Kleinere Probleme mit einer Böschung am Main-Donau-Kanal im oberfränkischen Hausen bei Forchheim: Auch im Dax fühlt sich der Boden im Mai 2010 irgendwie weich an.
(Foto: picture alliance / dpa)
Aufkommende Unsicherheiten im Zusammenhang mit der europäischen Schuldenkrise haben die Aktienmärkte am Donnerstag weiter auf Talfahrt geschickt. Der Dax ging nach einer streckenweise steileren Talfhart mit einem Minus von 2,02 Prozent bei 5867 Zählern aus dem Handel. Das Tagestief lag bei 5780 Punkten. "Es wurden zahlreiche technische Marken durchschlagen. Dies ist das Ergebnis der allgemeinen Unsicherheit", sagte ein Händler. Neben dem deutschen Alleingang beim Verbot bestimmter Leerverkäufe trugen auch schwache US-Konjunkturdaten zur Verunsicherung bei. "Die Zahlen kamen leicht unter Erwartungen rein, das führte in einem angeschlagenen Markt zu weiteren Verkäufen", sagte ein Händler. Der MDax büßte 3,12 Prozent auf 7774 Zähler ein. Der TecDax beendete den vorletzten Handelstag der Woche 2,97 Prozent im Minus bei 723 Punkten.
Börsianern zufolge wächst die Sorge, dass es an den Aktienmärkten zu einer starken Korrektur kommt. Der EuroStoxx50 büßte zwei Prozent auf 2567 Stellen ein. Die großen Indizes der US-Börsen verbuchten im frühen Geschäft Kursverluste von mehr als zwei Prozent. Gefragt waren die als sicherer Hafen geltenden Bundesanleihen. Der Bund-Future stieg auf ein Rekordhoch von 128,58 Zählern.
Vor allem das Leerverkaufsverbot auf bestimmte Finanzwerte trug nach Aussage von Händlern zur anhaltenden Unruhe bei. Während dies weltweit auf der Stimmung der Investoren lastete, hielten sich deutsche Finanzwerte besser als der Markt. "Nach dem Verbot der ungedeckten Leerverkäufe in Deutschland kann man nicht mehr so leicht auf Aktien von Banken und Versicherern Druck ausüben", sagte ein Händler. Die Papiere der beiden Versicherer Münchener Rück und Allianz gaben nur 0,8 beziehungsweise 0,7 Prozent nach.
Die Aktien der Commerzbank schlossen gar mit einem Plus von 0,7 Prozent. Dem Datenanbieter Dataexplorers zufolge hatten Anleger bei der zweitgrößten deutschen Bank stärker als bei anderen Instituten auf fallende Kurse gesetzt. Folglich sei jetzt der Druck zur Eindeckung mit deren Papieren auch größer, erklärten Börsianer. Die Aktien der Deutschen Bank gingen 0,9 Prozent tiefer aus dem Handel.
Mit Verkäufen reagierten Investoren am Nachmittag auf eine Reihe von US-Konjunkturdaten, die von Börsianern als durchweg enttäuschend bezeichnet wurden. Die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in den USA war in der Vorwoche unerwartet gestiegen, der Konjunkturindikator der US-Notenbank von Philadelphia (Philly-Fed-Index)und der Frühindikator des Conference Board blieben hinter den Markterwartungen zurück. "Ein einmaliger Rückgang des Frühindikators ist noch lange kein Hinweis auf ein Abkippen der Konjunktur", kommentierte Postbank-Volkswirt Heinrich Bayer. "Er könnte aber ein Indiz darstellen, dass die US-Wirtschaft die Dynamik, die sie seit dem letzten Herbst an den Tag gelegt hat, nicht mehr lange durchhält."
Belastet wurde der Dax von Kursverlusten bei schwergewichteten Industriewerten. Die Papiere von BASF, Siemens und Daimler rutschten bis zu 4,5 Prozent ab. Händlern zufolge gibt es Befürchtungen, dass die Sparprogramme der europäischen Regierungen das Wachstum bremsen. Dax-Schlusslicht waren MAN mit einem Minus von 5,4 Prozent.
Im MDax gehörten Aktien von Klöckner & Co und Rheinmetall in Folge der Merrill-Studie zu den großen Verlierern. Beide gaben um mehr als sieben Prozent nach. Händler verwiesen für Rheinmetall auf einen Bericht, wonach die Bundesregierung die Ausgaben für Verteidigung kürzen wolle. Zudem erwähnten sie eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), wonach die Kosten für den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan bereits jetzt dreimal höher seien als bislang gedacht. Die Studie dürfte den Spardruck noch weiter erhöhen, schrieb Analyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. Rheinmetall-Aktien gaben 5,7 Prozent nach. Klöckner & Co fielen um 6,3 Prozent. Am Ende des Index der Nebenwerte stand jedoch Bilfinger Berger. Die Aktien des Baukonzerns verbilligten sich um 7,0 Prozent.
An den US-Börsen rutschten die Aktien des Handelskonzerns Sears nach einem Gewinneinbruch 7,7 Prozent ab. In London verloren British Airways wegen eines drohenden Streiks 3,3 Prozent. Ein als enttäuschend gewertetes Jahresergebnis des weltweit zweitgrößten Bierbrauers SABMiller veranlasste Anleger zum Ausstieg. Die Aktien des Brauers büßten in London sechs Prozent ein. Die Papiere der Konkurrenten Anheuser-Busch InBev, Carlsberg und Heineken verloren zwischen rund einem und 4,5 Prozent.
Insgesamt seien viele Investoren wegen der widersprüchlichen Meinungen von Experten zur Schuldenkrise und zu Regulierungsmaßnahmen am Finanzmarkt unsicher, sagte Analyst Frank Geilfuß vom Bankhaus Löbbecke & Co. Händler verwiesen zudem auf Gerüchte, wonach nun doch ein europaweites Verbot für ungedeckte Leerverkäufe kommen könnte. EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier stellte für Oktober einen europäischen Vorschlag zum Umgang mit hoch riskanten Wetten auf fallende Kurse in Aussicht. Analyst Patrick Pflüger von IG Markets sah zudem negative Signale von der US-Konjunktur: "Bisher konnten gute Daten immer wieder die Märkte etwas beruhigen - nun kommt auch noch Störfeuer von dieser Seite."
Zu einzelnen Unternehmen gab es kaum Nachrichten. Analyst Christoph Schmidt von der N.M.F. AG sah insbesondere die Titel exportorientierter und zyklischer Unternehmen unter Druck. Entsprechend wurden vor allem Autohersteller gemieden. Daimler büßten 4,48 Prozent ein. Bei Volkswagen (VW) sorgten zudem Berichte für Druck, dass dem Sportwagenbauer Porsche auch in Deutschland Milliardenklagen drohen. Die im Dax notierten VW- Vorzugsaktien verloren 3,72 Prozent. Porsche-Vorzüge gaben 5,30 Prozent ab.
Die zyklischen Stahlwerte gehörten ebenfalls zu den Stiefkindern am Markt. Die oben bereits erwähnte skeptische Branchenstudie von Merrill Lynch belastete zusätzlich, so dass ThyssenKrupp 4,02 Prozent einbüßten. Besser hielten sich Salzgitter mit einem Minus von 1,04 Prozent.
Am Rentenmarkt sank die durchschnittliche Rendite der börsennotierten Bundeswertpapiere auf 2,31 (Vortag: 2,32). Der Rentenindex Rex fiel um 0,05 Prozent auf 127,31 Punkte. Der Bund Future stieg derweil um 0,57 Prozent auf 128,20 Punkte. Auch der Kurs des Euro zeigte nach oben. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,2334 (Mittwoch: 1,2270) Dollar fest. Der Dollar kostete damit 0,8150 (0,8046) Euro.
Blick auf die Konjunkturseite
Das Verbrauchervertrauen im Euroraum hat sich im Mai schlechter entwickelt als erwartet. Wie die EU-Kommission im Rahmen einer Vorabschätzung mitteilte, sank der von ihr ermittelte Index des Verbrauchervertrauens auf minus 17,5 Punkte. im Vorfeld befragte Volkswirte hatten dagegen einen Anstieg auf minus 14 Punkte von minus 15 im Vormonat prognostiziert. Beobachter sagten, die Schuldenkrise in Griechenland und in anderen Euro-Ländern belaste die Stimmung der Bürger. Der endgültige Wert des Verbrauchervertrauensindex wird am 31. Mai im Rahmen der Wirtschaftsstimmungsdaten veröffentlicht.
Die deutschen Erzeugerpreise sind im April im Zuge höherer Preise von Vorleistungsgütern stärker gestiegen als erwartet und lagen erstmals seit Februar 2009 wieder über dem Niveau des Vorjahresmonats. Die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte stiegen auf Jahressicht um 0,6 Prozent, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Volkswirte hatten einen Anstieg um lediglich 0,4 Prozent erwartet. Im März waren die Preise auf Jahressicht noch um 1,5 Prozent gesunken.
Gegenüber dem Vormonat erhöhten sich die Erzeugerpreise im April um 0,8 Prozent nach plus 0,7 Prozent im März. Hier hatte die Prognose auf ein Plus von 0,6 Prozent gelautet. Ohne Energie ist der Index der Erzeugerpreise im April zum Vorjahr um 1,0 Prozent und im Vergleich zum Vormonat um 0,6 Prozent gestiegen.
Quelle: ntv.de, mmo/DJ/dpa/rts