Kalter Gegenwind aus den USA Dax schließt knapp im Plus
22.04.2013, 18:35 Uhr
Stärker am Morgen als am Abend: Der Dax zu Wochenbeginn.
(Foto: REUTERS)
Kräftige Kursgewinne bei konjunktursensiblen Aktien bescheren Anlegern zu Beginn der Woche einen halbwegs versöhnlichen Handelstag - am Nachmittag kühlt die Stimmung jedoch unvermittelt ab: Der Leitindex Dax kippt mit den US-Börsen aus der Spur.
Unerwartet schwache Daten vom US-Immobilienmarkt haben am deutschen Aktienmarkt die ersten zaghaften Erholungsansätze nach sechs Minustagen in Folge beinahe abgewürgt. In den USA waren die Verkäufe bestehender Häuser im März überraschend gesunken, während Volkswirte mit einem leichten Anstieg gerechnet hatten.
Im Dax kühlte sich die Zuversicht der Anleger daraufhin deutlich ab: Der deutsche Leitindex rettete sich allerdings mit einem mageren Aufschlag von 0,24 Prozent ins Plus und ging bei 7478,11 Punkten aus dem Handel. Am Vormittag hatte der Leitindex aufgrund einer erneut sehr starken japanischen Börse und Hoffnungen auf gute deutsche Unternehmenszahlen kurzzeitig um bis zu 0,9 Prozent zugelegt. Händler sahen darin eine Reaktion auf den Vorwochenverlust von knapp 3,7 Prozent. Im späten Handel war er zwischenzeitlich deutlich ins Minus gerutscht. Der MDax beendete den Tag 0,57 Prozent fester bei 13.093,23 Punkten. Der TecDax legte um 0,46 Prozent auf 910,86 Punkte zu.
Auslöser für die plötzliche Trendwende waren die unerwartet schwachen Konjunktursignale aus den USA: Statt eines Anstiegs der Hausverkäufe um 0,8 Prozent im März im Vergleich zum Februar sind diese um 0,6 Prozent gefallen. "Der Bestand unverkaufter Häuser liegt mit 4,7 Monatsangeboten über unserer Schätzung vom 4,4-fachen. Das drückt auf die Preise", meinte ein Händler. An diesen wiederum hänge ein nicht zu unterschätzender Teil des privaten Konsums in den USA. Dem jedoch hielt Ralf Umlauf von der Helaba entgegen: "Die Erholung des Immobilienmarktes setzt sich im Trend fort - unabhängig des leichten Rückgangs. Aufgrund des bereits hohen Niveaus sollten kleinere Gegenbewegung nicht überinterpretiert werden."
Für reichlich Gesprächsstoff sorgte die Lage bei der Deutschen Lufthansa. Mit einem Warnstreik hat das Bodenpersonal des Unternehmens den Flugverkehr der Airline fast in ganz Deutschland lahmgelegt. Dennoch legten die Aktien des Konzerns deutlich zu. Am Abend gingen Lufthansa-Titel 1,4 Prozent fester bei 14,10 Euro aus dem Handel. Die Börsianer werteten offenbar positiv, dass die Konzernführung Härte zeigt und glaubt, dass sich die konsequente Haltung langfristig auszahlen wird.
Tagessieger im Leitindex waren die Aktien von Henkel, die sich ohne fundamentale Nachrichten um knapp 2,2 Prozent verteuerten. Ebenfalls zulegen konnten einige der konjunktursensiblen Automobil- und Finanzwerte. So stiegen Daimler um 1,76 Prozent und Allianz um 1,16 Prozent. Die Aktien der Deutschen Bank verabschiedeten sich mit einem dünnen Aufschlag von 0,1 Prozent aus dem Handel.
Die Aktien von ThyssenKrupp - zeitweise unter denn besonders gefragten Dax-Titeln - schlossen mit plus 0,6 Prozent etwas besser als der Gesamtmarkt. Händler verwiesen auf die eingetrübten Konjunkturaussichten in den USA und zudem auf eine Meldung, wonach der brasilianische Konkurrent Cia Siderurgica Nacional dem deutschen Stahlkonzern erneut ein Kaufgebot im Zusammenhang mit den zum Verkauf stehenden Stahlwerken in der Region Amerika unterbreitet haben soll.
Ebenfalls gefragt waren die Aktien der Autobauer: Daimler, BMW und Volkswagen starteten mit Aufschlägen zwischen 0,6 und 1,7 Prozent in die neue Woche. Börsianern zufolge zeigte sich die Wirkung der verbesserte Absatzaussichten im weiterhin wachsenden Pkw-Markt in China.
Die am Morgen vorgelegten Zahlen von Philips beinhalten für Theodoor Gilissen, Analyst bei Jos Versteeg, positive wie negative Überraschungen: Die Umsätze sind für ihn etwas leichter als erwartet ausgefallen, die Margen hätten sich dagegen gut entwickelt. Der Ordereingang im Bereich Medizintechnik sei schwach. Auf diese Entwicklung hatte das Unternehmen allerdings bereits hingedeutet. In Amsterdam führten die Anteilsscheine des GE- und Siemens-Rivalen mit einem Minus von 5,2 Prozent die Verliererliste an. In Frankfurt schlossen die Aktien von Siemens 0,3 Prozent fester bei 76,35 Euro.
Für die Aktien der Commerzbank ging es am Dax-Ende um 4,5 Prozent auf 1,09 Euro nach unten. Im Verlauf hatten die Aktien des staatlich gestützten Instituts sogar ein neues Rekordtief markiert. "Die Märkte bereiten sich auf die Kapitalerhöhung vor", sagte ein Händler. Die Hauptversammlung hatte am Freitagabend den Weg für den allmählichen Ausstieg des Staates aus dem Konzern mit einer erneuten Kapitalerhöhung freigemacht.
Die Papiere von K+S sackten als zweitschwächster Wert im Dax um 3,7 Prozent ab. Ein geplantes Kaliwerk in Kanada wird für den Düngemittel- und Salzkonzern teurer als gedacht.
Die im TecDax gelisteten Anteilsscheine von SMA Solar schnellten dafür kräftig nach oben. Zuletzt notierten sie noch 4,7 Prozent im Plus. Der Schweizer Energie- und Automationstechnikkonzern ABB will den US-Produzenten von Photovoltaik-Wechselrichtern Power-One übernehmen. Power-One sei ein Wettbewerber von SMA Solar und dementsprechend sorge die Meldung für Übernahmefantasie, sagten Börsianer.

Fließende Bewegungen retten den deutschen Aktienmarkt ins Plus - trotz der in den USA aufkommenden Konjunkturskepsis.
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Einen weiteren Motor für eine neue Konjunkturzuversicht am Aktienmarkt erkannten Beobachter auch in den neuen Einschätzung zur Lage: Bundesfinanzministerium und Bundesbank untermauern die Erwartung der Bundesregierung, dass es dieses Jahr zu einem Konjunkturaufschwung kommen wird. In ihrem jüngsten Monatsbericht geben sich die Beamten von Finanzminister Wolfgang Schäuble zuversichtlich für die weitere Entwicklung, und auch aus Sicht der Bundesbank gibt es Anzeichen für eine Belebung. Nachdem sich Wirtschaftsminister Philipp Rösler ebenfalls bereits positiv geäußert hatte, nähren die Aussagen Hoffnungen auf eine Aufwärtsrevision der Regierungsprognose am Donnerstag.
Fortschritte in Italien
Ein geeignetes Klima für steigende Aktienkurse war zunächst auch in Italien durch die Wiederwahl Napolitanos entstanden. Gefragt waren zu Wochenbeginn vor allem italienische Aktien und Staatsanleihen. Der Mailänder Index MIB stieg um 1,7 Prozent. Der italienische Bankenindex gewann 2,2 Prozent, sein Pendant für die Eurozone legte um 1,2 Prozent zu. Der Kurs der zehnjährigen italienischen Anleihen zog ebenfalls deutlich an, entsprechend notierten die Renditen mit bis zu 4,063 Prozent so niedrig wie seit November 2010 nicht mehr.
Der 87-jährige Ex-Kommunist Napolitano konnte bei seiner Wahl am Samstag auf die Unterstützung aller großen Parteien zählen - mit Ausnahme der Protestbewegung des ehemaligen Komikers Beppe Grillo. Sollten Napolitanos Versuche zur Bildung einer arbeitsfähigen Regierung scheitern, könnte er in seiner neuen Amtszeit das Parlament auflösen und Neuwahlen schon im Frühsommer ansetzen.
Einige Analysten warnten jedoch vor zu großem Optimismus: "Noch ist in Italien nichts geklärt", sagte Patrick Jacq, Stratege bei der BNP Paribas. Sollte es tatsächlich zu Neuwahlen kommen, könnten diese Silvio Berlusconi nützen, der in Meinungsumfragen derzeit vorne liegt. Die Aktien seines TV-Konzerns Mediaset stiegen um 5,1 Prozent auf den höchsten Stand seit knapp zwei Monaten.
Der Reigen an Quartalsergebnissen geht in den kommenden Tagen munter weiter: Mit besonders großer Spannung werden am Dienstag nach US-Börsenschluss die Zahlen von Apple erwartet. Hierzulande informiert der Pharmakonzern Bayer am Donnerstag über die Geschäftsentwicklung, BASF folgt am Freitag.
Der Eurostoxx50 schloss 0,33 Prozent höher bei 2583,62 Punkten. Der Pariser CAC 40 zeigte sich unverändert, während der Londoner FTSE-Index ein knappes Minus verbuchte. In New York lag der Dow Jones Industrial zum Handelsschluss in Europa 0,30 Prozent unter dem Vortagesschluss.
Am Rentenmarkt stieg die Umlaufrendite börsennotierter Bundeswertpapiere von 1,03 Prozent am Freitag auf 1,04 Prozent. Der Rentenindex Rex fiel um 0,09 Prozent auf 135,57 Punkte. Der Bund-Future kletterte um 0,13 Prozent auf 146,31 Punkte. Der Kurs des Euro fiel am Montag. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,3037 (Freitag: 1,3115) Dollar fest. Der Dollar kostete damit 0,7671 (0,7625) Euro.
Quelle: ntv.de, mmo/DJ/dpa/rts